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Weiße Ungeheuer

Schneelawinen in den Alpen können mit enormer Wucht zu Tal donnern - häufig lösen Menschen sie aus.  

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E ine Schneelawine in den Alpen kann man sich als ein schlafendes Ungetüm vorstellen. Im Winter, wenn es geschneit hat, liegt es meterdick auf den Hängen der Berge. Wenn es dann durch irgendetwas gestört wird, wacht es auf und rumpelt ins Tal. Man weiß, dass das Ungetüm einen leichten Schlaf hat. Dann lässt man es am besten in Ruhe und macht einen Bogen um seinen Schlafplatz. So lange, bis die Sonne es weggetaut hat.

Der große Kriegsherr Hannibal hat vor mehr als 2000 Jahren viele Ungetüme in ihrem Winterschlaf gestört. Er wollte mit seinem großen Heer die Alpen durchqueren. Dabei kamen 18 000 Soldaten, 2000 Pferde und einige Elefanten in den Lawinen ums Leben. Auch im Ersten Weltkrieg wurden in den Dolomiten, in den Bergen Südtirols, an manchen Tage mehr als 5000 Soldaten durch Schneemassen verschluckt. Die Alpenbewohner dachten, dass böse Geister und Hexen die Lawinen auslösen. Oder dass Gott sie für etwas bestrafe.

Manchmal wachen die Ungetüme von allein auf. Sie rauschen dann ins Tal, ohne Vorwarnung und ohne dass ein Mensch sie gestört hätte. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, wie man solche unberechenbaren Schneemonster am besten besänftigt. Die Forscher hatten geschaut, wo sie sich besonders häufig zu Tale stürzen. Dort pflanzten sie Bäume oder stellten Zäune auf. Dadurch konnten die Schneemassen nicht so leicht den Hang herunterrutschen und Häuser zerstören. Und an Hängen, wo niemand wohnte oder arbeitete, konnten die Lawinen rutschen wie sie wollten. Das störte die Bewohner nicht.

Der Schwarzwald liegt zwar nicht so hoch wie die Alpen. Trotzdem gab es hier früher, als es noch mehr Schnee gab, ebenfalls einige Lawinenunglücke. Vor mehr als 100 Jahren wurden im Kappler Tal, auf der Nordseite des Schauinsland, mehrere Häuser durch Schneebruch zerstört. Ingbert Schindler, der ehemali- ge Wirt der Zastlerhütte am Feldberg, hat in den vergangenen Jahren viele Verletzte aus den Lawinen geborgen.

Heutzutage überfallen die Schneeungetüme noch ganz selten die Alpenbewohner in ihren Häusern oder bei der Arbeit. Trotzdem kommen jedes Jahr viele Ski- und Snowboardfahrer bei einem Lawinenunfall ums Leben. Woher kommt das? An neun von zehn Unfällen sind die Menschen selbst schuld. Auf der Suche nach Ruhe und Einsamkeit wagen sich die Bergtouristen immer weiter zu unberührten Schneehängen vor. Dort liegt der Schnee meistens noch so fest auf dem Hang, dass er nicht ins Rutschen kommt. Wenn dann aber plötzlich Menschen auf ihm herumtrampeln, kann es ihn so sehr reizen, dass er als Lawine zu Tal rumpelt und alles mitreißt, was sich ihm in den Weg stellt.

Wenn das passiert, kann man nur hoffen, dass es die Lawine gut mit einem meint und man nicht ganz von ihr zugeschüttet wird. Falls doch, haben die meisten Ski- und Snowboardfahrer ein kleines Gerät dabei, das Signale aussendet. Durch das Gerät können die Freunde oder Bergretter einen entdecken und wieder ausgraben. Wer kein Gerät dabei hat, kann nur hoffen, dass die Lawinenhunde einen schnell finden. Denn allzu lange kann man unter dem Schnee nicht atmen.

An vielen Stellen schlafen die Schneeungetüme ganz fest. Man muss nur wissen wo. An anderen Stellen wiederum haben sie einen leichten Schlaf. An manchen Tagen, wenn es lange nicht geschneit und häufig die Sonne geschienen hat, liegen sie träge auf dem Hang und lassen sich kaum bewegen. Wer viel in die Berge geht, weiß, wann und wo die Schneemassen fest schlafen und träge sind. Wer außerhalb von Skipisten fährt, sollte am besten nur mit jemand über die unberührten Hänge gehen, der sich gut auskennt. Sonst ist es besser, auf den sicheren Skipisten zu bleiben. Da macht das Skifahren und Snowboarden schließlich auch viel Spaß.

Oliver Häußler

Ressort: Zisch

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