"Was die Welt zusammenhält"
ZISCHUP-INTERVIEW mit dem Teilchenphysiker Sebastian Schuhmacher über die Begeisterung für sein Fach und seine Doktorarbeit.
Emil Binninger und Yago Sanchez-Krassnig, Klasse 8c, Goehte-Gymnasium (Emmendingen)
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Die Zischup-Reporter Emil Binninger und Yago Sanchez-Krassnig aus der Klasse 8c des Goethe-Gymnasiums in Emmendingen haben den Teilchenphysiker Sebastian Schuhmacher interviewt. Er arbeitet an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg und ist auf dem Weg zu seinem Doktortitel.
Schuhmacher: Wir versuchen zu verstehen, aus welchen Teilchen alles, was wir sehen und nicht sehen können, aufgebaut ist und wie sich die Teilchen verhalten. Dazu stellen wir mathematische Theorien auf und errechnen Vorhersagen, die dann durch Experimente wie ATLAS und CMS am CERN oder SLAC in Stanford überprüft werden können. Viele zitieren an der Stelle Goethes Faust, was ich persönlich etwas ausgelutscht finde: Wir versuchen "herauszufinden, was die Welt im Innersten zusammenhält".
Zischup: Was ist der Nutzen von Teilchenphysik?
Schuhmacher: Teilchenphysik bietet auf den ersten Blick wenig praktische Anwendungen. Allerdings ist das Gebiet sehr wichtig, weil es so grundlegend ist. Wenn wir wissen, aus was die Sachen gebaut sind, verstehen wir sie besser und da wir uns in der Elementarteilchenphysik um die kleinsten Bausteine kümmern, hoffen wir natürlich, irgendwann alles zumindest im Prinzip verstehen zu können. Auch wenn ich nicht glaube, dass das je passieren wird. Es gibt aber auch praktische Sachen, die ohne Teilchenphysik nicht funktionieren würden. Die gesamte Halbleiterphysik basiert auf Quantenmechanik und mit der werden Prozessoren in Computern, Handys, Solarzellen und LEDs, zum Beispiel in Bildschirmen, verbaut. Das ist allerdings schon ältere Physik, aktuell sind wir der Technik einiges voraus. Viele hoffen im Moment auf die Anwendungen von Quantencomputern, Quantenverschlüsselung und Quantenteleportation mittels Quantenverschränkung. Das berühmteste Anwendungsbeispiel der Teilchenphysik ist wohl das Manhattan Project, das die Atombombe hervorgebracht hat. Das ist zwar nicht besonders schön, aber es gibt auch einige friedliche Anwendungen, wie in Kernkraftwerken. Wenn man versteht, wie Sachen aufgebaut sind, kann man auch sehen, wie man aus ihnen Energie gewinnen kann.
Zischup: Wie kommt man auf den Beruf?
Schuhmacher: Ich wollte schon immer wissen, wie Sachen funktionieren. Ich mag auch Mathe sehr gerne und so habe ich mich entschieden, Physik zu studieren. Im Studium habe ich herausgefunden, dass mich Quantenfeldtheorie am meisten interessiert und dass die Theoretischen Elementarteilchenphysiker sehr nette Leute sind. Also dachte ich mir, es wäre schön, bei denen mitzumachen.
Zischup: Was ist Ihr Fachgebiet?
Schuhmacher: Das ist die theoretische Elementarteilchenphysik, insbesondere arbeite ich an Erweiterungen des Standardmodells der Teilchenphysik, um Phänomene wie Dunkle Materie zu erklären. Ich betrachte eine spezielle Erweiterung des Higgs-Sektors des Standardmodells und führe in diesem erweiterten Modell Präzisionsrechnungen durch, wobei ich viele Techniken aus dem Gebiet der Effektiven Quantenfeldtheorie und der Renormierung verwende. Etwas einfacher gesagt: Ich rechne aus, was passieren würde, wenn es ein weiteres, sehr schweres, Higgs-Teilchen zusätzlich zu dem 2012 am CERN gefundenen Higgs-Teilchen, gäbe und ob oder wie man es in Experimenten finden könnte. Es könnte zum Beispiel helfen, Dunkle Materie zu erklären.
Zischup: Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?
Schuhmacher: Ich gehe ins Büro, nehme mir ein Problem und zerbreche mir den Kopf darüber. Mal rechne ich Sachen auf dem Papier aus, mal am Computer. Wenn ich glaube, etwas verstanden zu haben, schreibe ich es auf und teile die Idee mit den Kollegen. Die können mir dann weitere Ideen geben oder Fehler finden, denn Fehler finden ist das Wichtigste und Beste, was ein Wissenschaftler für den anderen tun kann. So arbeite ich an einem Projekt weiter, bis ich genug Material zusammen habe, um es zu veröffentlichen. Mehrmals die Woche werden auch Physiker von anderen Unis eingeladen und halten Vorträge über ihre Arbeit, die ich mir anhöre, wenn sie nahe an meinem Arbeitsgebiet sind. Das ist sehr wichtig, um zu wissen, was in der Physik aktuell passiert, und um von anderen zu lernen. Dafür lese ich auch regelmäßig Lehrbücher und Veröffentlichungen aus meinem Forschungsgebiet. Ich gebe auch ein Tutorat für Studenten, da müssen diese selbst Aufgaben rechnen. Ich korrigiere sie und zeige die richtigen Lösungen. Es gibt also schon Abwechslung. Das Beste ist, dass einem nie langweilig ist, weil es unendlich viele Probleme gibt, an denen man arbeiten kann. Und man bekommt ab und zu das schöne Gefühl, etwas wirklich verstanden zu haben, was besonders schön ist, wenn man ein paar Wochen lang versucht hat, es zu kapieren.
Zischup: Was ist Ihr größter Erfolg?
Schuhmacher: Das Erlangen des Titels Master of Science Physik, also mein Uniabschluss, und meine erste wissenschaftliche Veröffentlichung, die aus den Ergebnissen meiner Masterarbeit geschrieben wurde. Damit habe ich einen Beitrag zur Forschung geliefert und darf mich jetzt mit recht Wissenschaftler, Physiker und Elementarteilchentheoretiker nennen.
Kommentare
Kommentarbereich ist geschlossen.