Tierisch leben (5)
Warum sind Spinnen und Echsen als Haustiere so beliebt?
Es sind Wesen wie aus einer anderen Welt – und viele leben als Haustiere unter uns: Die einen finden Echsen und Spinnen seltsam bis eklig, die anderen lieben sie. So wie Helge Behncke. Martina Philipp hat den Denzlinger besucht.
Do, 18. Jun 2015, 0:00 Uhr
Panorama
Thema: Tierisch leben
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29 Millionen Haustiere leben in deutschen Haushalten. Man kann getrost sagen, dass es weite Teile der Bevölkerung eher mit Fell mögen. Sie halten Hunde, gehen Gassi, werfen Stöckchen oder sie halten Katzen, lassen sie rein und raus und streicheln sie, wenn Streicheln erwünscht ist. Eventuell putzen sie auch den Kaninchenstall ihrer Kinder oder lassen fischig riechende Flocken ins Aquarium rieseln. Für Leute wie Helge Behncke ist das nichts, sehr zum Leidwesen seiner fünfjährigen Tochter, die beispielsweise so ein kleines, felliges Kaninchen durchaus niedlich findet.
Pech für die Tochter: Tierarzt Helge Behncke, der in Denzlingen lebt und in einer Praxis in Waldkirch arbeitet, hatte es schon immer mit den Echsen, Spinnen und Schlangen. Früher besaß er mal bis zu 300 Vogelspinnen. Heute sind es nur noch ein Dutzend Schlangen, zwei Geckos, vier Schildkröten und "ein paar Vogelspinnen". Er sei biologisch interessiert, sagt er nach reiflicher Überlegung. Bei den Reptilien etwa gebe es eine ganz andere Artbreite – als etwa bei Hamstern. "Hier in den Räumen gibt es vielleicht 40 Reptilienarten, auf der ganzen Welt aber 10.000", sagt er, während er sich in der Freiburger Zoohandlung Burkart umsieht, in der er als Amphibien- und Reptilien- sowie Zier- und Wildvogelmediziner die Tiere betreut. Diese Bandbreite sei für ihn als Arzt spannend. "Komm mal her, Schneckchen", sagt Behncke leise, während er den Riesenanolis auf die Hand nimmt. Das Tier dreht etwas ruckartig den Kopf nach links und rechts. Zusammen mit seinem Terrariumpartner, der reglos kopfüber von einem Ast herunterhängt, kostet "Schneckchen" übrigens 500 Euro.
Szenenwechsel. Es ist Dienstagnachmittag und Helge Behncke hat zwei Stunden lang in einer Waldkircher Tierarztpraxis Sprechstunden für alles, was Schuppen und Federn hat. Aus ganz Südbaden kommen die Tierbesitzer angefahren. Ein junger Mann trägt in einem weißen Styroporbehälter eine Dornschwanzagame herein, die einen Abszess am Bein hat und den Behncke bereits mit Antibiotikum behandelt hat. "Von dem Mittel habe ich nichts gemerkt", sagt der junge Mann um die 30, rote Haare, hell gebleichte Jeans, Kapuzenpulli. "Ich schon, das Bein ist nicht mehr so geschwollen", antwortet Behncke und hält das Tier auf der Hand. Trotzdem müsse er das Tier dabehalten, nach der Sprechstunde das Bein wegen des Eiters aufschneiden und hoffen, dass er das Bein erhalten könne. "Das wäre aber schlimm, wenn er mit neun Jahren schon sein Bein verliert, er kann doch bis zu 34 Jahre werden", ruft der Mann besorgt. Zum Abschied küsst er die Dornschwanzagame, die er Querulant nennt, und klopft beim Rausgehen nochmal vorsichtig auf die Styroporschachtel. "Mach’s gut, Dicker!"
Behncke wird das Bein am Abend dennoch leider amputieren müssen. "Die Dornschwanzagame kommt aber auch ganz gut nur mit drei Beinen im Terrarium zurecht", versichert er später.
Nur komische Vögel halten sich Schildkröten, Echsen oder Schlangen, dieses Vorurteil hält sich recht hartnäckig. Nach Ansicht von Helge Behncke ist es alles andere als gerechtfertigt. Sowohl in der Praxis als auch auf der jährlichen Reptilienmesse in der Ortenau, die er als Arzt betreut, sieht er die unterschiedlichsten Leute kommen und gehen. "Da gibt es Leute wie Sie und ich, da gibt es den Uniprofessor, den Spinner sowie die 60-jährige Hausfrau mit ihrer Schildkröte, die sie seit 30 Jahren hat."
Je nach Tier sei eine persönliche Beziehung mehr oder weniger möglich. Eine Vogelspinne beispielsweise sitzt auch in der Natur so lange in ihrer kleinen Höhle, bis mal Futter vorbeikommt. "Wenn ich dort alle ein, zwei Wochen ein paar Grillen reinschmeiße, kann ich ihr natürliches Leben super simulieren", so Behncke. Auch Skorpione seien nicht besonders pflegeintensiv. "Das ist natürlich kein Tier, mit dem ich knuddeln kann." Bei Echsen dagegen könne man schon von einem Haustier sprechen. Die könne man liebhaben, die seien aufmerksam, wobei der Tiermediziner, der auch für den Waldkircher Reptiliengroßhändler Hoch arbeitet, grundsätzlich betont: "Reptilien sind Wildtiere."
Immer wieder fangen vermeintliche Tierfreunde Reptilien auch in der Wildnis ein und bringen sie als Urlaubssouvenir mit nach Hause. Unerfreulich, für Behncke ist der Wildfang letztlich aber nicht das Hauptproblem einer schützenswerten Art, sondern, dass ihr Lebensraum zerstört wird, "weil beispielsweise eine Landstraße quer durch die Pampa gezogen wird". Charly ist kein Mitbringsel aus Mallorca und besonders wild sieht sie auch nicht aus. Kann sie auch nicht, denn die russische Schildkröte ist unpässlich. Verschnupft. In einem Einkaufskorb, abgedeckt mit einem rosa Handtuch, bringt ihre Besitzerin sie in den Behandlungsraum.
Behncke nimmt das Tier, das sofort den Kopf in den Panzer zurückzieht und kurz grunzt. Oder maunzt. Da sich Charly ein bisschen mehr schuppt als gewöhnlich und sich im Kot ein paar mehr Würmer als üblich finden, gibt es Vitamin A und eine Wurmkur. Hat Charly Charakter? "Ja, sie ist eher der ruhige Typ und gräbt sich ein. Ich muss ihn immer mal wieder wecken." Die Frau hat Charly samt einer weiteren Artgenossin von einer Frau übernommen, die gesundheitlich angeschlagen ist. Beide Tiere haben keinen Winterschlaf gemacht, "deswegen sind sie jetzt immer so müde".
Ein Hund muss jeden Tag mehrfach Gassi gehen, eine Schildkröte ist da weniger anspruchsvoll. Wenn man sie lässt, schläft sie irgendwann im Oktober ein. Wer keinen kalten Keller hat, stellt seine Schildkröte im Winter in den Kühlschrank. Als wechselwarmes Tier holt es sich alle Energie von außen. Ist es kalt, braucht das Tier wenig Energie. Und Sauerstoff? "Es reicht völlig, wenn Sie einmal in der Woche nach dem Tier im Kühlschrank schauen", sagt Behncke, der auch mit seinen Schlangen kein großes Problem hat, wenn er in Urlaub geht.
Andererseits sind wechselwarme Tiere darauf angewiesen, dass sie in ihrem Terrarium das vorfinden, was sie auch in der Natur brauchen. "Ein Hund geht weg, wenn es ihm am Ofen zu warm ist." Ein Leguan im Terrarium kann das nicht, wenn die Temperatur nicht stimmt. Ein passendes Terrarium mit einer ausgewogenen Beleuchtungstechnik und einigen Extras kann bis zu 2000 Euro kosten. "Das kann sich aber auch der leisten, der keinen Porsche fährt", betont Behncke. Es mache Freude, ein Stück Natur nachzustellen.
Erst am Morgen hat er mit seiner Frau über die Gründe gesprochen, warum er sich so gern mit Echsen, Spinnen und Schlangen umgibt. Es habe eben schon mit den Kaulquappen im Teich begonnen, sagt der Tierarzt und lacht. Und es ist dabei geblieben.
- Morgen lesen Sie: Ein Zimmer für die Vögel – das Faible einer Tierfreundin.
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