Startbahn ins All

Vor 60 Jahren begann der Bau des Kosmodroms Baikonur

Der Bau in der kasachischen Steppe war ein Staatsgeheimnis, die Erfolge sind legendär – und noch heute ist der Ort geheimnisumwittert: Baikonur, das größte Kosmodrom der Welt.  

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Baikonur – ein Weltraumbahnhof in der Steppe Foto: dpa

Voller Stolz begeht der russische Weltraumbahnhof, auf dem der erste Mensch im All seine historische Reise begann, am heutigen Dienstag seinen 60. Jahrestag. Triumph und Trauer liegen aber eng beieinander – denn inmitten einer schweren Krise der russischen Raumfahrt ist es alles andere als ein unbeschwertes Jubiläum.

Gleich zwei Fehlstarts innerhalb weniger Tage haben das Selbstvertrauen der stolzen Raumfahrtnation erschüttert. Erst verglühte ein außer Kontrolle geratener Frachter mit Nachschub für die Internationale Raumstation ISS in der Erdatmosphäre. Dann stürzte eine defekte Trägerrakete mit einem Satelliten in die sibirische Wildnis. Seitdem herrscht Startverbot in Baikonur, wo – im Unterschied etwa zum US-Weltraumbahnhof Kennedy Space Center – niemand klatscht nach dem Abheben einer Rakete. "Das ist doch Routine", sagen russische Ingenieure meist mit einem Schulterzucken.

Alles war streng geheim, als die Sowjetführung in Moskau 1955 den Bau des Forschungs- und Testgeländes Nr. 5 nahe der Bahnstation Tjuratam in Kasachstan beschloss. Sergej Koroljow, der Chef der sowjetischen Raketenforschung, benötigte damals einen neuen Startplatz für die Interkontinentalrakete R-7.

Baikonur (etwa: Reiches Tal), rund 2500 Kilometer südöstlich von Moskau, schien ideal: Die Steppe liegt abseits von Wohngebiet, weist kaum Niederschlag auf, und wegen der Äquatornähe kann die Rakete auf ihrem Tausende Kilometer langen Flug über russisches Gebiet den Schwung der Erdumdrehung nutzen. Am 2. Juni 1955 legte Moskau den Generalplan fest, dies gilt als Geburtsstunde der Startbahn ins All.

Unter gewaltigen Mühen stampften Baubrigaden Gebäude und Rampen aus dem Boden. Alles musste von weit her angeschafft werden – mit der Eisenbahn bis Tjuratam und dann weiter mit Kamelen und Lastwagen. "Der Bau war eine Heldentat für ein Volk, das gerade einen Weltkrieg überstanden hatte", sagte Kremlchef Wladimir Putin einmal. Die Erbauer campierten in Bahnwaggons und Nomadenzelten. Den ersten Erfolg feierte der Kreml 1957 mit dem Start einer Interkontinentalrakete. Erst jetzt nahm die Welt staunend Kenntnis vom Tor ins All – allen voran die USA, Erzrivale im "kosmischen Wettlauf". Zwei Monate später schoss die Sowjetunion den ersten Satelliten Sputnik-1 in den Orbit, und am 12. April 1961 flog Weltraumpionier Juri Gagarin von Baikonur aus zu den Sternen.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeitserklärung von Kasachstan 1991 war das Schicksal des Areals, das für die Russen plötzlich im Ausland lag, aber lange ungeklärt. Moskau hatte kein Geld, um in eine Infrastruktur zu investieren, die nur ein paar Tage im Jahr in Betrieb war. "Jede Nudel war abgezählt", erzählt der deutsche Astronaut Reinhold Ewald über die damalige Baikonur-Krise. Heute besteht die Wiege der bemannten Raumfahrt aus mehr als einem Dutzend Startrampen, von denen aber nicht alle funktionstüchtig sind. Den Hallen, Straßen und Wohnkasernen ist das Alter anzusehen. Für seine Starts hat Russland das Gelände, das etwa dreimal so groß ist wie das Saarland, bis 2050 für jährlich rund 100 Millionen Euro gemietet. Um unabhängig zu sein, baut Moskau unweit der Pazifikküste in Wostotschny ein eigenes Kosmodrom. Das Schicksal von Baikonur ist ungewiss.

Dennoch spielt die Anlage nach wie vor eine wichtige Rolle: War die Anwesenheit von Amerikanern auf der geheimen Anlage vor 60 Jahren kaum denkbar, ist sie heute Alltag. Nach dem Einstellen des Shuttle-Programms ist Baikonur der einzige Ort, von dem US-Astronauten ins All fliegen können – als Gäste in russischen Sojus-Kapseln.

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