Mumie aus dem Eis
Vor 30 Jahren wurde Ötzi in den Alpen gefunden
Er hatte Jahrtausende lang im Eis gelegen. Am Sonntag vor 30 Jahren wurde in den Ötztaler Alpen ein Mann gefunden, der mumifiziert war. Seither wird Ötzi ausgestellt und erforscht.
Matthias Röder
Fr, 17. Sep 2021, 14:56 Uhr
Panorama
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Vor 30 Jahren, am 19. September 1991, fand das Nürnberger Ehepaar Helmut und Erika Simon auf dem 3200 Meter hohen Tisenjoch an der österreichisch-italienischen Grenze die Mumie, die halb aus dem Schnee ragte. Sie wurde zur weltweiten Sensation. Eine so gut erhaltene Mumie samt Bogen, Kupferbeil und anderen steinzeitlichen Ausrüstungsgegenständen war ein Glücksfall für die Wissenschaft.
Die Polizei in Sölden schrieb in ihrer Anzeige: "Es handelt sich nach der Ausrüstung zu schließen um einen Alpinunfall, der schon viele Jahre zurückliegt." Ein erster Gedanke war, dass es sich bei der Mumie um einen seit 1938 in der Gegend vermissten italienischen Musikprofessor handeln könnte. Erst als der Mann aus dem Eis im Institut für Gerichtliche Medizin in Innsbruck landete, zeichnete sich die spektakuläre Dimension des Fundes ab. 4000 Jahre alt, lautete das erste Urteil der Experten, das dann noch nach oben korrigiert wurde. Ein österreichischer Journalist schuf den in jede Schlagzeile passenden Namen: Ötzi.
Das erste Problem war die Konservierung einer Mumie, die zwar ausgetrocknet, aber durch den Gletscher feucht gehalten worden war. Der Anatom Othmar Gaber entwickelte für Ötzi ein Mehrschichten-System: Er ließ ihn in ein steriles OP-Tuch einwickeln, viel Crash-Eis dazugeben, dann kam eine Plastikfolie, noch mehr Eis und eine Raumtemperatur von minus 6,5 Grad Celsius – wie im Gletscher. Der 13,3 Kilogramm leichte Ötzi wurde auf eine Präzisionswaage gelegt, um bedrohlichen Gewichtsverlust zu erkennen.
Ötzi hatte entgegen ersten Annahmen knapp auf italienischem Gebiet gelegen. 92 Meter entschieden darüber, wer den Mann aus dem Eis ausstellen durfte. Das eigens für die Mumie geschaffene Archäologie-Museum in Bozen in Südtirol besuchen rund 300.000 Menschen im Jahr. Und es sollen deutlich mehr werden. Inzwischen gibt es politischen Konsens darüber, dass ein zeitgerechter Ausstellungsort her muss. "So, wie es ist, kann es nicht bleiben", heißt es bei den zuständigen Behörden. Die Standortfrage wird wohl nächstes Jahr geklärt.
Es wurde auch ein Institut für Mumienforschung gegründet, geleitet vom Münchner Biologen Albert Zink. Der Kenner auch ägyptischer Mumien wie Tutanchamun sieht im etwa 45 Jahre alt gewordenen Ötzi einen athletischen, trainierten Mann. Studien zu dessen Gesundheitszustand hätten zwar Laktose-Intoleranz, Zahnprobleme, Anlage zu Herz-Kreislauferkrankungen, Gallensteine und Rheuma ergeben. "Aber das verbreitete Bild vom kranken Mann würde ich nicht unterschreiben", sagt Zink. Ötzis inzwischen ebenfalls in Teilen untersuchte Darmflora zeuge von einer gesundheitlich günstigen bakteriellen Vielfalt, die heute zunehmend verloren gehe.
Zink ist wie Leitner davon überzeugt, dass es sich lohnen würde, das Schnee- und Eisfeld in der Nachbarschaft des Tatorts genau zu untersuchen. Diesmal in streng wissenschaftlicher Begleitung, die bei der Bergung von Ötzi vor 30 Jahren noch fehlte.
Experten der Kriminalpolizei München haben das Puzzle um Ötzis Tod einmal versucht zusammenzusetzen. Für die Profiler der Kripo handelt es sich eindeutig um einen Mord aus Heimtücke und nicht aus Habgier, da das damals extrem wertvolle Kupferbeil von dem oder den Tätern nicht geraubt wurde. Das Beil mache klar, dass Ötzi Teil der damaligen Elite gewesen sein muss, so der Archäologe Leitner. Möglicherweise habe er sich Feinde gemacht oder den Zeitpunkt seines Abgangs verpasst und musste in einem Hinterhalt sterben.
Ein Beispiel dafür, dass es in der Ötzi-Forschung auch nach vielen Jahren noch Überraschungen gibt, ist die Pfeilspitze. Erst nach zehn Jahren wurde auf neuen Röntgenbildern und einer Computertomographie erkannt, dass sie tief in Ötzis Gewebe steckte und eine wichtige Arterie verletzt hatte. Er verblutete womöglich. "Die Pfeilspitze war auch auf den ersten Röntgenbildern schwach zu sehen, aber niemand hat sie damals registriert", sagt Leitner.
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