"Vegan ist weder gut noch schlecht"

BZ-INTERVIEW mit einer Veganerin und einer Ernährungswissenschaftlerin über die Vor- und Nachteile einer pflanzlichen Ernährung.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Céline Travagli (links) und Denise Zdz...ch über vegane Ernährung unterhalten.   | Foto: A. Maldacker
Céline Travagli (links) und Denise Zdzieblik haben sich über vegane Ernährung unterhalten. Foto: A. Maldacker

FREIBURG. Am Donnerstag wird der Welt-Vegan-Tag begangen. Vegane Ernährung ist hip – aber ist sie auch gesund? Die angehende Freiburger Referendarin Céline Travagli ernährt sich seit vier Monaten pflanzlich und ist überzeugte Tierethikerin. Denise Zdzieblik sieht den Veganismus aus ernährungswissenschaftlicher Perspektive kritisch. Gina Kutkat hat mit den beiden gesprochen.

BZ: Was haben Sie heute gefrühstückt?
Travagli: Haferflocken aufgekocht mit Hafermilch. Dazu Leinsamen, Kerne, Feigen und Khaki.
Zdzieblik: Haferflocken mit Chiasamen und Kokosmilch. Das Obst wechselt nach Bedarf, dazu Tee oder Kaffee.

BZ: Wie nährstoffreich ist so ein Müsli?

Zdzieblik: Das ist ein ausgewogenes Frühstück. Haferflocken sind eine gute pflanzliche Zinkquelle. Ein Nährstoff, der bei der veganen Ernährung kritisch gesehen wird. Chiasamen liefern nicht nur Proteine, sondern auch ein vollständiges Aminosäurespektrum.

BZ: Frau Travagli, wie lange ernähren Sie sich schon pflanzlich?
Travagli: Ich hab drei Jahre vegetarisch gelebt, bevor ich vor vier Monaten vegan wurde. Der Schritt war groß, aber unumgänglich.

BZ: Gab es einen bestimmten Auslöser?

Travagli: Für mein Staatsexamen habe ich mich mit dem Thema Tierethik beschäftigt. Mir ist klar geworden, dass ich auch den Tod der Tiere auf mich nehme, wenn ich Milch, Butter oder Käse konsumiere. Kühe geben nicht einfach so Milch. Sie werden geschwängert, gebären einmal im Jahr ein Kalb, das ihnen Stunden nach der Geburt weggenommen wird. Das männliche Kalb wird verkauft, gemästet und geschlachtet, das weibliche wird als Milchkuh herangezüchtet.

BZ: Frau Zdzieblik, Sie leben nicht vegan?

Zdzieblik: Ich schließe keine Lebensmittelgruppe aus, esse aber wenig Fleisch. Ich ernähre mich überwiegend pflanzlich, im Gegensatz zu Vegetariern und Veganern gönne ich mir ein Stück Fleisch oder Fisch. Ich esse auch Milchprodukte, achte aber drauf, wo sie herkommen.

BZ: Gibt es ernährungswissenschaftliche Aspekte gegen den Veganismus?
Zdzieblik: Veganismus ist weder gut noch schlecht. Wer vegan lebt, muss sich sehr mit der Thematik auseinandersetzen. Es kann eine gesunde Alternative sein, wenn man weiß, auf welche kritischen Nährstoffe man achten muss. B12 und Vitamin D sind entscheidend. Mir wäre das Risiko zu groß, in einen Mangel reinzurutschen. Außerdem spielt bei mir der Genuss eine Rolle.
Travagli: Ich habe früher gerne Käse gegessen. Trotzdem werde ich nie schwach. Es ist einfach aus tierethischer Sicht so tief drin, dass ich meine Prinzipien für keinen Genuss der Welt über Bord werfe.

BZ: Haben Sie Mangelerscheinungen?

Travagli: Ich fühle mich gut und fit. Allerdings kann man B12 pflanzlich nicht in dem Maße aufnehmen, in dem man es braucht. Deshalb nehme ich es als Nahrungsergänzungsmittel.

BZ: Ist es Trend, vegan zu leben?
Travagli: Für mich hatte Nahrung noch nie mit einem Trend zu tun. Man merkt immer öfter, dass das Thema die Leute beschäftigt. Ich kann mir vorstellen, dass, zumindest was die Massenproduktion von Fleisch angeht, in vier bis fünf Jahren ein Umdenken stattfindet.
Zdzieblik: Die bewusste Beschäftigung mit Ernährungskonzepten nimmt zu. Ethische und ökologische Aspekte werden wichtiger und ich stimme Ihnen zu, dass der Fleischkonsum zu hoch ist. Ich würde gerne von dem Gedanken weggehen, dass man in ein Extrem gehen muss. Gut getaktet kann man es mit einem bewussteren Konsum von Fleisch auch weltweit so organisieren, dass Tiere tiergerecht gehalten werden.

BZ: Die Deutschen sind zu dick und essen zu viel rotes Fleisch und Wurst. Wäre ein veganer Lebensstil die Lösung?
Zdzieblik: Alles, was Richtung Umstellung auf eine gesündere Ernährung stattfindet, wäre bei diesen Personen hilfreich. Sicherlich auch die vegane Kost unter Berücksichtigung kritischer Nährstoffe, denn diese ist gesünder als eine Ernährung, die hauptsächlich aus Fleisch und Wurst besteht – das ist nicht ausgewogen.

BZ: Wie ernährt man sich ausgewogen?
Zdzieblik: Ein selbstgemachtes Müsli zum Frühstück ist gut. Ich rate von Fertigmüslis ab, das sind Zuckerbomben. Mittags Quinoa mit einer Gemüsebeilage, Fisch oder Fleisch dazu und eine Erdnuss- oder Kokosnusssauce. Zwischendurch ist Obst gut. Abends dann Brot mit Aufschnitt. Beim Brot sollte man darauf achten, dass man zu Vollkornbrot greift.
Travagli: Ich ersetze Fleisch durch Hülsenfrüchte, Tofu oder Seitan. Abends nehme ich Avocado oder einen selbstgemachten Aufstrich. Man kann sich aus sämtlichen Nüssen Pasten mischen.

BZ: Und wenn man Ihnen Fleisch von einem glücklichen Tier anbietet?
Travagli: Auch glückliche Tiere landen am Ende im Schlachthof – und vor dem Schlachter sind alle Tiere gleich. Er streichelt eine Kuh nicht vor dem Bolzenschuss, weil sie von einem schönen Biohof kommt. Es läuft viel schief mit der Intensivtierhaltung. Wir könnten es uns leisten, die Tiere zumindest artgerecht zu halten. Dass man dabei nicht drüber diskutieren muss, ob den Ferkeln bei lebendigem Leib der Hoden aufgeschnitten wird, ist selbstredend.
Zdzieblik: Ich bin sicherlich keine Vertreterin der Intensivtierhaltung. Ich versuche, die Fleischprodukte auf einem Level zu halten, von dem ich denke: Wenn alle so essen würden, hätten alle Tiere genug Weidefläche. Hinter vielen Themen, wie der nicht betäubten Ferkelkastration, stecken politische Entscheidungen. Egal, ob man sich für den Fleischkonsum entscheidet oder nicht, so kann es mit der Tierhaltung nicht weitergehen.

BZ: Viele finden schrecklich, was den Tieren angetan wird. Trotzdem verzichten sie nicht auf Tierprodukte. Warum?
Travagli: Ich glaube, es ist ein bisschen Unwissen, so böse es sich anhört. Wer sich intensiv mit der Thematik auseinandersetzt und Filme wie "Hope for all" oder "Earthlings" sieht, kann irgendwann nicht mehr anders leben.

Zdzieblik: Die Filme habe ich auch gesehen. Ich finde es schwer einzuschätzen, wann jemand den Punkt erreicht hat und tierische Produkte verweigert.

Céline Travagli, 27, hat Philosophie und Spanisch an der Universität Freiburg studiert und ihr Staatsexamen unter anderem zum Thema Tierethik gemacht.
Denise Zdzieblik, 27, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Bereich Ernährung am Institut für Sport und Sportwissenschaft in Freiburg.
Vegane Woche: In der Woche vom 5. bis 9. 11. gibt es in allen Freiburger Mensen täglich mindestens ein veganes Gericht.
Schlagworte: Céline Travagli, Frau Zdzieblik, Denise Zdzieblik
PDF-Version herunterladen Fehler melden

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2025 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare

Weitere Artikel