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Werbebranche

Unzeitgemäße Rollenbilder verlieren an Bedeutung

"In Deutschland gibt es noch viel Stammtisch": Immer mehr Werbespots rücken von unzeitgemäßen Rollenbildern ab - doch verändert sich dadurch auch das Verhalten?  

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Schlussbild im Youtube-Spot „Der Fan“ über ein schwules Paar   | Foto: dpa
Schlussbild im Youtube-Spot „Der Fan“ über ein schwules Paar Foto: dpa
Männer halten Händchen, Familienväter spülen ab, Frauen loben nicht mehr nur das Waschpulver und rühren in Töpfen – allmählich stellt sich die Werbung auf zeitgemäße Rollenbilder ein. Mit seinem jüngsten Internetspot "Der Fan" über ein schwules Paar hat die Deutsche Bahn einen Hit gelandet. Das Video auf Youtube ist bereits mehr als 2,7 Millionen Mal angeglickt worden. Ein Zeichen, dass sich Klischees allmählich auflösen – oder etwa nicht?

Ganz so euphorisch ist Stevie Schmiedel nicht. "Es fehlt der Kuss am Ende", sagt die Geschäftsführerin der feministischen Organisation Pinkstinks. Und der Spot werde nur im Internet gezeigt – gezielt für eine junge Zielgruppe. Dennoch bescheinigt Schmiedel der Bahn den Mut, eingefahrene Schienen verlassen zu wollen. "In Deutschland gibt es nämlich noch viel Stammtisch", sagt Schmiedel, die sich mit ihrer Organisation Pinkstinks gegen Sexismus in Werbung und Medien engagiert. Dabei kämpft die Deutsch-Britin nicht für Prüderie und nennt die Kampagne einer Hamburger Brauerei als positives Beispiel. Da sieht man dann etwa auf einem Plakat ein tiefes Dekolleté und den Spruch: "Keine Haare auf der Brust, aber Astra trinken!". Die neuen Strategien der Vermarkter, sagt Schmiedel, erreichten aber nur einen kleinen Teil der Gesellschaft. In anderen Ländern sei man da wesentlich weiter.

Tatsächlich hat die internationale Werbeindustrie die Zeichen der Zeit erkannt. Seit 2015 vergibt das Werbefestival in Cannes neben den traditionellen Preisen auch die Gläsernen Löwen. Ausgezeichnet werden dabei auch Spots, die Gender-stereotypen hinterfragen. Zu den Einsendungen gehört der berührende Film eines US-Herstellers von Slipeinlagen. Was bedeutet es, sich "wie ein Mädchen" zu verhalten, fragt der "Always"-Film? Mädchen und Jungen geben dazu Antworten – und die fallen zum Teil überraschend aus.

Auch Giselle Bündchen engagiert sich in der Gender-Frage. Für einen Sportbekleidungshersteller übt sich die Brasilianerin vor der Kamera als schweißgebadete Kickboxerin. Auf eine Wand werden Vorurteile über das Supermodel projiziert. "Ich mache, was ich will", lautet Bündchens trotzige Antwort. "Um Dinge zu verändern, muss man die Kultur verändern. Und Werbung und Kultur sind zusammen mit dem Kino vielleicht die stärksten Instrumente dafür", sagte Philip Thomas, Festivalchef in Cannes, dem US-Fachmagazin Adweek.

Ob die "Geiz-ist-Geil"-Kampagne, die Frage "Wohnst du noch oder lebst du schon?" oder der Spruch aus der Werbung für alkoholfreies Bier "Nicht immer, aber immer öfter" – bei Investitionen von 25 Milliarden Euro im Jahr dreht die Werbebranche tatsächlich am Rad des öffentlichen Gesprächs mit. Doch kann Werbung auch Verhalten bestimmen, wie Cannes-Chef Thomas behauptet – oder greift sie lediglich diffuse Gefühle zum Zweck der Umsatzoptimierung auf?

"Werbung ist ein Spiegel der Zeit", sagt Susanne Stark, Expertin für Marketing und Genderfragen an der Hochschule Bochum. Die Wirtschaftsprofessorin hat in einer Studie 2011/2012 klassische Geschlechterbilder analysiert und dafür 1000 Printanzeigen und 100 TV-Spots unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: Werbung mache Haltungen gesellschaftsfähig. "Lange war Geiz etwas Negatives und plötzlich ist es ,geil‘!", sagt sie. Für Stark gibt es eine Wechselwirkung zwischen Werbebotschaften und Gesellschaftstrends.

In der Werbeindustrie sieht man Fragen zu Rollenbildern skeptisch. "Der Begriff ,Rollenbild‘ klingt nach Erziehungsauftrag", sagt Maik Luckow vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Werbung solle nicht erziehen, sondern Menschen für Produkte und Dienstleistungen begeistern. Mit dem Werberat habe die Branche ein effizientes Instrument der Selbstkontrolle, etwa gegen sexistische Werbung.

Plumpe Stereotypen werden weniger, aber einige hielten sich beharrlich, etwa die "dumme" Hausfrau, die sich von einem männlichen Experten belehren lässt, sagt die Bochumer Professorin Stark. Oder die Frau als Verführerin: Sie komme in nur noch in etwa zehn Prozent der Anzeigen und Spots vor. "Neben dem Geschäftsmann gibt es heute auch die Geschäftsfrau" – die Anzahl der Rollenbilder habe sich vervielfacht.

Ressort: Computer & Medien

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