UNTERM STRICH: Einmal die Gangway spüren

In Taiwan gab es einen Flug, bei dem niemand abhob / Von Otto Schnekenburger.  

Zu den Kommentaren
Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Es muss etwas Magisches haben, etwas von einem Fetisch, zumindest für einen Teil der Menschheit: Erst am Flughafen den Koffer loswerden, den prüfenden Blick auf seinen Reisepass erdulden. Dann kurz alles entbehren, was den Alltag sonst begleitet: das Handy, die Schlüssel, den Geldbeutel. Durchleuchtet werden, von Kopf bis Fuß, auch diese Prüfung meistern. Na ja, nicht ganz: "Den Gürtel müssen Sie aber noch ablegen!" Schließlich der Moment des Triumphes: das Einscannen des Boardingpasses. Beschwingt an den Stewardessen mit dem freundlichen Lächeln unter den Mundschutzmasken vorbei, sich möglichst galant durch enge Flugzeuggänge quetschen, mühsam über Kopf das schwere Handgepäck verstauen, dabei zweimal von Mitreisenden angerempelt werden. Schließlich Platz nehmen, ein letztes Selfie vor dem Abflug, ein "Ich bin dann mal weg".

Reicht das für einen gefühlten Urlaub? Vielen Taiwanern schon. Denn ein Angebot des Songshan-Airports der Hauptstadt Taipeh zum "Fake-Flug" fand dort so großen Zuspruch, dass die 60 Plätze für diesen Flug, der endete, wenn es normalerweise losgeht, unter 7000 Bewerbern verlost werden mussten. Sogar große Reisekoffer hatten manche stilecht dabei.

Warum macht man so etwas? Von Seiten des Anbieters, vom Inlandsflughafen der Hauptstadt aus betrachtet, ist die Sache klar. Flugreisen sind trotz sehr niedriger Corona-Zahlen (449 Infektionen und sieben Todesfälle) auch für Taiwaner noch tabu. Die Flughafen-Betreiber wollen so die Renovierung der Anlage während Corona präsentieren. Und ihre neuen Anti-Virus-Sicherheitsmaßnahmen vorstellen.

Und von Seiten der Fake-Passagiere? Vielleicht ist es einfach eine Frage der klassischen Konditionierung, wie sie der russische Physiologe Iwan Pawlow einst mit einem Hund nachgewiesen hat. Dem floss schon Speichel, wenn er nur die Glocke hörte, die sonst kurz vorm Fressi erklang. Also: Einmal sein Gewicht auf der schwankenden Gangway spüren, schon ist man praktisch auf Hawaii.
PDF-Version herunterladen Fehler melden

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel