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Schüler-Talkshow

Ulrich Chaussy war zu Gast bei "Nachgefragt"

Eine Art Deutschlandkrimi: Der Journalist Ulrich Chaussy berichtet über die Widersprüche bei den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat 1980.  

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Ulrich Chaussy hat mit seinen Recherch...wollten wissen, wie er das schaffte.    | Foto: Eggstein
Ulrich Chaussy hat mit seinen Recherchen dafür gesorgt, dass die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat 1980 wieder aufgenommen wurden. Julian Dietzschold und Cora Franke wollten wissen, wie er das schaffte. Foto: Eggstein
Das Badnerlied hat er nicht erkannt in der Talkshow "Nachgefragt" am Rotteck-Gymnasium. Der Rundfunkredakteur Ulrich Chaussy war wohl zu jung, als er vor 50 Jahren von Karlsruhe nach München zog. Heute gilt er als einer der bekanntesten Journalisten Bayerns. Vor allem wegen seiner Recherchen zum Oktoberfestattentat, dem schlimmsten Anschlag der deutschen Nachkriegsrepublik. Was damals genau geschehen ist, weiß er nicht. Sicher ist er nur, dass das offizielle Ergebnis der Ermittler vom depressiven Einzeltäter falsch ist. Das Bohren dicker Bretter hatte Erfolg. Vor eineinhalb Jahren hat der Generalbundesanwalt das Verfahren wieder aufgenommen.

Ein dickes Brett bohrten auch die Rotteckschüler Julian Dietzschold und Cora Franke. Das bitterernste Lebensthema ihres Gastes – Rechtsextremismus im Allgemeinen und das Oktoberfestattentat am 26. September 1980 in München im Besonderen – ist sehr komplex, entzieht sich einfachen Erklärungen und lässt lustige Bemerkungen kaum zu. Die 17-jährigen Interviewer machten am Freitagabend im Foyer des Gymnasiums das einzig Richtige: Sie ließen Ulrich Chaussy erzählen – er erlebt schließlich einen Deutschlandkrimi.

13 Menschen kamen damals ums Leben, mehr als 200 wurden teils schwer verletzt. Die Rohrbombe hatte der 21-jährige Student Gundolf Köhler aus Donaueschingen in einem Papierkorb nahe dem Haupteingang zur Wiesn versteckt. Zunächst vermuteten die Ermittler einen rechtsextremen Hintergrund. Doch die Aussage eines Freundes, wonach Köhler perspektivlos und voller Welthass gewesen sei, war für die Ermittler der Hauptgrund, im November 1982 die Akten mit der These vom Alleintäter zu schließen.

Da begann Ulrich Chaussy zu recherchieren und stieß auf Widersprüche, die auch einem Kommissar hätten auffallen können. Köhler, der Schlagzeug spielte, hatte kurz vor dem Attentat über Zeitungsinserate Mitglieder für eine Band gefunden und zweimal die Woche geprobt. Er hatte gerade einen Bausparvertrag abgeschlossen: "Und Ihr kennt wahrscheinlich die Laufzeiten von Bausparverträgen", fragt der 64-Jährige in die Runde, "das ist sehr zukunftsorientiert." Köhler war eine Stunde vor der Detonation im heftigen Disput mit zwei jungen Männern gesehen worden.

Der gebürtige Karlsruher erkennt das Badnerlied nicht

Es gibt noch zahlreiche weitere Merkwürdigkeiten, die nicht zur Erklärung vom Alleintäter passen. "Wir wissen bis heute unglaublich wenig", sagt Chaussy. Eine eigene These hat er nicht. "Das ist nicht zielführend für einen investigativen Journalisten." Nach der Veröffentlichung seines Buches im Jahr 1985 dachte er ans Aufgeben. Denn weder Staatsanwaltschaft noch Politik reagierten. Doch Chaussy machte weiter, förderte Details und Ermittlungspannen zutage. Der Regisseur Daniel Härrich verfilmte seine Recherchearbeit mit Benno Fürmann in der Hauptrolle des Journalisten. "Ich hatte Sorge, weil er so ein viriler und tougher Typ ist, aber das bin ich nicht." Doch "Der blinde Fleck" wurde ein Erfolg. "Er hat das toll gespielt, Danke Benno."

Der 64-Jährige ist zurückhaltend, uneitel, ernsthaft – und doch bei aller Ruhe leidenschaftlich, wenn er von seiner Arbeit erzählt. "Etwas finden, was vorher nicht zutage lag." Egal, ob in Begegnungen mit Menschen oder beim Stöbern in Archiven. "Ein Traumberuf."

Die beiden Elftklässler bitten Chaussy zum Shreddern von Zeugnissen und erfahren dabei, dass er ein mittelprächtiger Schüler war, schon damals Fehlzeiten hatte, weil er für Medienprojekte freigestellt war, und als Schülersprecher lieber im Zimmer des Direktors diskutierte als Griechisch zu lernen.

Aus schwarzen Samtsäckchen muss er später Gegenstände erfühlen und persönliche Bezüge herstellen. Das Badnerlied, das eine Spielorgel von sich gibt, erkennt zwar das Publikum, aber der Talkgast nicht. Ein bisschen vermisst er die heimatliche Verwurzelung, um die er seine aus Oberfranken stammende Frau beneidet. "Darf ich die Spielorgel behalten?"

Die Zwiebel aus dem zweiten Beutel erinnert ihn an sein erstes großes Interview für die Schülerzeitung: mit Günter Grass, dem Autor von "Das Häuten der Zwiebel". Mit "klopfendem Herzen und Kassettenrekorder" hat er Grass im Hotel aufgesucht. Mit dem Herz bei der Sache ist er nach wie vor. Derzeit arbeitet Chaussy an einem Buch über den jüdischen Chemiker Arthur Eichengrün, der womöglich der eigentliche Erfinder von Aspirin war. Den Besuch in Freiburg hat er für Recherchen im Militärarchiv an der Wiesentalstraße genutzt. Dabei hat er einen bislang unbekannten Brief entdeckt. Die Begeisterung wird ihm bis zu seinem Ruhestand in zwei Jahren nicht abhanden kommen. Seinen jungen Kollegen vom Rotteck-Gymnasium attestiert er nach gut zweieinhalb Stunden eine "investigativ-gründliche Vorbereitung".

Ressort: Freiburg

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