Frankfurt
Syrische Flüchtlingsfrauen vermarkten selbstgefertigte Taschen
Syrische Flüchtlingsfrauen vermarkten selbstgefertigte Taschen auf einer Onlineplattform / Die Idee hatte eine Frankfurter Bankerin.
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FRANKFURT. Die Frankfurter Bankerin Lanna Idriss hat ein ungewöhnliches Hilfsprojekt gestartet. Flüchtlingsfrauen in Syrien und dem Libanon nähen und besticken Taschen, Beutel oder Schals und verkaufen sie über die Shopping-Plattform Gyalpa. So können sie zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen. In Berlin sollen Flüchtlinge demnächst Geschenkartikel fertigen und über die Plattform verkaufen.
Auf Reisen in den Libanon und vor dem Krieg auch nach Syrien entstand die Idee, vor Ort den Menschen zu helfen. Vor allem den Frauen. Sie nähen, häkeln und besticken schon immer mit hohem Geschick Taschen, Beutel und andere Accessoires. Verkauft wurden sie vor dem Krieg auf Märkten in Syrien. Die aber sind zusammengebrochen. Idriss’ Idee: Warum die Produkte nicht in Deutschland verkaufen und so den Frauen ein verlässliches Einkommen verschaffen?
Die Idee zur Gründung des Vereins und der Shopping-Plattform Gyalpa (was so viel heißt wie Einkaufen mit Sinn) war geboren. Seit Mai vergangenen Jahres ist die Seite online. "Die Geschäfte laufen", freut sich Idriss, im Hauptberuf Leiterin des Bereichs Operations der BHF-Bank in Frankfurt und damit unter anderem zuständig für Zahlungsverkehr, Kontoführung und Wertpapierabwicklung. Sie ist Chefin von rund 120 Bankerinnen und Bankern. 4000 Taschen, Beutel, Schals und Tücher seien 2015 verkauft worden, 80 000 Euro umgesetzt. "Wir hätten noch mehr verkaufen können", sagt Idriss. Für eine Bankerin, die täglich mit Millionen umgeht, sind 80 000 Euro ein überschaubarer Betrag, für Gyalpa ist es ein Riesenerfolg.
600 Frauen arbeiten mittlerweile in der libanesischen Hauptstadt Beirut, in Damaskus und in anderen Städten Syriens für Gyalpa. Wie hat sie die Frauen gefunden? "Ich war mehrfach in Beirut, habe mich durchgefragt, mit ansässigen Organisationen gesprochen, die sich um Frauen kümmern", sagt Idriss. Eine davon ist Basmeh & Zeitouneh in Beirut. 200 Frauen nähen dort im Flüchtlingslager Schatila für Gyalpa. Sie können ihre Kinder mit in die Werkstatt bringen und sich mit anderen Frauen austauschen. Es gibt eine Schule und eine Gesundheitsstation. Haben die Frauen eine Tasche oder einen Beutel fertiggestellt, wird das Geld dafür sofort in bar gezahlt – bevor die Ware verkauft ist. Abgezogen werden lediglich die Kosten für Transport und Zoll. Wenn eine Tasche für 20 Euro verkauft wird, erhalte die Frau vor Ort 16 Euro.
Ähnlich funktioniert es bei den Frauen, die in Syrien arbeiten, auch wenn die Auszahlung des Geldes dort schwieriger ist und über Vertrauensleute erfolgt. Generell ist die Arbeit dort angesichts des Krieges und zerstörter Infrastruktur erheblich schwieriger. Aber Idriss’ Hartnäckigkeit und ihre mittlerweile guten Kontakte zahlen sich aus. In Damaskus und anderen Städten werden unter anderem Handtücher gewebt – nach einer jahrhundertealten Methode. Das Design stimmt Idriss mit den Frauen in Syrien wie auch im Libanon auf den europäischen Geschmack ab.
Schwierig und teuer war und ist der Transport der Ware nach Deutschland, sagt die engagierte Bankerin. Vor allem an der Grenze zwischen Syrien und der Türkei sowie Syrien und dem Libanon gab es immer wieder Probleme. "Ein Zöllner ließ uns anstandslos durch, ein anderer hielt die Hand auf, ein dritter blockte ab." Mittlerweile haben es Idriss und ihre knapp 20 ehrenamtlichen Mitstreiter bei Gyalpa erreicht, dass die Ware per Flugzeug von Damaskus über Beirut nach Frankfurt geflogen wird – und sich die Kartons dann aus Kostengründen erst einmal in ihrer Wohnung stapeln. "Ein Lager wäre zu teuer. Wir müssen die Kosten niedrig halten", sagt die 39-Jährige.
Die Kosten kann sie auch deshalb niedrig halten, weil die BHF-Bank ihr entgegenkommt. Obwohl sie Führungskraft ist, kann sie mit einem 90-Prozent-Vertrag arbeiten. Dadurch habe sie pro Jahr 54 freie Tage und Zeit, sich um Gyalpa zu kümmern. "Die Unterstützung der Bank, aber auch aus der Gesellschaft ist unglaublich", sagt Idriss. "So viele Menschen haben verstanden, dass es eine Pflicht ist, Flüchtlinge zu unterstützen."
Gyalpa ist auf einem guten Weg. In drei Jahren soll das Unternehmen profitabel sein, der Gewinn soll in Projekte in den Flüchtlingslagern fließen, um die Situation dort zu verbessern und die Einkommen der Frauen zu stabilisieren. Ideen, das spürt man bei jedem Wort, gehen der engagierten BHF-Bankerin nicht aus.
Ende vergangenen Jahres hat Gyalpa in Berlin eine Werkstatt eröffnet. Dort werden Flüchtlinge mit der Herstellung von Glasmosaiken vertraut gemacht. Mittelfristig sollen dort Geschenkartikel entstehen, die über Gyalpa verkauft werden. Noch ist es ein weiter Weg bis dorthin. Vor allem brauchen die Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis oder die Erlaubnis zur Anmeldung eines Gewerbes. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat die Arbeit und das Projekt von Gyalpa ausdrücklich gelobt, sagt Idriss. Das sei genau der richtige Weg, habe ihr der Minister geschrieben. Bemühungen um Arbeits- und Gewerbeerlaubnis für Flüchtlinge sind 2016 für sie ein zentrales Thema, sagt die Bankerin. Neben der Arbeit in der Bank. Frauen aus Syrien können weiter fest auf Lanna Idriss zählen.
http://www.gyalpa.com
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