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Symphonie für neun Solo-Nokias

Es gibt kaum etwas, vor dem die Anbieter von Handy-Klingeltönen Halt machen - Käuzchenschrei inklusive.  

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Wie's im Handy klingelt, das pfeifen angeblich schon die Spatzen von den Dächern. So jedenfalls rauscht es derzeit immer wieder im medialen Blätterwald, wenn uns Wissenschaftler weismachen wollen, seit neuestem würden sogar Singvögel die inzwischen eher berüchtigten als beliebten Handy-Klingeltöne intonieren. Dass das stimmt, darf bezweifelt werden: Bislang jedenfalls konnte noch kein Naturforscher einen Vogel fangen, der zum Beispiel "Freude schöner Götterfunken" vor laufender Kamera oder laufendem Tonbandgerät zum Besten geben konnte.

Als Ausgleich für die dennoch behauptete ornithologische Sangesrevolution gibt es auf den neuesten Handys also allerlei Vogelstimen. Und so erfreuen Entengequake, der Schrei eines Käuzchens oder das Hämmern eines Spechtes die Umstehenden in der U-Bahn oder - noch besser - in der Oper oder im Theater, allen Ermahnungen zum Trotz.

Jahrhundertelang wurden die Menschen von Kirchenglocken in ihre Gemeinschaft gerufen, heute ruft der mehr oder weniger penetrante Klingelton die Mitglieder einer - sagen wir mal - "Community", zu sich, wo man auch geht und steht. Als wär's ein Zeichen der Wachablösung werden neue Funkmasten gerne auf Kirchturmspitzen gesetzt. Süßer die Handys nie klingeln? Zumindest klingelt's kräftig in den Kassen der Konzerne, da Klingeltöne beinahe die einzige Cash-Cow in der dochnichtganzsotollen Handywelt ist.

Nachdem die Kids lange Telefonate doch zumeist zu Hause - im Festnetz - tätigen, der SMS-Boom an seine Grenzen gestoßen ist und sich für neue Anwendungsbereiche wie WAP oder MMS noch kaum ein Kunde erwärmen konnte, greifen die Jugendlichen bei den nicht gerade billigen Klingeltönen begeistert zu. Das freut auch Medien- und Werbewirtschaft: In den jugendspezifischen Medien wie VIVA oder Bravo machen die Anzeigen für die neuesten Soundfiles einen immer wichtigeren Anteil am Geschäft aus - und das in Zeiten, in denen die Musikindustrie von Raubkopieren und Internetpiraten nachhaltig erschüttert ist. Obwohl die meisten neuen Handys eine Art "Komponierfunktion" anbieten, hält der Run auf die Töne zum kostenpflichtigen Download an. Bisher ist es anscheinend noch nicht gelungen, die neuesten Charthits kostenlos auf die Mobiltelefone zu bekommen. So können - fast wie zu den Hochzeiten der New Economy - viele kleine Klingeltonanbieter im Markt mitmischen. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich auch hier die großen Musikkonzerne den Kuchen untereinander aufgeteilt haben.

Noch versuchen die verschiedensten Anbieter in Fernsehen oder in den Printmedien sich mit ihrer Reklame von den vielen Mitbewerbern abzuheben. Die Klingeltöne werden beinahe wie Erotik-Telefondienste angeboten, ein "Ruf! Mich! An!" in einer etwas anderen, garantiert jugendfreien Form. Die GEMA ist auch gleich auf den fahrenden Zug aufgesprungen, Media Control zögert (noch?) - somit bleiben die Ringtone-Charts ein bislang unbestelltes Feld.

"Statt mit Pfefferspray vertreibt man den Angreifer mit einem MTV-Heuler." Carl-Leo von Hohenthal

Statt der Entwicklung zu folgen und ein ganz neues Forum für neue Komponisten abzugeben, liefern bisher nur die üblichen Verdächtigen der Branche ihre Musik - obwohl doch Bohlen, Küblböck und Konsorten auf die meisten Menschen eher abschreckend wirken. Man stelle sich vor: Statt mit Pfefferspray vertreibt man den Angreifer einfach mit dem aktuellsten MTV-Heuler. Ungeahnte Anwendungsmöglichkeiten eröffnen sich hier.

Und wann spielen die Wiener Philharmoniker endlich eine Symphonie für neun Solo-Nokias? Und wann denkt man endlich mal darüber nach, vor Länderspielen die Nationalhymne von einer Handyschar des jeweiligen Landes intonieren zu lassen? Oder genau diesen Job eben doch einem Spatzenschwarm zu überlassen, der diesem Job auch gewachsen wäre - vorausgesetzt nämlich, die Piepmätze wären lange genug beklingelt worden.

Ressort: Zisch

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