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Sympathisch selbstironisch und ein wenig trotzig

  • Mo, 23. September 2024
    Wehr

     

Alemannische Bodenständigkeit trifft auf Country: Die Knaschtbrüeder begeistern an der Kulturscheune im Wehrer Enkendorf.

Die Knaschtbrüeder im Enkendorf  | Foto: Michael Gottstein
Die Knaschtbrüeder im Enkendorf Foto: Michael Gottstein
Rund 100 Gäste haben am Freitag die Liebeserklärungen der "Knaschtbrüeder" Jeannot und Christian Weißenberger an das Alemannische mit Begeisterung aufgenommen. Die Gastgeberfamilie Klaus Brandls musste eine Freiluftbühne aufbauen, denn die Kulturscheune Enkendorf hätte bei Weitem nicht ausgereicht, um die Freunde des Schopfheimer Duos zu fassen.

Die "Knaschtbrüeder" füllen regelmäßig Säle mit ihrem "Südbaden-Country". Die Musik basiert auf amerikanischen Vorbildern, die Texte sind aber ganz und gar einheimische Gewächse. "Hochdütsch cha jede, Alemannisch chönne nur mir", singen sie selbstbewusst – schließlich wüssten nur Eingeweihte, dass "Anke" keine Frau ist und Finken nicht fliegen können. Heimatverbunden, ein wenig trotzig, auf der eigenen Lebensart beharrend, das Neue erst einmal kritisch prüfend: Das sind Eigenschaften, die man den Alemannen im Allgemeinen nachsagt. Und so erwiesen sie sich als resistent gegenüber der Gendersprache, auf die sie sich einen ironischen Seitenhieb erlaubten, als sie die "Frauinnen und Frauen" begrüßten. So in der Region verwurzelt, sind die Knaschtbrüeder auch nicht vom Fernweh geplagt: "An dem See, do chast mi sehe", womit freilich nicht der Gardasee, sondern der Eichener See gemeint ist. "Wenn Du uff’m Belche stosch, bisch dem Himmel scho so noch", singen sie gefühlvoll, aber unsentimental.

22 Jahre Altersunterschied trennen die Herren, deren älterer – Jeannot – seine Kindheit in den 1950-er Jahren in Stetten verbracht hatte. Dem Fortschritt an Weisheit gewann das Duo neue "Er-Fahrungen" ab, nämlich solche mit dem Rollator. So brachten sie einen flotten Country auf die Bühne und besangen Rollatoren, die beim Einkaufen aus der Kurve fliegen, befeuert vom unbändigen Ehrgeiz der Fahrer, das Versprechen des Refrains "Du bisch ganz vorne dabii" einzulösen. Aber: "A bitzli spöter, do chöme zwei Sanitöter".

Ein Klassiker im Repertoire der Knaschtbrüeder und eine Lektion in Heimatkunde ist die Hommage an das Dorf Böllen. "Es git kei Ort, wo Bölle heißt", verkündete das Duo. Selten wurde etwas angeblich Nicht-Existierendem eine so schöne Liebeserklärung gemacht. Die Supermärkte der Neuzeit hatten sie zu einem Lied inspiriert. Mit sympathischer Selbstironie erzählte Jeannot, dass der Wirt eines Gasthauses die Komposition als "das dümmste Lied, das ich je gehört habe", bezeichnet hatte. Jeannot soll geantwortet haben: "Ich finds toll, ich has jo selber gmacht". Und so sangen sie ihre Ode auf Erika, Gisela und Claudia, die sich im Supermarkt mit dem poetisch passenden Namen ein Stelldichein geben. Dass das Alemannisch computer-kompatibel ist, zeigten sie in ihrem Lied über Updates und Betriebssysteme: "Wenn wir sie/ihn update däte, wär sie/er wieder ganz jung".

Dabei gibt es innerhalb des alemannischen Mikrokosmos gewaltige Kulturgrenzen: etwa die unsichtbare Grenze zwischen Wehr und Schopfheim oder die "Sage-Säge-Schranke". Im Lied über zwei Freunde – einer aus Tiengen, einer aus Stetten – singt der Tiengener: "Bevor i sage säg, sägsch du säge."

Ressort: Wehr

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 23. September 2024: PDF-Version herunterladen

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