Gesundheitswesen
Die Hausarztpraxen sind in der Krise
So, 29. September 2024, 14:20 Uhr
Südwest
Wenn jemand krank ist, sollen sie die ersten sein, die man aufsucht. Doch Hausärzte gibt es nicht mehr genug. Und es könnten noch weniger werden, weil sie unter finanziellem Druck stehen.
Weit an der Spitze lagen Erfahrungen mit dem Ärztemangel. 83 Prozent der Befragten gaben in der repräsentativen Umfrage an, sie hätten in den vergangenen Jahren persönlich oder bei einem Familienmitglied erlebt, dass für einen Arzt- oder Untersuchungstermin lange Wartezeiten in Kauf genommen werden mussten. 66 Prozent berichteten, dass es für sie schwierig war, einen Arzt zu finden, der sie als Patient aufnahm. 40 Prozent gaben an, in ihrer Gegend gebe es bereits einen Ärztemangel.
Besonders häufig gaben bei der Umfrage Menschen, die im ländlichen Raum leben, an, dass es bei ihnen einen Ärztemangel gebe: 40 Prozent der in Dörfern lebenden Bevölkerung berichtete davon, im Gegensatz zu nur 28 Prozent der in Großstädten lebenden Bevölkerung. Die Quoten für die Bewohner von Klein- und Mittelstädten lagen dazwischen.
Der Ärztemangel wird in Zukunft noch mehr zunehmen. Nicht zuletzt, weil aus dem Studium nachrückende junge Medizinerinnen und Mediziner verstärkt in Teilzeit arbeiten wollen. Oder als angestellte Ärztinnen und Ärzte in einer größeren Praxis.
Gerade dieses Modell – ein Arzt ist Inhaber der Praxis, alle anderen sind seine Angestellten – gerät aber gerade unter Druck. Denn seit einem Jahr bekommen die meisten Hausarztpraxen in Baden-Württemberg weniger Geld von den Krankenkassen. Die sogenannte Budgetierung bewirkt, dass sie nicht mehr alle Leistungen voll bezahlt bekommen, die sie erbracht haben.
Seinem Kollegen Peter Haas, Hausarzt und Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie in einer Praxis mit einem Kollegen in der Freiburger Innenstadt, geht es ähnlich. Seine Praxis habe im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 5,5 Prozent weniger Einnahmen, der Gewinn sei aufgrund der allgemeinen Kostensteigerung um 14,2 Prozent gesunken, rechnete er vor. "Das heißt für mich selber als Arzt unter Berücksichtigung der Inflation: 20 bis 25 Prozent weniger Einkommen, von dem ich meine Familie ernähren und noch Kredite für die Praxis abbezahlen muss. Das mache ich noch zwei Jahre, dann sind wir pleite."
Solche Rechnungen sind nicht dazu angetan, den ärztlichen Nachwuchs zu Praxisübernahmen zu motivieren. So werden wohl in den kommenden Jahren viele Praxen, deren jetzige Inhaber in Rente gehen, nicht weitergeführt werden. Im BaWü-Check gaben denn auch weitere 25 Prozent der Befragten an, sie erwarteten in den nächsten Jahren in ihrer Region einen Ärztemangel.
Kommt Abhilfe aus Berlin? Im sogenannten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, das gerade von Bundestag und Bundesrat bearbeitet wird, ist die Entbudgetierung für die Hausarztpraxen vorgesehen. Allerdings würde sie erst weit im nächsten Jahr wirksam werden.
Er rechne außerdem nicht damit, so sagte Pascal Seith, dass die angekündigte Entbudgetierung die Praxen wieder in die Lage bringen würde, wie es vor der Budgetierung war. Es gehe bei dem Gesetz ja nicht darum, den Ärzten mehr Geld zukommen zu lassen. " Wir werden die Leistungen , die wir früher on the top bezahlt bekommen haben, nicht mehr bezahlt bekommen."
Die Konsequenz, die Peter Haas und sein Praxiskollege ziehen: "Wir machen jetzt tageweise zu und reduzieren unsere Arbeitszeit." Und er vermutet, dass in vielen Praxen nun vermehrt Termine schneller an Privat- als an Kassenpatienten vergeben werden, da diese bis zum Quartalsende vergütet werden. Damit nicht genug, glaubt er, es werde "mehr Leistungen geben, die Kassenpatienten künftig selbst bezahlen müssen".
Mehr dazu:
- Gesundheitsversorgung: Hausärztemangel im Südwesten mancherorts bereits dramatisch - Wie findet man einen Hausarzt?
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