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Stickprojekt Guldusi verbindet Kulturen

Bei einem afghanischen Abend am Sonntag in der Bötzinger Festhalle dreht sich alles um Stickarbeiten afghanischer Frauen. Und erstmals wird ein dazu neu gedrehter Film gezeigt – drei Tage vor der offiziellen Premiere in Berlin.  

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Frauen in Afghanistan sticken bunte Motive, in der Küche von Pascale Goldenberg (hinten rechts) in Freiburg werden die kleinen Kunstwerke nach Themen sortiert, gebügelt und anschließend verkauft. Foto: Annkatrin Schultze
Am Sonntag zeigt der Freiburger Filmemacher Peter Ohlendorf in Bötzingen seinen neuen Dokumentarfilm als Preview. Mit "Nadelstiche" lenkt er den Blick auf die Lage afghanischer Frauen und das Stickprojekt "Guldusi", das seit Jahren dazu beiträgt, ihre Situation zu verbessern. Die Aufführung des Films ist eingebettet in einen afghanischen Abend, ausgerichtet mit der Deutsch-Afghanischen Initiative (DAI) aus Freiburg, in Kooperation mit dem Bötzinger Internationalen Freundeskreis und der Volkshochschule. In Bötzingen wird dieser Film zum ersten Mal überhaupt zu sehen sein, noch vor seiner offiziellen Premiere am Mittwoch im Französischen Dom in Berlin.

Weitgereiste Stickkunst

Vor über 20 Jahren rief Pascale Goldenberg das Projekt Guldusi ins Leben (die BZ berichtete am 19. Februar und am 31. Oktober dieses Jahres). Die Idee: Frauen in Afghanistan sticken kleine bunte Motive aus ihrem ländlichen Alltag auf alte Bettlaken, meist etwa acht Quadratzentimeter groß. In Freiburg, genauer in Goldenbergs Küche in Mooswald, werden die Unikate nach Themen sortiert, gebügelt, mit dem Namen der Stickerin versehen und für den Verkauf verpackt. Anschließend werden sie in Europa auf Veranstaltungen, Textilmessen und Ausstellungen angeboten. Der Erlös fließt nach Abzug der Unkosten zurück an die Frauen.

Seit ihrer erneuten Machtübernahme im August 2021 schränken die Taliban die Bildungs- und Bewegungsfreiheit der Frauen zunehmend ein. Mädchen dürfen nur noch bis zur 6. Klasse in die Schule gehen, die Ausübung der meisten Berufe ist Frauen verboten, und sie dürfen ohne Begleitung eines männlichen Verwandten in der Regel das Haus nicht verlassen. Für das Familieneinkommen sind eigentlich die Männer zuständig. "Die aber finden meist nur schlecht bezahlte Jobs als Tagelöhner – wenn überhaupt. Die Armut ist groß, die Verdienstmöglichkeiten gering. Für die Familien geht es oft einfach ums Überleben", beschreibt Goldenberg die Lage. Das Stickprojekt setzt genau an diesem Punkt an – und ist damit sehr erfolgreich. Jährlich fertigen 200 Frauen aus drei Dörfern nördlich von Kabul etwa 16.000 Stickereien. Einige können auf diese Weise sogar die Familie allein versorgen.

Einschränkungen durch die Taliban

Um das Projekt über so viele Jahre erfolgreich zu halten, muss Goldenberg viele organisatorische Hürden meistern, muss sich an Vorgaben der Taliban halten und zurückhaltend agieren. Bei ihren Aufenthalten vor Ort besucht sie die Stickerinnen einzeln: "Wir sitzen dann zusammen auf dem Boden und sprechen über die Bedeutung der einzelnen Stickmotive."

Neben der Generierung von Einkommen will Goldenberg Kulturen und Menschen verbinden. Dazu vermittelt sie einzelne Stücke an europäische Künstlerinnen, die sich von den Motiven inspirieren lassen und sie in ihre eigenen, meist textilen Kunstwerke einarbeiten. "Diese zwei Frauen werden sich vermutlich nie begegnen, die kreative Zusammenarbeit verbindet sie aber", erklärt sie ihren Ansatz. Heute eröffnet in Freiburg eine der Ausstellungen, die aus diesen Kooperationen entstehen (siehe Infokasten).

Der Freiburger Filmemacher Ohlendorf dreht mit Unterbrechungen bereits seit Anfang der 2000er Jahre in Afghanistan. Anlass war zu Beginn ein Projekt der Deutsch-Afghanischen Initiative Freiburg (DAI), bei dem Schüler aus Südbaden Geld für den Aufbau einer Schule sammelten. "Als dann die Nato den Taliban die Macht überließ, rückte das Stickprogramm Guldusi in meinen Fokus", berichtet er. Die Drehbedingungen seien allerdings immer schwieriger geworden. Journalisten würde die Einreise heute nur nach sehr strengen Kriterien erlaubt, die wenige erfüllen können. Außerdem ist es ihm nicht möglich, afghanische Frauen abzulichten: "Neben einer traditionellen Scheu fotografiert oder gar gefilmt zu werden, war das für mich als fremder, nicht verwandter Mann einfach ausgeschlossen." Inzwischen hätten sich die Einschränkungen weiter verschärft. Die Taliban seien der Meinung, die Darstellung jeglicher Lebewesen verstoße gegen islamisches Gesetz. Ein eklatanter Einschnitt für die Medien.

Premiere mit Gespräch und Speisen

Sein Film ist nun fertig und wird in einer Preview in Bötzingen präsentiert. Die offizielle Premiere folgt ein paar Tage später in Berlin. Frei zugänglich, zum Beispiel im Internet, wird er allerdings nie zu sehen sein. "Das ist ein Dokumentarfilm, der aufgrund der besonderen Situation der Frauen und dem nötigen Respekt ausschließlich in persönlicher Begleitung und mit der Möglichkeit des Austausches zu sehen sein wird. So wie am Sonntag in Bötzingen." Dort gebe es eine sehr lebendige afghanische Gemeinschaft, die das Rahmenprogramm gestalten und die Besucher mit afghanischen Speisen bewirten wird. "Erst Film, dann Gespräch, dann Essen, dann Tanzen", fasst er den geplanten Ablauf kurz und knackig zusammen. Und hofft auf regen Zulauf und inspirierenden Austausch aller Beteiligten. Sowohl Peter Ohlendorf als auch Pascale Goldenberg werden in Bötzingen anwesend sein.

Weitere Informationen gibt’s unter http://www.guldusi.com sowie zum Film unter http://www.filmfaktum.de

Ressort: Bötzingen

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 08. November 2024: PDF-Version herunterladen

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