Account/Login

Niedriglöhner

3 Tage, 600 Bewerber: Job-Speeddating im Europa-Park

Von Zalando über DHL bis zum Europa-Park: Firmen in der Region suchen auch gering qualifizierte Mitarbeiter. Der Freizeitpark hat 250 freie Stellen - und sichtet Bewerber in einem Job-Speeddating.  

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Im Akkord schleust der Europa-Park an drei Tagen 600 Bewerber durch.    | Foto: Felix Lieschke
Im Akkord schleust der Europa-Park an drei Tagen 600 Bewerber durch. Foto: Felix Lieschke
Während sich Teile Südbadens der Vollbeschäftigung nähern, braucht Zalando in Lahr 1000 Mitarbeiter für sein neues Verteilzentrum. Um die gleichen potenziellen Mitarbeiter buhlen andere Logistiker wie DHL. Der Europa-Park in Rust meldet 250 offene Stellen etwa in der Gastronomie und im Verkauf. Er wirbt inzwischen mit einem Job-Speeddating um neue Leute. Das zeigt: In der Region bekommen auch gering Qualifizierte eine Chance auf Arbeit. Arbeitsagentur und Gewerkschaft aber wollen mehr.

Zwanzig Minuten Bewerbungsgespräch im Job-Speeddating

Als sie nach oben blickt, sieht die Bewerberin sich selbst. Sie ist 57 Jahre alt, die Haare sind leicht angegraut. Sie trägt eine Brille, deren Bügel mit kleinen funkelnden Steinchen besetzt sind. Auf ihrer Brust liegt eine schlanke Goldkette. Ihre Hände zittern leicht, sie ist nervös. Das Licht um sie herum ist gedimmt. Ihren Mantel und ihre Tasche hat die Bewerberin auf dem einzigen freien Platz der Sitzecke abgelegt. Das dunkle, speckige Holz erinnert an einen kleinen irischen Pub. Dazwischen sind überall kleine Spiegel. Sie ist aus Ebersheim im Elsass nach Rust gekommen.

"Haben Sie ein Auto?", fragt Fabio Riehle. Ja, hat sie. Riehle: "Sie haben die Möglichkeit, drei Tage oder fünf Tage in der Woche zu arbeiten. Welche Variante ist Ihnen lieber?" Beides, sagt sie, sei in Ordnung. Mehr als 20 Minuten hat Riehle nicht für die Bewerberin. Er hört sich ihre Vorstellungen an, schildert ihr die Konditionen. Wer da kommt, wusste er vorher nicht. Die Agentur für Arbeit in Offenburg hat die Bewerber geschickt.

Job-Speeddating nennt sich das. 600 Bewerber sollen von Donnerstag bis zu diesem Samstag interviewt werden. In den zehn Wochen Probezeit würde die Bewerberin 9,50 Euro in der Stunde verdienen. Einstiegsgehalt nach Übernahme: zehn Euro. Es gibt Rabatt auf das hauseigene Fitnessstudio und auf Eintrittskarten. Die Überstunden werden bezahlt. Riehle und sein Team kümmern sich um die Bewerber für die Shops – 110 in drei Tagen. "Uns ist vor allem wichtig, dass die Bewerber sehr flexibel sind", sagt er. Wie lange der Park abends geöffnet hat, kann oft erst am Mittag des gleichen Tages entschieden werden.

Gilt es zu besetzen: 250 freie Stellen

250 Stellen sollen in der kommenden Saison neu besetzt werden. Gesucht werden Mitarbeiter für die Gastronomie im Park und in den Hotels, bei den Attraktionen, bei der Reinigung und eben bei den zahlreichen Shops. Insgesamt sind es 150 Stellen weniger als im vergangenen Jahr.

Auch in diesem Jahr werden nicht nur Saisonarbeitskräfte gesucht, sagt Matthias Kirch, der Personalchef vom Park, "etwa die Hälfte kann ganzjährig arbeiten". Seit fünf Jahren stehen der Europa-Park und die Agentur für Arbeit in Offenburg in engem Kontakt. Aus dieser Partnerschaft ist unter anderem ein deutsch-französisches Programm entstanden, um gezielt Arbeitskräfte aus dem Elsass zu akquirieren. Darüber hinaus gibt es seit zwei Jahren das Speeddating.

Kirch sagt zwar, dass es vor allem an Fachkräften fehle, aber nun würden Mitarbeiter aller Qualifikationsniveaus knapp. Schaut man sich die Zahlen vom Jobmarkt von vor zehn Jahren an, wird klar, was er meint.

"So schnell, wie Arbeitsstellen entstehen, können sie auch wieder wegfallen." Reiner Geis
Im Februar 2006 lag die Arbeitslosenquote in der Ortenau noch bei 7,2 Prozent – 15 830 Personen waren damals ohne Arbeit. Demgegenüber standen 1550 Stellenangebote regionaler Unternehmen. Bis heute hat sich die Situation gedreht. Auf 3421 offene Stellen (Stand: Dezember 2016) kommen 2996 Arbeitslose. 1817 davon haben eine schulische oder betriebliche Ausbildung absolviert, 769 haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Aber, so erklärt Horst Sahrbacher, der Chef der Offenburger Arbeitsagentur: "Von den 3421 offenen Stellen, die wir Ende 2016 gemeldet haben, waren gerade einmal 600 für un- oder angelernte Arbeitskräfte."

Auch Südbadens Verdi-Chef Reiner Geis sieht keinen Grund, sich mit der Lage am regionalen Arbeitsmarkt zufriedenzugeben. "So schnell, wie Arbeitsstellen entstehen, können sie auch wieder wegfallen", sagt er. 1000 Stellen möchte beispielsweise der Internetversandhändler Zalando in Lahr schaffen. Das Unternehmen hat zwar angekündigt, dass viele Abläufe im Lager nicht automatisiert werden sollen, sondern per Hand erledigt werden. "Wir wissen aber auch, dass gerade im angelernten Bereich Logistik und Lagerarbeit die Rationalisierungsbemühungen rasant voranschreiten", sagt der Gewerkschafter Geis. Deshalb müssten Arbeitnehmer besser qualifiziert werden, um ihre Chance auf Arbeit zu wahren oder zu verbessern.

Mehr zum Thema:

Ressort: Wirtschaft

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel