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Schwerstarbeit für die Energiewende

Michael Saurer
  • So, 22. September 2024
    Der Sonntag

     

Der Sonntag Südlich von Freiburg, an den Hängen des Schauinslands, entstehen derzeit zwei Windparks. Die Rotorblätter dorthin zu bringen ist Schwerstarbeit und erfordert viel Fingerspitzengefühl von der Crew der Transportfirma.

Zentimeter für Zentimeter wird das Rotorblatt näher an den Turm gebracht und schließlich dort verschraubt. Foto: Michael Saurer
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Auch das Ende zieht sich. Der Kran hat das tonnenschwere Rotorblatt bereits in die Höhe gezogen, es hängt nun regungslos auf Höhe der Nabe auf gut 160 Metern. Vorsichtig, ganz vorsichtig, liftet der Kran das 68 Meter lange Rotorblatt an die Nabe heran. Das Montage-Team steht derweil in schwindelnder Höhe schon parat und wartet darauf, das Bauteil in Empfang zu nehmen und zu verschrauben. Um die zwei Stunden dauert der gesamte Prozess, der gegen 15:30 Uhr an diesem Mittwoch Anfang September seinen Abschluss findet. Am Ende steht da ein weiteres Windrad. Nur das Innenleben fehlt noch, die Verkabelung wird in den kommenden Wochen erfolgen – für den 24. Oktober ist eine Einweihungsfeier geplant. Bis dahin müssen die beiden Windparks rund um den Schauinsland, einer auf der Holzschlägermatte und einer auf dem Taubenkopf, fertig sein: Die Rotoren müssen sich drehen und Strom produzieren.

Nun hören sich zwei Stunden zur Montage eines einzigen Blattes lang an. Doch all das ist nichts im Vergleich zu dem Aufwand, der getrieben wurde, um die Rotorblätter überhaupt an ihren Bestimmungsort zu bringen.

Drei Windräder werden insgesamt gebaut. Eines davon soll auf der Holzschlägermatte, zwei etwas weiter bergabwärts auf dem Taubenkopf stehen. Eines der beiden wird sogar noch deutlich größer sein. Statt einer Rotorblattlänge von 68 Metern werden es dort 78 Meter sein. Doch bei beiden Arten ist der Transport ähnlich schwierig. Ursprünglich in Indien gefertigt, wurden sie mit dem Schiff nach Cuxhaven gebracht und von dort mit dem Lkw zum Feldberg bugsiert. Die Anfahrt über Feldberg, Todtnau und Notschrei ist die einzige Möglichkeit. Wegen der Dimensionen wäre ein Transport durch das Höllental ebenso unmöglich gewesen wie ein solcher über die A5 und dann durch Günterstal, wo die Engstelle in der Ortsmitte nicht passierbar gewesen wäre.

Bleibt also nur der Feldberg. Dort liegen derzeit noch vier Rotorblätter, der starke Wind und die Witterungsverhältnisse der vergangenen zwei Wochen haben den Transport verzögert. Tim Schober betreut das Projekt für die Ökostromgruppe Freiburg, den Mit-Betreiber der Windparks. Er hofft, dass zumindest die kürzeren Blätter bis kommenden Mittwoch an ihren Bestimmungsort gebracht wurden. Und das ist schwierig genug.

Die Schauinslandstraße Anfang September. Nach sechs Tagen kommt eines der Rotorblätter endlich seinem Ziel näher. 35 Minuten dauert für Autofahrer die 28 Kilometer lange Strecke zwischen Feldberg und Schauinsland normalerweise. Für den Schwertransport dauert er sechs Tage. Das 68-Meter-Bauteil ist auf einem bizarr aussehenden Gefährt festgemacht. Der sogenannte Selbstfahrer ist knallgelb, hat zwölf Achsen – aber keine Fahrerkabine. Gesteuert wird er über eine Fernbedienung von außen. Zwei Personen sind dafür notwendig. Mayk Muntean steuert den Selbstfahrer, Ricarda Stein steuert den Auflieger mit dem Rotorblatt. Dieses kann man bis auf 60 Grad anheben und wieder absetzen, man kann es um die eigene Achse und nach rechts oder links drehen. Ohne das wäre es unmöglich, die vielen Haarnadelkurven und Engstellen zu passieren.

Es ist eine Millimeterarbeit. Immer wieder touchiert das Blatt ganz sanft die Kronen der Bäume. Schwierig ist auch die Passage unter der Schauinslandbahn hindurch. Immer wieder muss Ricarda Stein schauen, dass sie nicht mit den Tragseilen der Seilbahn ins Gehege kommt.

Und am Ende geht es, kurz nachdem der Konvoi die Straße verlassen hat, noch einige Kilometer durch den Wald. Gleich zu Beginn steckt der 138 Tonnen schwere Selbstfahrer im Waldboden fest. Drei der vier Antriebsachsen haben sich in die Erde eingegraben. Teamleiter René Stein schaut sich an, was man machen kann, begibt sich dann zur Baustelle. Nach einer Stunde kommt er zurück – Hilfe kommt von oben keine, der Selbstfahrer muss es aus eigener Kraft schaffen. René Stein lässt einige der Achsen nach oben ziehen um mehr Druck auf die Antriebsachsen zu bekommen. Eine Idee, die Wirkung zeigt, der Selbstfahrer befreit sich und fährt weiter den schmalen Waldweg hoch.

Es sind solche Momente, die Stein ärgern. "Eigentlich hieß es, man würde den Weg asphaltieren", sagt er. Der Stress der vergangenen Wochen ist ihm deutlich anzumerken. "Ich wirke immer sehr ruhig, aber ich bin nervlich am Ende", sagt er. Der hohe Grad an Konzentration, die vielen Kilometer, die das Team teilweise zu Fuß täglich zurücklegen muss, die Witterungsbedingungen – extreme Hitze, Regen, Kälte – all das nagt am Team.

Am Ende geht dann doch alles glatt. Der Konvoi kommt auf der Baustelle auf dem Taubenkopf an, der Kran steht schon bereit, um das Rotorblatt in Empfang zu nehmen. Für René Stein und sein Team ist wieder ein Transport zu Ende gegangen. Doch noch warten vier weitere Blätter am Feldberg.

Ressort: Der Sonntag

  • Artikel im Layout der gedruckten "Der Sonntag" vom So, 22. September 2024: PDF-Version herunterladen

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