Schneller, höher, weiter – bis zum Absturz
LEUTE IN DER STADT: Skisprunglegende Sven Hannawald erzählt von seinen psychischen Problemen und davon, wie er sie überwunden hat.
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Es war eine Sensation, als der Skispringer Sven Hannawald im Jahr 2002 alle vier Wettkämpfe der Vierschanzentounee gewann – als bislang einziger Sportler überhaupt. Als Weltmeister im Skifliegen und Skispringen, mehrfacher Schanzenrekordhalter und Mannschaftssieger der Olympischen Winterspiele 2002 war er damals im Zenit seiner Karriere. Immer höher wurden die Ansprüche, immer besser die Leistungen – bis zum Absturz. Im April 2004 wurde Hannawald mit sogenanntem Burnout in eine psychosomatische Klinik eingewiesen.
Bei Sven Hannawald war es der Körper, der irgendwann Alarm schlug. Seine Energielosigkeit registrierte er im Erfolgsjahr 2002 nur beiläufig. Stets 150 Prozent zu geben war der Standard: "Als Leistungssportler ist man extrem hart zu sich, die höchsten Erwartungen hatte ich an mich selbst".
Zur immensen Erschöpfung kam im Verlauf der Zeit eine bleibende innere Unruhe. Der Profisportler konnte selbst in Pausen nicht entspannen, zog sich allmählich zurück: "Obwohl ich tat, was ich am meisten liebe, musste ich mich durch den Tag quälen. Ich erkannte mich selbst nicht wieder". Die Saison 2003 und 2004 brach er einvernehmlich mit den Trainern ab, um seinem streikenden Körper Ruhe zu gönnen. "Im Urlaub kam dann der Zusammenbruch", erinnert sich der heute 42-Jährige. "In der Ruhe stand ich plötzlich dem ganzen Chaos gegenüber". Immer wieder kamen ihm die Tränen, er fühlte sich machtlos, wusste keinen Ausweg mehr. Erst jetzt konsultierte er einen Arzt für Psychosomatik und begab sich kurz darauf mit der Diagnose Burnout in eine Klinik.
Zunächst wollte er baldmöglichst wieder auf die Schanze, erinnert sich Hannawald. Doch es dauerte Wochen, bis er allein die Anwesenheit anderer Menschen ertrug, schlafen konnte er anfangs nur mit Hilfe von Tabletten. Nach zwei Monaten wurde er entlassen.
"Die Zeit nach der Klinik war sehr sensibel", berichtet der Ex-Skispringer, dessen Familie ihm in der Krise starken Rückhalt gab. Seine Therapeutin betreute ihn telefonisch weiter. "Eines Morgens bemerkte ich stolz, dass ich sie am Tag zuvor nicht angerufen hatte", erzählt Hannawald. Schritt für Schritt habe er sich so zurück ins Leben gekämpft.
"Heute bin ich geheilt, bleibe aber gefährdet. Ich weiß, dass ich meinen perfektionistischen Typ nicht ändern kann", sagt der frühere Leistungssportler. Über die Jahre habe er deshalb gelernt, auf sein Inneres zu achten und öfter Mut zur Pause zu haben: "80 Prozent müssen reichen für Erfolg in Balance".
Mittlerweile hat Hannawald seine Schwäche zur Stärke gemacht: Neben seiner Tätigkeit als TV-Experte klären er und sein Partner Sven Ehricht als Unternehmensberater für betriebliches Gesundheitsmanagement Führungskräfte darüber auf, wie sich stressbedingten Erkrankungen vorbeugen lässt.
Zusammen mit dem BTZ Freiburg plädierte Hannawald dafür, Menschen mit psychischer Erkrankung in den Arbeitsmarkt zu integrieren. "Es sollte in Ordnung sein, dass manche Menschen mit gewissen Dingen nicht zurechtkommen", sagt Sven Hannawald, "eine psychische Erkrankung sollte heutzutage nicht mehr für einen Aufschrei sorgen".
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