Energieversorgung

Regierung drückt aufs Gas

Angesichts des Kriegs in der Ukraine soll der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland noch schneller vorangehen. Ob Atomstrom hilft, darüber wird debattiert.  

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Mit dem Ausbau von Sonnen- und Windstrom soll es schneller vorangehen.  | Foto: Eisenhans  (stock.adobe.com)
Mit dem Ausbau von Sonnen- und Windstrom soll es schneller vorangehen. Foto: Eisenhans  (stock.adobe.com)
Als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine will die Bundesregierung schneller unabhängig von russischen Öl-, Gas- und Kohlelieferungen werden. Dazu ist auch eine forcierte komplette Umstellung der Stromerzeugung auf Erneuerbare Energien vorgesehen. Das machte die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Franziska Brantner (Grüne) am Dienstag im Deutschlandfunk deutlich.

"Wir haben jetzt die ersten Gesetzentwürfe zum Osterpaket in die Ressortabstimmung gegeben und ja, wir planen eine wirkliche nationale Kraftanstrengung, um die Erneuerbaren schneller voranzubringen, in die Fläche zu bekommen", sagte Brantner auf die Frage, ob sie einen entsprechenden Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bestätigen könne. Das Blatt hatte unter Berufung auf ein Papier des Wirtschaftsressorts berichtet, dass der Strom in Deutschland statt bis 2050 nun bereits 2035 "nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien stammen" solle. Bisher ist geplant, bis 2030 rund 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen.

Zustimmung kam von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Organisation erklärte am Dienstag, Deutschland müsse "so schnell wie möglich von fossilen Energieträgern unabhängig werden" und dafür den Ausbau der Erneuerbaren "massiv beschleunigen". Nötig sei ein Fahrplan für den Ausstieg aus fossilem Gas.

Deutschland ist bei der Energieversorgung mit 55 Prozent beim Gas, 35 Prozent beim Erdöl und 50 Prozent bei der Kohle nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages "enorm abhängig von Russland". Die DUH fordert klare Konsequenzen aus dem Ukraine-Krieg: Deutschland müsse so schnell wie möglich aus den fossilen Energien Kohle, Öl und Gas "aus Russland, aber auch aus anderen konfliktbehafteten und undemokratischen Teilen der Welt" aussteigen.

Von den Plänen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der auf den zügigen Bau von Terminals für Flüssiggas (LNG) in Deutschland setzt, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, hält die DUH allerdings nichts. Die Terminals ließen sich nur nach jahrelanger Bauzeit realisieren und würden die Abhängigkeit von fossilem Gas zudem weiter erhöhen. "Mit dem Bau von LNG-Terminals würden wir nur von Krise zu Krise schlittern", warnte die Organisation. Ähnlich äußerte sich die Organisation Ende Gelände und kündigte Widerstand gegen "weitere Investitionen in fossile Infrastruktur wie LNG-Terminals" an. "Fossiles Gas aus Katar" sei nicht "die bessere Antwort". Auch das Bündnis forderte stattdessen einen "sofortigen Ausstieg aus fossilen Energien und eine radikale Energie- und Wärmewende".

Aus CDU/CSU und FDP kommen Forderungen, mehr auf Atomkraft zu setzen. Das hatte neben dem früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger eine ganze Reihe von Unionspolitikern gefordert, der nordrhein-westfälische FDP-Wirtschaftsminister Pinkwart äußerte sich ähnlich. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Sonntagabend in der ARD mit Blick auf längere Laufzeiten für Kohle- und Atomkraftwerke gesagt, es gebe "keine Denktabus". Die Energieversorger Eon, RWE und EnBW, denen die drei noch produzierenden Atomkraftwerke gehören, können der Idee von Laufzeitverlängerungen nichts abgewinnen.

Sie hatten am Sonntag übereinstimmend erklärt, gesetzlich sei das Ende der Stromproduktion zum 31. Dezember 2022 festgelegt, daran werde nicht gerüttelt. RWE-Chef Markus Krebber hatte bei früherer Gelegenheit gesagt: "Das Thema Kernkraft ist in Deutschland vom Tisch. Kurzfristig wäre es gar nicht möglich, die Kernkraftwerke wieder hochzufahren."

Auch Siegfried Russwurm, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, äußerte sich zurückhaltend mit Blick auf Forderungen, den Atomausstieg zu revidieren. "Ich will nichts ausschließen, aber für besonders wahrscheinlich halte ich nicht, dass der Atomausstieg verschoben wird", sagte Russwurm dem Handelsblatt. Es gehe um komplexe technische Prozesse, es lasse sich nicht einfach ein Schalter umlegen, so der Industriepräsident.
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