"Potenziell hängt von jeder Handlung dein Leben ab"
Aaron Klein
Mi, 25. September 2024
Gundelfingen
Von Paris nach Vancouver mit Fahrrad und Boot: Nach dem Krebs erfüllte sich Julen Sánchez einen Traum. Im Interview erzählt er, wie er mit einem Ruderboot den Atlantik überquerte. Jetzt liest er in Kirchzarten und Gundelfingen.
Abenteuer gestürzt?
BZ: Ab wann wollten Sie es anders machen?
Vor sechs Jahren wurde bei mir Blasenkrebs diagnostiziert, ich war damals 22 Jahre alt. Die Überlebenschance lag bei zehn Prozent und ich hatte großes Glück. Von da an wurde mir klar, wie vergänglich Zeit ist. Es war ein Tritt in den Hintern, wirklich noch etwas zu einer besseren Welt beizutragen, bevor ich sie irgendwann verlasse.
BZ: Sie haben alleine und mit dem Ruderboot in 131 Tagen den Atlantik überquert. Wie hat sich das angefühlt?
Es ist ein unfassbares Gefühl von Freiheit. Gleichzeitig hängt von jeder Handlung potenziell dein Leben ab, sodass man unter Druck steht, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Um nicht erst noch lange überlegen zu müssen, ist eine akribische Vorbereitung unabdingbar.
BZ: Gab es dennoch Situationen, in denen Sie unvorbereitet waren?
Sich angesichts der Magie des Ozeans auf alles vorzubereiten, ist unmöglich. Der erste Sturm war sehr viel stärker als alle meine Berechnungen: Eine Planke des Bootes wurde beschädigt und mein ganzes Sicherheitsequipment ging über Bord. Zudem sind während der ersten 60 Tage alle meine vier Handys kaputt gegangen und ich hatte keinen Kontakt mehr zum Festland. Das war zuerst ein riesengroßer Schock, dann habe ich die Freiheit genossen. Nun hatte ich mein Abenteuer. Die Stärke des Ozeans war einschüchternd und beeindruckend zugleich. Wegen der starken Tageshitze musste ich auch nachts rudern. Gerade in der Dunkelheit hat man als einzelner Mensch auf dem weiten Ozean das Gefühl, wenig Kontrolle zu haben. Noch dazu sprangen mir regelmäßig klitschige fliegende Fische ins Gesicht. Ich musste mich aktiv mit der Situation anfreunden und den Alltag lieben lernen. Sonst hätte ich es mental nicht geschafft. Nach anfänglicher Schlechtwetterfront konnte ich nach ein paar Wochen nachts den Sternenhimmel sehen. Das wiederum war magisch.
BZ: Hat die Reise Ihr Leben geprägt?
Wenn ich die Bilder von damals sehe, kann ich leicht zurückdenken. Zurück im Hörsaal fühlt sich alles wieder wie ein Traum an. Seit meiner Reise spüre ich eine viel größere Naturverbundenheit. Eine Stadt würde mich als Reiseziel überhaupt nicht mehr reizen. Auch haben sich die Distanzen komplett verschoben. Wenn man aus eigener Kraft ans andere Ende der Welt gekommen ist, denkt man natürlich anders übers Reisen nach.
BZ: Wie können mehr Menschen zum umweltfreundlichen Reisen bewegt werden?
Meine Philosophie ist, voranzugehen und die Dinge auf eine bestimmte Art und Weise einfach zu tun. Das funktioniert besser, als belehrend auf andere einzuwirken oder Verbote auszusprechen. Es geht darum, zu zeigen, was möglich ist. Die eine richtige Lösung gibt es nicht. Für jeden bedeutet nachhaltig leben etwas anderes.
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