Peking zwischen Panik und seltsamer Ruhe
In Chinas Hauptstadt ziehen die Corona-Maßnahmen täglich weiter an / Keine Hoffnung auf eine baldige Öffnung des Landes.
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Damit ist der letzte Funke Hoffnung auf eine baldige Öffnung des Landes erloschen. Stattdessen steckt selbst Chinas Hauptstadt in einer immer engeren Lockdown-Schleife fest: Mit Fangshan hat am Wochenende der erste Bezirk eine de facto Ausgangssperre verhängt, indem die Behörden den gesamten öffentlichen Nahverkehr sowie Taxi-Dienste suspendiert haben. Die Schulen sind ohnehin längst stadtweit geschlossen, die Restaurants nur mehr für Lieferdienste geöffnet und die meisten Parkanlagen abgeriegelt.
Jeden Morgen stehen die Pekinger zudem für ihren täglichen PCR-Test an, praktisch sämtliche Nachbarschaften werden von nicht enden wollenden Menschenschlangen durchzogen. Allein am Samstag wurden in der Hauptstadt 21 Millionen Rachenabstriche vorgenommen, ein Ende der täglichen Massentests ist nicht absehbar. Dabei sind die festgestellten Infektionen nach wie vor gering, zuletzt meldete die Gesundheitskommission nur 41 Ansteckungen für Peking.
Doch die Maßnahmen, um die politisch anvisierte "Null" zu erreichen, werden dennoch zunehmend radikal. Am derzeit härtesten betroffen ist ein fünf Quadratkilometer großes Wohngebiet im Bezirk Chaoyang, in dem rund 300 000 Menschen leben. Wer auf den menschenleeren Straßen entlangfährt, fühlt sich in Teilen an den Lockdown in Wuhan vor zwei Jahren erinnert: Die Hauseingänge zu den Apartmentsiedlungen sind mit blauen Planen verbarrikadiert, und an den Seitenstraßen haben Polizisten regelrechte Checkpoints errichtet. Bis auf Lieferkuriere darf niemand rein und raus.
Die Lockdown-Panik ist jedoch nur eine Seite der Realität. In vielen Gegenden lässt sich im Alltag der Leute durchaus auch Idylle feststellen: Seit die Cafés und Restaurants geschlossen sind, haben die Pekinger plötzlich ihre Outdoor-Leidenschaft entdeckt. Am Wochenende fahren sie zum Campen in die bergigen Außenbezirke, picknicken entlang der Kanalpromenaden oder treffen sich zum Joggen in den nun leeren Verkehrsstraßen. Aufgrund des wirtschaftlichen Stillstands zeigt sich auch der Himmel der Hauptstadt so blau wie lange nicht mehr.
Die scheinbare Ruhe hat allerdings auch mit dem dystopischen Zensurapparat zu tun, der die Bürger wie in Zuckerwatte einhüllt: Wer die führende Online-Plattform Weibo aufschlägt, bekommt dieser Tage vom Algorithmus lediglich Klatschnachrichten und Polit-Propaganda vorgeschlagen. Die Corona-Maßnahmen tauchen nicht einmal unter den zehn führenden Top-Nachrichten auf. Und die Staatsmedien berichten über die Pandemie nur als "heroischen" Virus-Kampf.
Doch wie schnell die fragile Normalität kippen kann, hat sich am Donnerstagnachmittag gezeigt: Als die tägliche Corona-Pressekonferenz aus ungeklärten Gründen verschoben wurde, verbreiteten sich die ersten Gerüchte wie Strohfeuer. Eine 38-jährige Frau mit dem Nachnamen Yao postete auf den sozialen Medien, dass die Stadtregierung einen dreitägigen Lockdown plane, während der selbst Essenslieferungen verboten seien. Es dauerte keine 20 Minuten, ehe die Bewohner wie panisch in die Supermärkte stürmten. Noch vor Sonnenuntergang waren die Gemüseregale leergeräumt.
Die Behörden versuchten umgehend, die Bevölkerung zu beruhigen. Doch jedes weitere Lockdown-Dementi heizte die Stimmung nur weiter auf. "Genau so hat es auch in Shanghai angefangen. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen", scherzte ein deutscher Expat, während er mit vollen Plastiktüten vor der Supermarkt-Kasse wartete. Denn nur wenige Tage, nachdem Shanghais Regierung einen Lockdown abstritt, riegelte sie die 25-Millionen-Metropole vollständig ab.
In Peking reagiert die Regierung mit eiserner Hand: Sie ließ Frau Yao noch am Freitag wegen "Verbreitung illegaler Gerüchte" in Untersuchungshaft nehmen.
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