Kongress in Stuttgart
Pädagogen und Politiker uneins über Bildungspolitik
Warum sind Baden-Württembergs Neuntklässler nur noch Durchschnitt? Bei einem bildungspolitischen Kongress in Stuttgart diskutieren Pädagogen und Politiker – aber in durchaus unterschiedliche Richtungen.
Mo, 20. Feb 2017, 0:00 Uhr
Südwest
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STUTTGART. Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung des Berliner Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) werden tiefe Spuren im Schulsystem des Landes hinterlassen. Da Baden-Württemberg von der Spitzengruppe ins Mittelfeld zurückgefallen ist, will Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) alles auf den Prüfstand stellen. Die Verbände und Organisationen, die sie am Samstag zu einem bildungspolitischen Kongress eingeladen hatte, wollen mitziehen – aber in durchaus unterschiedliche Richtungen.
Dazu muss das gesamte Schulsystem kritisch untersucht werden, so die Absichtserklärung Eisenmanns, denn "wir haben ein Qualitätsproblem": Überall könnte der Wurm der schlechten Testergebnisse stecken. Doch was das IQB nicht liefert, sind Hinweise zu den Ursachen. Die Studie hat auch nur die Leistungen der Neuntklässler in eingegrenzten Bereichen untersucht, nicht aber die Qualität des gebotenen Unterrichts.
Nahezu alle elf Vertreterinnen und Vertreter von Organisationen der Eltern, Lehrer und Schüler sowie der Arbeitgeber hatten freilich zuvor zugesichert, was die Kultusministerin vorgegeben hatte: Es gehe jetzt nicht um Schuldzuweisungen. Das verhinderte allerdings nicht, dass es sie dennoch gab. Insbesondere die Sprecher der Lehrerverbände lieferten sich – neben der Kritik an den Fehlern der Schulpolitik – auch untereinander einen Schlagabtausch. Der Realschullehrverband beklagte die "Destabilisierung" seiner Schulart durch die Gemeinschaftsschule, der Philologenverband spottet namens der Gymnasien über die "kuschelige Unterrichtskultur", was die Grundschulvertreterin als Unwort zurückwies.
Mancher wusste auch schon die Ursache des Leistungsabfalls: Es sei die Vielzahl der Reformen, die Unruhe in die Schulen getragen und den Unterricht belastet habe. Dagegen müsse nun Stabilität und Kontinuität einziehen, diese lehrten die erfolgreichen Beispiele der (reformunfreudigen) Länder Bayern und Sachsen. Aber wer auf Verbesserung aus ist, müsste weit mehr nach Schleswig-Holstein und Brandenburg schauen, wie Eisenmann meinte: Dort hat man nach dem IQB-Vergleich von 2009 kräftig aufgeholt, und zwar eben nicht mit Stillstand in der Schulpolitik. Dennoch verspricht die Kultusministerin Ruhe und Verlässlichkeit. Inwieweit sich das mit ihrer Ankündigung verträgt, alles auf den Prüfstand zu stellen, werden vermutlich schon die nächsten Monaten zeigen: Ihr Haus will das Qualitätsproblem zügig angehen.
Als Hauptarbeitsfelder wurden im Verlaufe des Stuttgarter Kongresse benannt: Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, Qualitätssicherung direkt in den Schulen, Eliteförderung, der weit verbreitete Unterricht durch fachfremde Lehrer, aber auch die Frage, ob an den Schulen das Personal effizient eingesetzt wird. Denn das schlechte IQB-Ergebnis entstand in einer Zeit, da die Zahl der Schüler pro Lehrkraft so niedrig war wie wohl nie zuvor – also eigentlich beste Bedingungen.
All das bringt jedoch die Antwort auf die sehr direkte Frage nicht näher, die auf eine unmittelbare Ursache der schlechten IQB-Ergebnisse zielt und die eine Professorin der PH Schwäbisch Gmünd aufgeworfen hatte: "Warum gelingt es uns nicht, die Jungen zum Lesen zu bringen?" Denn gerade der Deutschtest hat ergeben, dass die Mädchen ihnen deutlich überlegen sind und viele nicht einmal den Mindeststandard erfüllen – nicht nur in Baden-Württemberg.