Umfrage
Gewalt gegen Lehrer ist an deutschen Schulen offenbar Alltag
Die Pädagogen im Land sind alarmiert: Gewalt gegen Lehrer ist einer Umfrage zufolge verbreiteter als angenommen. Baden-Württemberg liegt dabei noch unter dem Bundesdurchschnitt.
Do, 3. Mai 2018, 9:11 Uhr
Südwest
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Gewalt gegen Lehrer wird aus Sicht des VBE in der Politik und an den Schulen selbst weiterhin tabuisiert. Diese Schlussfolgerung zieht der Verband nach zwei Umfragen zu diesem Thema aus den Jahren 2016 und 2018. "Die Politik muss mit dem Märchen vom Einzelfall aufhören", sagte Landesverbandschef Gerhard Brand am Mittwoch bei der Vorstellung der jüngsten Umfrage "Gewalt gegen Lehrkräfte aus Sicht der Schulleiter".
Besonders häufig berichteten die Befragten von verbalen Übergriffen: 48 Prozent der Schulleiter gaben an, es habe bei ihnen in den vergangenen fünf Jahren Fälle gegeben, "in denen Lehrkräfte direkt beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt wurden". Körperliche Angriffe registrierten 26 Prozent. "Cybermobbing", also Diffamierungen, Belästigungen oder Drohungen gegen Pädagogen über das Internet gaben 20 Prozent zu Protokoll. Baden-Württemberg lag in allen drei Bereichen unter dem Bundesschnitt. Von Beschimpfungen berichteten hier 45 Prozent der Schulleiter, von physischer Gewalt und Internetmobbing je 16 Prozent.
Brand äußerte sich alarmiert. Die Umfrage zeige, "dass Gewalt gegen Lehrkräfte kein Randphänomen ist", sondern an vielen Schulen vorkommt. Das Thema werde zu oft verschwiegen, weil Lehrer und Schulen um ihren Ruf fürchteten. Brand forderte, Gewaltfälle in die Schulstatistik aufzunehmen, das Thema in der Lehrerausbildung zu behandeln und mehr Hilfe für Betroffene.
Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) rief Lehrer auf, Gewaltvorfälle umgehend der Schulaufsicht zu melden. "So bekommen wir auch einen systematischeren Überblick über Art und Fülle solcher Vorfälle und können zielgerichtet reagieren." Sie beobachte häufiger "eine fehlende Wertschätzung gegenüber der Institution Schule und gegenüber Lehrerinnen und Lehrern".
Respektlosigkeit in der Gesellschaft habe insgesamt zugenommen. Bundesweit sind laut der Umfrage an fast jeder dritten Grundschule Lehrerinnen und Lehrer binnen fünf Jahren körperlich angegriffen worden. Über alle Schulformen hinweg berichtete rund jede vierte Schulleitung von Fällen körperlicher Gewalt gegen Lehrkräfte.
Die Grünen im Landtag forderten, sich verstärkt Gewaltursachen zu widmen. Häufig lägen Auslöser außerhalb der Schule. "Deshalb muss ein ganzheitlicher Ansatz der Gewaltprävention an Schulen einen höheren Stellenwert erhalten – hier gilt es vor allem, die Zusammenarbeit des Kollegiums mit Schulsozialarbeitern und Schulpsychologen sowie dem lokalen Schulumfeld zu stärken", erklärte die bildungspolitische Sprecherin Sandra Boser.
Dagegen forderte AfD-Bildungspolitiker Rainer Balzer: "Gewalt gegen Lehrkräfte muss für Schüler spürbare Konsequenzen haben. Zudem muss sichergestellt sein, dass sich gerade die Schüler aus schwierigen sozialen Verhältnissen den Konsequenzen nicht einfach entziehen können."
Daniel Born (SPD) sprach von einem "klaren Alarmsignal" und gab zu bedenken: "Schulen sind Erfahrungsraum für unsere Demokratie, da darf Gewalt keinen Platz haben und schon gar nicht zur Normalität werden." FDP-Bildungsexperte Timm Kern forderte, beim Kultusministerium eine Kompetenzstelle zu schaffen, analog zur Landespräventionsstelle gegen Gewalt und Cybergewalt an Schulen in Nordrhein-Westfalen.