Tag der Pressefreiheit
Nicht nur in China nimmt die Pressefreiheit stetig ab
Wie frei ist die Presse? Wie unabhängig können Journalisten arbeiten, wie wichtig ist beides? Oft genug erfährt man Letzteres gerade dann, wenn Pressefreiheit fehlt. China ist dafür ein Beispiel.
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In der Praxis ist die Verschärfung deutlich zu merken. In der Morgenkonferenz geben der Chefredakteur oder der Propagandaverantwortliche zu jedem Thema den erwünschten Tenor vor, berichtet Journalist Li aus seinem Alltag. Oft ist sogar festgelegt, welche Experten zu interviewen seien. In vielen Fällen, etwa beim Territorialstreit im Südchinesischen Meer, erhalten die Redakteure fertige Fragen und Antworten von der Zensurbehörde zugeschickt. Dann steht in allen chinesischen Zeitungen das gleiche. Wer mehrfach von der vorgegebenen Linie abweicht, verliert seinen Job, etwa Lis voriger Chefredakteur. Er ist durch einen zuverlässigen Parteimann ersetzt worden.
Redakteur Li freut sich umso mehr über Gelegenheiten, das System zu unterlaufen. Vor allem auf dem Land kann er einen Unterschied machen: Die Provinzpresse steht unter der Fuchtel der Lokalpolitiker, während sein überregionales Medium aus Peking hier freier agieren kann.
Li war beispielsweise als Augenzeuge dabei, als sich in der Provinz Hunan Dorfbewohner eine Schlacht mit der Polizei geliefert haben, weil Beamte ihnen das Land wegnehmen wollten. Später gab es eine beschönigende Pressekonferenz. Wer sich offiziell registriert hatte, bekam einen Maulkorb. "Doch ich hatte mich unter falschem Namen eingeschlichen, nahm alles auf und fuhr nach Peking zurück." Lis Artikel war der einzige zu diesem Thema, der in ganz China erschienen ist. Die Provinzregierung wollte ihn verhaften lassen, doch die Chefredaktion hat sich hinter ihn gestellt – vermutlich, weil das Verhalten der Provinzpolitiker der Führung in Peking ebenfalls ein Dorn im Auge ist.
Eines der heikelsten Themen ist derzeit die Debatte um die Bedeutung der chinesischen Verfassung. Diese sieht Menschenrechte, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit vor. Hinweise darauf, dass die Praxis arg von der Theorie abweicht, sind unerwünscht. Auch der unverschämte Reichtum der hohen Beamten ist ein Tabuthema – obwohl die Partei die Korruption in den eigenen Reihen verfolgt. Li: "Aber die Kader verbitten sich eben jede Einmischung von außen."
- Interview: "Journalisten sind zum Feindbild geworden"
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