Kurioses
Neustadts Josef-Sorg-Straße birgt ein Rätsel – Wem ist sie denn nun gewidmet?
Sorguhren sind begehrte Sammlerstücke und kosten ein kleines Vermögen. Eine Straße in Neustadt ist nach ihrem Erfinder benannt – oder nicht? Die Josef-Sorg-Straße birgt ein Rätsel.
Do, 9. Jan 2025, 17:00 Uhr
Titisee-Neustadt
Thema: Straßennamen in Titisee-Neustadt
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Die Herkunft und Familienverhältnisse der Sorg-Brüder sind gut erforscht. Die Sorgs sind seit dem 17. Jahrhundert als Schmiede und als Wirte in Neustadt nachweisbar. Ihnen gehörte das Gasthaus "Sonne". Es befand sich an der Ecke Hauptstraße/Adlerbuckel, es war das spätere Café Butsch, heute Asia-Restaurant. Der erste Uhrmacher aus dieser Familie hieß bereits Joseph Sorg. Er war Sonnenwirt und bekam aus erster Ehe sieben Kinder, darunter den ältesten Sohn, der auf den Namen des Vaters Joseph getauft wurde. Dieser Joseph Sorg lebte von 1786 bis 1866.
Nach dem Tod seiner ersten Frau Maria Anna Kaltenbach ging der Sonnenwirt eine zweite Ehe ein, bekam nochmals drei Kinder, und wiederum der erste Sohn aus dieser Ehe wurde ebenfalls Joseph genannt. Allerdings erhielt er einen Doppelnamen, nämlich Franz-Joseph. Er lebte von 1807-1872. Beide Söhne wurden sehr erfolgreiche Uhrmacher in Neustadt. Zur besseren Unterscheidung nannte sich der 21 Jahre ältere der Halbbrüder "Joseph Sorg alt" und der jüngere "Joseph Sorg jung". So signierten sie auch ihre Uhren, gelegentlich zeichnete der jüngere Bruder auch mit "F.J. Sorg".
Vom Vater Joseph Sorg ist bekannt, dass er etwa ab 1780 im Uhrenhandel unterwegs war, ehe er 1783 das elterliche Wirtshaus zur Sonne übernahm. 1792 bildete er mit einem Partner eine "Compagnie" zum Uhrenhandel nach Frankreich, 1796 begegnet er uns in den Amtsakten auch als "Gerichtsmann", also Mitglied des "Ehrsamen Gerichts" in Neustadt, und ein Jahr später als Schultheiß.
Vermutlich erlernten beide Halbbrüder ab früher Jugend das Uhrmacherhandwerk bei ihrem Vater. Allerdings sollte Joseph Sorg der Ältere zunächst das Schmiedehandwerk erlernen, denn zur Sonne gehörte auch noch eine Schmiedewerkstatt. 1801 erhielt Joseph Sorg der Ältere daher den "Dispens" der Wanderschaft, das heißt, es wurden ihm die Wanderjahre erlassen, die eigentlich zur Schmiedausbildung gehörten. 1804 wird er auch noch als "Schmied" bezeichnet, jedoch schon 1806 anlässlich einer Wirtshausstreiterei als "der ledige Uhrmacher Joseph Sorg, 20 Jahre alt." Er erwarb um die Mitte des Jahrhunderts ein unbebauten Feld an der Scheuerlenstraße, das damals Zuckeracker hieß. Dort erbaute er 1858 eine repräsentative Villa, das Haus, in dem heute das Heimatmuseum untergebracht ist. Joseph Sorg (alt) und seine Frau wohnten aber nicht selbst in diesem Haus, sondern sie vermachten es ihrem zweiten Sohn Karl Sorg, als dieser nach mehrjährigem Aufenthalt als Uhrenhändler in England um 1860 in die Heimat zurückkehrte.
Auch von Joseph Sorg alt sind Uhren mit sehr kleinen Abmessungen bekannt, doch laut Stadtarchivar Walter Göbel war es der jüngere der beiden Josephs, der die berühmte kleine Sorguhr entwickelte, von der Exemplare auch im Neustädter Heimatmuseum aufbewahrt werden. Sorg-Ührchen mit Originalsignatur sind heute zu einer Rarität ersten Ranges geworden. Sie zählen zu den besonderen Kabinettsstücken einer Schwarzwalduhrensammlung. Einige Exemplare sind im Badischen Landesmuseum Karlsruhe und im Uhrenmuseum Furtwangen ausgestellt, es gibt aber auch einige gut gehütete Privatsammlungen. Auf Uhrenbörsen werden original Sorg Uhren ab 7.000 Euro aufwärts gehandelt.
Das Besondere der kleinen Sorguhren: Die Gestelle sind in der Regel nicht mehr als 7 Zentimeter hoch und 4 bis 5 Zentimeter breit. Joseph Sorg der Jüngere zog von seinem Elternhaus, der "Sonne" in die Scheuerlenstraße um, wo er das sogenannte Spritzenhäusle erwarb. Dort richtete er seine Werkstatt ein. Sie befand sich im heutigen Gastraum. Das mittlere Fenster diente als Werkbank und als Verkaufsfenster ins Freie. Im abgetrennten hinteren Teil des heutigen Gastraums unterhielt Sorg auch sein kleines Büro als Stadtrechner. Von 1850 bis 1852 war er sogar einmal kurz Bürgermeister der Stadt, außerdem auch Gemeinderat, Waisenrichter und Schätzungsrat. Das Stadtrechnerbüro war durch eine Trennwand von der Uhrmacherwerkstatt im vorderen Teil abgetrennt.
Verheiratet war Joseph Sorg der Jüngere mit Karoline Hirt, der Tochter des Bürgermeisters und Färbers Andreas Hirt. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor. Die älteste Tochter starb bereits als Kleinkind, der erste Sohn Wilhelm mit 14 Jahren, der zweite Sohn Karl wanderte nach Texas aus, so dass lediglich die Tochter Karoline Katharina Friederike in Neustadt blieb. Als ihr Vater Joseph Sorg (der Jüngere) 1872 im Alter von 65 Jahren starb, erbte seine Tochter das Anwesen und eröffnete darin das heutige Gasthaus Spritzenhäusle.
Nach Verdiensten für die Stadt und im Hinblick auf seine Bedeutung für die Uhrengeschichte des Schwarzwaldes müsste die Namensgebung Josef-Sorg-Straße, die zu Beginn der 1990er Jahre erfolgte, diesem letzten Joseph Sorg gewidmet sein. Korrekt müsste sie dann Franz-Josef-Sorg-Straße heißen. Es schadet aber sicher nicht, wenn mit dieser Straße auch an seinen älteren Bruder und den Vater gleichen Namens erinnert wird.
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