Mit Selleriesaft und Tipps von Mama
Olympia-Debütantin Hannah Neise fährt mit ihrem Skeletonschlitten das Rennen ihres Lebens – und holt die Goldmedaille.
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Die Olympia-Qualifikation packte sie mit der letzten Chance, dann kam auch noch ein positiver Coronatest dazwischen. Am Ende von vier aufregenden Wochen raste die erst 21 Jahre alte Skeleton-Pilotin Hannah Neise völlig unerwartet zu Olympia-Gold.
Erst drei Wochen vor Beginn der Winterspiele in China hatte Neise durch einen achten Platz im Weltcup von St. Moritz die Qualifikation gepackt. Am nächsten Morgen wurde sie positiv auf das Coronavirus getestet. "Da ist für mich eine Welt untergegangen. Aber ich habe schnell gelernt, damit umzugehen. Das hat mir auch für Olympia viel gebracht", sagte die Sauerländerin. Um halbwegs fit zu bleiben, hat sie ihren Körper "mit Vitaminen vollgepumpt. Ich habe jeden Morgen Selleriesaft getrunken. Das werde ich sicher nicht noch einmal machen."
Die Qual hat sich ausgezahlt. Nicht nur für Neise, sondern für das gesamte deutsche Skeleton-Team. Bisher stand die Mannschaft immer im Schatten der Rodler und Bobfahrer. Sie waren die, die zwar Weltmeisterschaften gewannen, bei Olympia aber nie richtig ablieferten. Nun stellt man in Christopher Grotheer und Neise beide Olympiasieger von Peking, darf sich über einen größeren Fördertopf freuen. "Erst wenn wir nach Hause fliegen, ein paar Tage vergangen sind, dann werden wir erst realisieren, was uns hier gerade gelungen ist", sagte Cheftrainer Christian Baude.
Vor allem mit Neise hat Baude große Pläne. "Wenn sie etwas möchte, dann drückt sie das durch. Das Ziel ist nun Olympia in vier Jahren, da wollen wir den Titel verteidigen", sagte der 39-Jährige. Man könne jetzt die Sportler durch die erhöhte Förderung noch besser ausbilden und wolle die Leistungen in den Weltcups bestätigen.
Dass das Sauerland in Neise überhaupt eine Olympiasiegerin stellt, hat viel mit einer Englischstunde vor etwa zehn Jahren zu tun. "Ich war in der siebten Klasse und in der Schule hat man nach Talenten gesucht. Dafür musste man 20 Kilometer nach Winterberg fahren", berichtete Neise. "Da habe ich gesagt, dass ich gerne mit würde, weil mir für Englisch eine Unterschrift fehlte und ich die unangenehme Situation vermeiden wollte. Da habe ich mich da reingedrängt."
Ein Jahrzehnt später gab es in ihrem Heimatort Schmallenberg ein Public Viewing auf dem Schützenplatz. Serviert wurde etwa das "Skeleton Beef" für neun Euro oder die "Hannah Fries" für vier Euro. Der Aufwand lohnte sich, Neise fuhr mit Bahnrekord überlegen zum Olympiasieg vor der Australierin Jaclyn Narracott. Nach den vier Rodel-Siegen und dem Triumph von Grotheer war es das sechste deutsche Gold im Eiskanal von Yanqing.
Um mit ihren gerade mal 21 Jahren mit dem Druck umzugehen, hat Neise auf Tipps von Mama und Entspannungstechniken gesetzt. "Ich habe versucht, die Nervosität auszuatmen, tief ein und tief aus. Den Tipp hat mir meine Mama gegeben", sagte Neise. Zudem arbeite sie mit "entspannenden Audioszenen, die mich runterfahren".
Runter kam sie in Yanqing nördlich von Peking exzellent. Schon in den Testrennen dort hatte Neise im Oktober Platz zwei belegt. Für den großen Coup war sie wie immer ihrem Dresscode gefolgt. Unter dem Rennanzug trug sie Kompressionsstrümpfe und ein pinkes T-Shirt. Als Glücksbringer hat sie bei den Winterspielen ein Kuscheltier von ihrem Freund, einem Skispringer, dabei.
Womöglich war Neises Triumph aber auch das Ende der deutschen Goldserie. Denn bei der Monobob-Premiere patzten die deutschen Pilotinnen, einzig Laura Nolte ist als Dritte zur Halbzeit auf Medaillenkurs. Doch die Winterbergerin hat bereits 1,22 Sekunden Rückstand auf die Führende, Weltmeisterin Kaillie Humphries aus den USA. Aus eigener Kraft wird das nichts mit dem Gold.
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