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Mit dem Wahlomaten gegen Politikverdrossenheit ankämpfen

Wer sich vor der Landtagswahl im Mai über Partei-Positionen informieren will, kann unter anderem den Wahlomaten zu Rate ziehen – der wird derzeit erstellt.  

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Politik ist langweilig und Politiker haben überhaupt keine Ahnung, was mich interessiert. So zumindest lautet die landläufige Meinung vieler Jugendlicher, wenn es um Hartz IV, Rentenreform und das sonstige Treiben von Merkel & Co. geht. Dass sich dieser Mangel an Interesse in niedrigen Wahlbeteiligungen niederschlägt, ist nichts Neues. Bei den Landtagswahlen im nächsten Mai dürfen ungefähr 50 000 Baden-Württemberger Jungs und Mädels zum ersten Mal ihr Kreuzchen machen. Dass allerdings viele von diesem Recht Gebrauch machen werden, ist zumindest zweifelhaft.

Um gegen das große Ungeheuer Politikverdrossenheit anzukämpfen, versuchen die Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung seit Jahren mit verschiedenen Kampagnen bei Jugendlichen Interesse zu wecken. Zu ihrem festen Repertoire gehört seit der Bundestagswahl 2002 auch der "Wahlomat". Was klingt wie eine Mischung aus Kaffeemaschine und Raumschiff Enterprise ist in Wirklichkeit eine Art Internetspiel. Dem User werden 30 politische Thesen vorgelegt ("Auf Autobahnen sollte es eine Geschwindigkeitsbegrenzung geben."), die er ablehnen, neutral bewerten oder denen er zustimmen kann. Am Ende erfährt er, mit welcher Partei die meisten Übereinstimmungen bestehen. Wer mag, kann auch noch die Begründungen der Parteien zu ihren jeweiligen Positionen nachlesen.

Bis jetzt ist das Projekt auf große s Interesse gestoßen. "5,1 Millionen Menschen haben den Wahlomaten bei der letzten Bundestagswahl genutzt", erzählt Norbert Taubken stolz. Er ist Wahlomat-Projektleiter der Landeszentrale in Baden-Würrtemberg. Der Erfolg misst sich nicht nur an den großen Benutzerzahlen, sondern auch am riesigen Medienecho. Beigetragen hat dazu sicher auch, dass das informative Parteienquiz sogar in Comedyshows wie in Stefan Raabs "TV Total" vorgestellt wurde.

Rund neun Prozent der User gaben bei Befragungen an, ihr Ergebnis habe sie dazu bewogen, zur Wahl zu gehen, obwohl sie es ursprünglich nicht vorhatten. Aber was ist mit den anderen 90 Prozent? Handelt es sich da um versierte Wähler, die auch nur das erwartbare Ergebnis bekamen – oder ist das Internetspiel eben doch nur das: ein netter Zeitvertreib? Die Diskrepanz zwischen der Ernsthaftigkeit, mit der das junge Redaktionsteam die Thesen erstellt, und dem Erfolg ist zumindest deutlich. Allerdings muss konsequenterweise auch gefragt werden, was der Wahlomat überhaupt will.

"Wir haben an zwei

Hardcore-Wochenenden

Programme verglichen und

Thesen diskutiert."

Sebastian Reinkunz, Student
Das Ziel ist auf der Website mit "Information und Anregung zur politischen Kommunikation" sowie als "Angebot zur Orientierungshilfe" angegeben. Mehr als das kann wahrscheinlich auch gar nicht geleistet werden, denn die Erkenntnis – klar! – kann nur von innen kommen. Dennoch ist zu hoffen, dass die Energie, die die Macher in dieses Projekt stecken, nicht ganz ins Leere läuft.

Ein häufig geäußerter Vorwurf gegen dieses Instrument der Zentralen für politische Bildung lautet, dass der Wahlomat undemokratisch sei, weil nur die im Parlament amtierenden Parteien aufgenommen werden. Das führe zu Manipulationen: Die größeren Parteien werden dadurch bevorzugt und der verfassungsgemäße Minderheitenschutz kleiner Parteien werde dadurch unterlaufen. Doch sämtliche kandidierenden Parteien aufzustellen, sprengt sichtlich den Rahmen dieser Thesenprüfung.

Auch zur nächsten Landtagswahl in Baden-Württemberg wird es wieder einen Wahlomaten geben, erstellt von Jung- und Erstwählern, denn "die Thesen sollen einen direkten Bezug zu den Interessen der jüngeren Wähler haben", so Norbert Taubken. 16 Schüler und Studenten aus Baden-Württemberg bilden zusammen mit ihm das Redaktionsteam, unterstützt von einem Team von Anleitern der Landeszentrale für politische Bildung, einem Politikwissenschaftler und einem Vertreter des Landesjugendrings. Vier Studenten aus Freiburg mischen im Team mit: Fritz Spengart, Kristin Michelitch, Christoph Pilger und Sebastian Reinkunz.

Bis jetzt scheinen sie allesamt von der Arbeit begeistert zu sein. "Wir haben uns im November zum ersten Mal getroffen, und an zwei Hardcore-Wochenenden die Parteiprogramme verglichen, Thesen erstellt und unendlich viel diskutiert", fasst Sebastian zusammen. Alle vier sind sich einig, dass die Arbeit produktiv und effektiv war. "Und das, obwohl wir alle so unterschiedlich sind", meint Christoph. Denn vom 14-jährigen Schüler bis zur 25-jährigen US-Amerikanerin weist das Team sowohl eine große Bandbreite in Alter wie in Lebenserfahrung auf.

Die Arbeit des Redaktionsteams ist jetzt, Anfang Januar, zum größten Teil erledigt. "Alle Thesen stehen jetzt", bemerkt Kristin zufrieden. In den nächsten Wochen werden die Thesen den Parteien zugeschickt. Die müssen dazu Stellung beziehen und ihre Antworten zurückschicken. Dann stehen nur noch letzte "Polierarbeiten" an, wie es Fritz nennt, und im Februar heißt es dann: Bühne auf, oder besser: Klick auf, wenn der Wahlomat online geht. "Ein merkwürdiges Gefühl wird das sein, die eigene Arbeit auf einmal im Internet zu sehen", meint Christoph. Bis dahin haben die 16 Macher noch Zeit, sich seelisch auf die große Pressekonferenz vorzubereiten.

Ressort: Zisch

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