Länderspiel
Maach et joot, Poldi: Abschied aus der Nationalelf
Nach 130 Auftritten im Nationalteam ist für Lukas Podolski Schluss. Vor seinem Abschiedsländerspiel wirkt der 31-jährige so nahbar und unverbraucht wie am ersten Tag seiner Karriere.
Mi, 22. Mär 2017, 0:00 Uhr
Nationalelf
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Man könnte meinen, der 31-Jährige habe die Intension des Fragesteller nicht verstanden. Wahrscheinlicher ist aber: Podolski ignoriert sie einfach. Dass er in den vergangenen Jahren als Gute-Laune-Onkel der deutschen Eliteauswahl abgestempelt wurde, ist ihm keineswegs entgangen. Despektierlich fand er es, als sie ihn bei der EM im vergangenen Sommer als Pausenclown bezeichneten. Das alles soll jetzt, so kurz vor seinem letzten großen Auftritt im Nationaltrikot, nicht das Thema sein. Es würde Podolski und seiner Karriere auch nicht gerecht.
Der DFB hat eigens für ihn ein nettes, kleines Filmchen produziert. Mit vielen Spielszenen aus den 13 Jahren, die Podolski fester Bestandteil der Nationalmannschaft war. Und mit noch mehr Aufnahmen abseits des Platzes. Diese sind es, die den scheidenden Angreifer wohl besser beschreiben als seine sportlichen Taten, die gleichwohl beeindruckend sind: 130 Länderspiele wird Podolski am Ende gemacht haben, nur Lothar Matthäus (150) und Miroslav Klose (137) waren häufiger für Deutschland aktiv. 48 Tore hat er als Nationalspieler erzielt, auch in dieser DFB-internen Rangliste liegt der gebürtige Pole in der Spitzengruppe.
Für Bundestrainer Joachim Löw ist Podolski – kein Wunder – "einer der größten Spieler, die Deutschland hervorgebracht hat". Fehlen werde ihm aber in erster Linie der Mensch Lukas Podolski. "Er hat einen unglaublichen Respekt für andere", erklärt Löw: "Und er schafft es immer wieder, aus schweren Situationen etwas Leichtes zu machen. Deswegen fliegen ihm überall die Herzen zu."
Einzelne Momente seiner Laufbahn will Lukas Podolski nicht hervorheben. "Das wäre ungerecht gegenüber den anderen Momenten", findet er. Einzelne Momente sind es auch nicht, die ihn besonders machen. Man muss ihn als Ganzes beurteilen. Gemeinsam mit Bastian Schweinsteiger steht Podolski für den Wandel des deutschen Fußballs nach der verkorksten Europameisterschaft 2004.
Damals, als 19-Jähriger, hat er seine ersten Länderspiele bestritten, wirkte als Frischzellenkur inmitten der alternden Nowotnys und Ramelows, die einen uninspirierten und deshalb langweiligen Verwaltungsfußball praktizierten. Podolski, das steht fest, hat eine Ära mitgeprägt, die nach der stimmungsvollen Heim-WM 2006 sowie einigen Halbfinale- und Finalniederlagen bei großen Turnieren bei der WM 2014 in Brasilien ihren bisherigen Höhepunkt fand.
Im Laufe der Jahre waren Einsätze und Tore Podolskis weniger geworden, längst hatte er sich auf der Suche nach seinem Vereinsglück aus Köln und Deutschland verabschiedet – nach London, Mailand, Istanbul und demnächst dann Kobe. Seine beste Zeit als Spieler lag 2014 bereits einige Zeit zurück. Und doch tauchte Podolski im EM-Kader 2016 nochmal auf. Weil er wichtig geblieben ist. Für Joachim Löw, für die Mannschaft.
Ein Star wollte er nie sein, auch kein Anführer, wenngleich er es "sensationell" findet, dass er das deutsche Team heute in Dortmund gegen England als Kapitän aufs Feld führen darf. "Es geht nicht nur darum, was auf dem Platz passiert", sagte Podolski kürzlich in einem Gespräch, das im Magazin 11 Freunde erschienen ist: Für einen Turniersieg sei auch das Umfeld wichtig, die Atmosphäre. Dafür war in nicht unerheblichem Maße er zuständig, der "Poldi". Der "kölsche Jung" war so etwas wie die Seele des Teams. Deswegen sei der Abschied auch ein trauriger Moment, findet Joachim Löw: "Lukas ist ein Unikat. Ihn kann niemand ersetzen."
Für seine sportlichen Leistungen ist Podolski immer mehr kritisiert worden in den vergangenen Jahren. Nicht immer, aber oft zu Recht. Verändert hat ihn das so wenig wie der Hype um seine Person in früheren Jahren – speziell in seiner Heimatstadt Köln. Es gehe darum, den Spaß und die Freude am Leben außerhalb des Fußballfeldes nicht zu verliehen, betont er in Dortmund noch einmal. "Sich selbst treu bleiben", lautet sein Rat an junge Spieler. "So habe ich das gemacht."
Tatsächlich ist Podolski wohl der uneitelste aller Nationalspieler. Mal abgesehen von den 54er-Weltmeistern. "Vielleicht mögen mich die Leute so, weil ich die Mentalität eines Straßenfußballers habe", vermutet er. "Fußball ist einfach: Rein das Ding und ab nach Hause" – Sprüche wie dieser in ihrer liebenswerten Schlichtheit machen in nahbar. Seine Straßenkicker-Mentalität ist es auch, die ihn nach dem WM-Triumph 2014 keine Sekunde an Rücktritt denken lässt. "Es gibt 80 Millionen Deutsche, aber nur 22, 23 werden zu einem Länderspiel eingeladen", sagt Podolski.
Sein Inneres erklärt sich auch durch seinen Werdegang. "Vom zweijährigen polnischen Jungen, der quasi nur mit dem Ball unter dem Arm nach Deutschland kam, zum Weltmeister – das ist mehr, als ich mir erträumen konnte." Ein Traum, der sich nicht so einfach erfüllen ließ wie so mancher Traum in Zeiten, in denen angehende Jungprofis von den Annehmlichkeiten einer Rundumausbildung profitieren. "Ich musste viel mehr kämpfen, für das, was ich erreicht habe", betont Podolski. Trotzdem wirkt er so jung, so unverbraucht wie damals. Irgendwie sieht er auch noch so aus. Ein paar Jahre will er schon noch spielen, sagt Podolski. Und dann, nach der Karriere? "Ein ganz normales Leben führen."
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ