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Leserbrief: Das krasse Gegenteil von Christentum

  • Leonhard Fleischer (Gundelfingen)

  • Di, 02. Juli 2024
    Titisee-Neustadt

     

KIRCHE IM FUßBALLFIEBER
Zum Artikel "Auch die Kirche ist im Fußballfieber", Ausgabe vom 19. Juni, über einen Familiengottesdienst der evangelischen Kirchengemeinde Neustadt zum Thema EM:
Die von Pfarrer von Oppen konstruierte Gemeinsamkeit von Kirche beziehungsweise Christentum und Profifußball ist absurd, da selbiger doch das krasse Gegenteil zu diesem, in dessen ursprünglicher Bedeutung markiert. So huldigt er zum einen in jesuswidriger Weise einem konkurrenzhaften Leistungsprinzip, dem mit seiner Siegesorientiertheit keineswegs die von von Oppen gepriesene Solidarität eigen ist, weshalb auch die Fanhymne des FC Liverpool "You’ll never walk alone" zutiefst verlogen erscheint.

Zum anderen verkörpert der Profifußball mit seinen obszön teuren Spielerkäufen einen hochkommerzialisierten Menschenhandel, der den Menschen zur kapitalistischen Ware degradiert und damit dessen christlichem Bild als Abbild Gottes zuwiderläuft. Insofern bedeutet er auch einen zynischen Hohn auf den christlich geprägten Artikel 1 des Grundgesetzes ("Die Würde des Menschen ist unantastbar"), das am 23. Mai seinen 75. Geburtstag gefeiert hat.

Kinder und Jugendliche mit Trikots im Gottesdienst erscheinen zu lassen, ist folglich eine Frevelei, mit der dem Mammon Profifußball ein Götzendienst erwiesen wird. In diesem drückt sich auch jene künstliche Befeuerung von Emotionen aus, die Frank Zimmermann in seinem BZ-Leitartikel vom 12. Juni 2024 ("Emotionen, künstlich befeuert") als fragwürdige Signatur sowohl der jetzigen EM als auch des gekauften WM-"Sommermärchens" 2006 herausstellte und sich dabei auf den Sportsoziologen Thomas Alkemeyer bezog. Ein Produkt dieser vorwiegend von Medien und Verbänden entfachten künstlichen Emotionalisierung ist das aufnötigende Fahnenmeer, dem sich niemand mehr entziehen soll.

Hierin spiegelt sich die totalitäre Verbindung von Massenmobilisierung und Nationalismus wider, auf den der Protestantismus im Sinne eines Staats-"Christentums" ja ebenso schon etwa bei seiner begeisterten Begrüßung des Ersten Weltkriegs setzte (siehe Hans-Ulrich Wehlers "Deutsche Gesellschaftsgeschichte") und dabei speziell noch das christliche Tötungsverbot (fünftes Gebot) aushebelte. Damals wie heute entbehrt er eines religiösen Empfindens für Innerlichkeit und Individualität, infolgedessen es sogar dazu kommt, dass krakeelende Fußballfans mit betenden Gottesdienstbesuchern in einer unzulässigen Verbindung auftauchen. Christen müssen das Salz der Erde sein, können natürlich nicht gesellschaftlich gleichgeschaltet, beziehungsweise der Welt nachgeordnet werden. Statt falsches Andienen ist Besinnung auf christliche Freude zentral wichtig.

Leonhard Fleischer, Gundelfingen

Ressort: Titisee-Neustadt

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 02. Juli 2024: PDF-Version herunterladen

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