Japan
Lernstress schon im Kindergarten
In Japan beginnt die Schule bereits im Kindergarten. Der Lernstress ist dabei total. Nach dem Unterricht folgt für die Schulkinder die Pauknachhilfe. Ein Einblick in das vielleicht härteste Schulsystem der Welt.
Mo, 7. Sep 2015, 0:00 Uhr
Panorama
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Die "richtige" Schuleinführung findet in Japan traditionell im April statt. Dann bekommen die Erstklässler praktische Dinge wie Schulranzen, GPS-Handys und anderen elektronischen Schnickschnack, vor allem aber Geldgeschenke. Eltern, Oma und Opa sowie weitere Verwandte überreichen den Schulanfängern dekorative Briefumschläge mit Geldscheinen. Ebenso sachlich und wenig kindlich fallen im Land der aufgehenden Sonne auch die Zeremonien zur Schuleinführung aus. Die Kinder treten in Reih und Glied an, der Direktor stellt die Lehrer vor, teilt die Klassen ein und stimmt die Neuschüler fast schon militärisch auf den kommenden Lebensabschnitt ein, den viele westliche Beobachter schlicht als permanente Examenshölle bezeichnen. Aber das wissen die ABC-Schützen ohnehin schon vor dem Anfang. Die Schuleinführung ist für viele japanische Kinder ohnehin nur die Fortsetzung ihrer Ausbildung. Die Lernlaufbahn beginnt in Japan bereits in der frühen Kindheit, denn die Meisten haben bereits eine stressige Kinderkrippe und einen anstrengenden Kindergarten absolviert, der den Kleinen nach westlichen Maßstäben ein immenses Pensum abverlangt. Dort müssen sie mindestens das 50 Schriftzeichen umfassende Silbenalphabet "hiragana" lernen, dessen Kenntnis beim Schulanfang vorausgesetzt wird.
Schon im Kindergarten sollen die Kids gute Zensuren schreiben, denn das Abschneiden der Kindergarten-Absolventen entscheidet darüber, welche Schule die Mädchen und Jungen besuchen dürfen.
Mit dem Erreichen des sechsten Lebensjahres geht jedes japanische Kind offiziell und pflichtgemäß in die Schule. Und dort nimmt der Leistungsdruck richtig zu. Japanische Bildungsstätten, darin sind sich Experten einig, zählen seit jeher zu den schwierigsten weltweit. Und seit eine lebenslange Anstellung in japanischen Firmen kein ehernes Gesetz mehr ist, gewinnt die Ausbildung noch mehr an Bedeutung.
Das höchste Ziel für japanische Eltern und Zöglinge gleichermaßen ist ein Studium an den staatlichen Topuniversitäten Tokio (Todai) und Kyoto (Kyodai), da deren Absolventen eine relativ zukunftssichere Laufbahn als elitäre Beamte bevorsteht. Aber bis dahin ist es ein weiter und extrem anstrengender Weg.
Dem Besuch der sechsjährigen Grundschule folgt die dreijährige Mittelschule. Diese neun Jahre sind für jedes japanische Kind obligatorisch. Danach gehen noch rund 94 Prozent der Schüler auf eine Gymnasialoberschule, die drei Jahre dauert. Damit ist der Abiturientenanteil in Japan weitaus höher als in den meisten westlichen Ländern.
Dieser Aufstieg und die damit verbundenen Prüfungen sind für viele Schüler erklärtermaßen die Hölle. Besonders die Abschlussprüfungen der Oberschule sollen absolute Albträume sein, weil der Schwierigkeitsgrad und der damit erforderliche Lernaufwand weit über den Abiturprüfungen beispielsweise in Deutschland hinausgehen.
Besonders hohe Ansprüche stellen die oft sündhaft teuren Privatschulen, die aber dafür mit ihrem hohen Niveau und Prestigewert am ehesten auf die Wunschhochschulen führen. Aber selbst an den öffentlichen Schulen, die meist keinen guten Ruf genießen, gilt: Mit normalen Mitteln schaffen es nur wenige von Prüfung zu Prüfung. Die meisten Schüler – rund zwei Drittel – besuchen deshalb zusätzlich eine Paukschule, gehen nach der Schule oft bis in den späten Abend in die privaten Juku-Institute. Das ist Schulstress total bis zur physischen und psychischen Grenze – für Freizeit haben die meisten Söhne und Töchter Nippons während der Schulzeit keine Zeit.
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