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Weihnachtsstück am Theater Freiburg

Kleiner Muck ganz groß

Der Kleine Muck – war das nicht dieser verwachsene, traurige, einsame, alte Mann, dessen Kopf und Buckel viel zu groß an einem viel zu kleinen Körper klebten? Das diesjährige Weihnachtsstück am Theater Freiburg erzählt das Märchen ganz anders.  

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Foto: Maurice Korbel
Der in seinem Leben so gar kein Glück hatte und dessen Märchen gleich mit den grausamen Spottgesängen der Nachbarskinder beginnt? Ja, genau der, nur dass das diesjährige Weihnachtsstück des Theaters Freiburg dann abenteuerliche Meilen entfernt ist von gedrückten Mitleiddrüsen und rührseligem Betroffenheitstheater. Viel mehr bringt Gastregisseur Uli Jäckle hier eine turbulente Entwicklungsgeschichte um einen ebenso pfiffigen wie mutigen Helden auf die Bühne, dessen Handicap schnell in Vergessenheit gerät und das liegt nicht nur an seinen turboschnellen Zauberschuhen...

Mit Wilhelm Hauffs 1826 im Märchen- Almanach erschienener "Geschichte von dem kleinen Muck" hat das nicht mehr viel zu tun. Statt einer Adaption des spätromantischen Kunstmärchens haben Carsten Schneider, Suzanne J. Hensel und Uli Jäckle ihre eigene Fassung geschrieben und die wurde nicht nur bezüglich der Figuren mächtig aufgepeppt. Sogar frecher und lustiger als die Stücke um Pippi Langstrumpf und Peter Pan kommt das daher und bezaubert mit seiner exotischen Tausendundeiner Nacht-Kulisse gerade zur Weihnachtszeit.

Generationstheater mit

viel Spaß und Action

Großartig ist von Anfang an das Bühnenbild (Thomas Rump): Vom Schnürboden hängt ein riesiger Flickenteppich in wildgemustertem Orange, darauf applizierte Bettdecken, aus denen nun wie im Kasperletheater allerhand fiese Verwandte die schlaftrunkenen Köpfe recken. Schon hört man aus dem Off penetrantes Fliegengesirr, in Stummfilm-Manier beginnt ein köstlich choreographiertes Stechen, Klatschen und Schlagen, wobei man sich letztendlich nur gegenseitig auf die Nase haut. So was mögen Kinder zum Anwärmen gerne und mit rasantem Looping ist schon die zweite Hauptperson des Stückes eingeführt: Mücke, dreißig Tage alt und ihres Zeichens beste Freundin des kleinen Muck – nur weiß er leider nichts davon.

Verwaist und verstoßen fühlt der sich ganz alleine auf der Welt. Und wohin geht einer, den keiner haben will? Klar, in die Wüste! Nun präsentiert sich die Bühne als ein Meer glänzend weißer Stoffdünen unter endlosem Theaterhimmel, in der Ferne eine verheißungsvolle Stadt-Silhouette mit Zwiebeltürmchen und mittendrin unser kurzer Freund. Konrad Singer spielt ihn mit Kulleraugen und offenem Herzen, mit so viel Albernheit und Hoffnung unter seinem Riesenturban, dass der Funke sofort überspringt: Den liebt man trotz und wegen seines komischen Buckels, dem wünscht man hier und jetzt das große Glück! Selbst als ihm die durchgeknallte Wüstenhexe Wackelzahn (herrlich schräg: Martin Weigel) auf die mickrige Pelle rückt, lässt er sich nicht unterkriegen. Und als die lispelnde, kesse, schwer verliebte Mücke (absolut hinreißend: Charlotte Müller) per Zauberei zu Menschengröße mutiert, ist alles klar: Hier ist ein unschlagbares Traumpaar!

So einfach geht’s natürlich nicht, erst müssen allerlei Gefahren (Verwüstungen und Erdbeben), Herausforderungen (Wettlauf beim Kalifen Kugelbauch) und Verführungen (die schuhverrückte Prinzessin Sultanine alias Elisabeth Hoppe) bestanden werden, bis die wahre Freundschaft siegen darf. Das entwickelt sich spannend, sehr turbulent und nach einem schlüssigen Konzept: Große Bilder werden mit vielen kleinen Details belebt. Mal gibt es Slapstick, mal lustige Sprachspiele, dazu sind Wüste und Palast mit geradezu grotesken Wesen bevölkert: Seien es der gigantisch fette Kater Karlo (Christoph Kopp), der feige Feigenbaum oder die Akkordeon spielenden Kamele (Musik: Roman Keller) – hier sind nicht nur die Kostüme (Elena Anatolevna) fantasiestrotzend.

Generationstheater mit viel Spaß und Action war sein Ziel, erzählt der in Schramberg geborene Jäckle ("Das doppelte Karottchen"). Dieser Anspruch ist erfüllt, hat aber auch seinen Haken: Stark ist die erste "Halbzeit", dann bricht man den schönen Erzählfluss zugunsten eines hingehaspelten Wettlaufs ab und setzt damit einen fragwürdigen Höhepunkt mit vielen Anspielungen, die nur Erwachsene kapieren. Aus Albernheit wird nun Klamotte, aus fantasievollen Spielideen schnelle Gags. Das verbraucht unnötige Energie, die man zum Glück aber wieder sammelt – für ein rundum gelungenes Happy End!
– Termine unter Tel. 0761/ 201 2853
http://www.theater.freiburg.de

Ressort: Theater

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