Kabarettistischer Parforceritt durchs Weltgeschehen
Lars Reichow freut sich über das kulturaffine Publikum im Zelt der Kulturbaustelle Staufen, das ihm einige Zugaben abverlangt.
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Um so mehr freute Reichow sich übers kulturaffine Publikum im Staufener Chapiteau, und er nutzte die Gunst der Stunde für einen kabarettistischen Parforceritt durchs aktuelle Weltgeschehen. Doch bevor er loslegt mit seiner Impfstoffhitparade und seinen Spott ausgießt übers alternativlos zur Wahl stehende Polittriumvirat oder korrupte Uefa-Funktionäre, gibt er zunächst einmal den charismatischen Charmeur: So viele attraktive "Staufinnen" hier im Saal. Überhaupt sind Frauen das bessere Publikum, Männer lachen zeitverzögert, Tage später. Doch diese Pointe macht Reichow ohne die männlichen Begleiter im Zeltrund. Die protestieren prompt und lassen sich keineswegs aufs korrekte Einparken oder das Handtäschchentragen reduzieren.
Versteht sich, dass Reichow im Laufe des Abends auch die "Staufer" in den Reihen noch für sich gewinnen kann. Dafür genügt schon seine messerscharfe EM-Analyse, wonach die mit Pasta und Fernet Branca geimpften Italiener "das Ding einfach reingehauen haben", während die deutsche Sportmoderatorenriege noch über den Wischmopp in der Downing Street und dessen Vierer- und Fünferketten lamentierte. Spätestens nachdem IOC-Boss Bach noch in einer regenbogenfarbenen Milliardärsrakete in den Orbit geschickt wird, liegt der Ball wieder im Tor des Mainzer Kabarettisten und somit erneut auf der Staufener Showbühne.
Mit einer hinreißenden Adaption von Serge Gainsbourgs Schmachtklassiker "Je t'aime" – aus vorpandemischer Zeitrechnung – stimmt Reichow die Gäste auf den zweiten Teil des Abends ein. Im Wechsel zwischen Konzertflügel und Synthesizer zieht der mit zig Preisen ausgewiesene Entertainer dabei erneut sämtliche Register. Beim Titelsong seines neuen Programms "Ich" gibt der Überegomane sich von seiner jazzigen Seite, dann perlen poetische Balladentöne aus dem Piano und am Ende tanzt das Glück auf der Sonne. Von einem knackenden Headset lässt ein solcher Profi sich in seinen rhetorischen Volten keinesfalls irritieren, er tauscht das Ding en passant gegen das Keyboardmikrofon, und steuert unterdessen bravourös mit seinem Wohnmobil einen norwegischen Serpentinentrail hinauf.
Das ist erst der Anfang einer gnadenlosen Tour d’Horizon, die über den schwarzen britischen Humor und einen Mainzer Friseursalon bis zur schwindelerregenden finalen Verschwörungstheorie führt und in ein Bekenntnis zur Fauststadt mündet: "Isch bin ein Staufener."
Ohne einen 18-prozentigen Fausttropfen samt sonnengelbem Kulturbaustellenschirm lassen ihn die gerührten Gastgeber natürlich nicht ziehen, worauf Reichow in der vehement geforderten Zugabe noch verspricht: "Vielleicht komm ich mal wieder vorbei." Gerne, jederzeit.
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