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K(l)eine Kulturschocks

Was fällt Studierenden auf, die neu in Freiburg und in Deutschland sind? Studis aus dem Iran, Tunesien, den USA, Bulgarien und China haben es uns erzählt.  

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Masih ArianiIran Foto: Thomas Kunz

Was ist eigentlich "typisch deutsch"? Fünf Studierende aus der ganzen Welt haben Fudder erzählt, was für Neulinge in Deutschland anders ist als im Heimatland – und was hier fehlt.

Der Unialltag

Masih: Die Studenten können mehr praktische Erfahrungen sammeln, weil es Projekte in Zusammenarbeit mit Unternehmen gibt. Die Kommunikation mit der Industrie läuft gut und der Papierkram wird schneller erledigt. Außerdem: Hier hat die Uni nur eine Tür für alle Studenten. Es gibt Unis im Iran, an denen das auch so ist, aber die Uni, an der ich studiert habe, hatte zwei Eingänge, einen für Männer und einen für Frauen.

Sadok: Die Uni-Bibliothek hat mich sehr beeindruckt, vor allem, weil sie so groß ist. Unsere Bib in Tunesien bestand in etwa aus zwei Klassenzimmern, Internet gab es auch keins. Damals habe ich nie in der Bibliothek gelernt, jetzt tu ich das immer. Neu war für mich auch die Ersti-Woche. Die finde ich wichtig und gut, um in die Uni integriert zu werden.

Erin: Der Kontakt zu den Professoren ist hier weniger persönlich als in den USA. Wir können immer zu unseren Professoren gehen, wenn wir eine Frage haben und sie helfen uns bei vielem. Hier ist das nicht so üblich. Hier kann man Alkohol mit in die Uni nehmen und auch trinken, zum Beispiel in der Ersti-Woche. In den USA darf man nicht in der Öffentlichkeit trinken, vor allem nicht in der Uni. Getrunken wird nur privat, zum Beispiel auf WG-Partys.

Simona: Ich habe von Anfang an in Freiburg studiert, aber ich glaube, dass es so etwas wie die UniCard nicht in Bulgarien gibt. Schade, die macht vieles wirklich sehr einfach. Die Bib finde ich auch schön, hier kann man in Ruhe sitzen, lesen, den PC benutzen oder einen Kaffee trinken.

Yongxing: Ich habe in Wuhan (China) angefangen Medizin zu studieren. In China konnte ich die Vorlesungen besser verstehen. Dafür sind die deutschen Lehrbücher sehr gut, die Grafiken erklären super.

Beim Flirten

Masih: Das Flirten hier ist anders. Man ist viel direkter und zeigt, wenn man sich mag. Im Iran ist es üblich, erst einmal etwas in der Gruppe zu machen, mit anderen Freunden zusammen und sich langsam anzunähern. Es kommt aber auch auf den Glauben an. Ich habe ein paar gute Freundinnen, denen ich noch nie die Hand gegeben habe, weil sie das nicht wollen.

Sadok: Flirten hier ist leichter als in Tunesien. Ich habe das Gefühl, dass die Frauen unabhängiger sind. Was mir hier aber besonders oft passiert: Die Frauen flirten erst mit mir und dann erzählen sie mir irgendwann, dass sie einen Freund haben.

Erin: Flirten funktioniert hier ziemlich ähnlich wie bei uns. Aber die Deutschen sind verschlossener. Wenn hier jemand mit mir flirtet, ist er meist selbst Ausländer.

Simona: Mich hat überrascht, dass sich die Jungs hier nur selten trauen jemanden anzusprechen. Sie scheinen etwas schüchterner zu sein.

Yongxing: Ich bin in einer Beziehung, deshalb darf ich nicht flirten (lacht).

Das Ausgehen

Masih: Der Fokus hier liegt vor allem auf Spaß haben. Im Iran gibt es keine Bars oder Clubs, wir treffen uns mit Freunden Zuhause, drinnen oder im Garten. Meistens isst man gemeinsam und unterhält sich, auf Partys wird auch mal getanzt.
Sadok: In Tunesien wegzugehen ist vergleichbar mit dem Kagan hier in Freiburg. Man muss einen Tisch reservieren, es ist teuer und im Club präsentiert man sich. Die günstigeren Orte sind dafür meistens ziemlich schlecht. Am Weggehen hier gefällt mit vor allem, dass es freier ist. Man muss nicht planen, sondern macht einfach das, worauf man spontan Lust hat.

Erin: Ich feier nicht viel in den USA, obwohl meine Uni eine richtige Party-Uni ist. Es gibt sehr viele WG- und Verbindungs-Partys. Hier gehen die Leute später los auf Partys, so gegen 12, und bleiben auch länger. In den USA fangen die Partys meistens schon um 10 an.

Simona: Sofia ist eine Hauptstadt, klar, dass es dort mehr Clubs und Orte zum Entdecken gibt. Ich stehe auf Hip Hop und Rap-Musik, leider gibt es hier kaum Partys in der Richtung. Ich gehe gerne auf WG-Partys, da lernt man viele neue Leute kennen.

Yongxing:
In China bin ich eher in ruhigeren Cafés. Hier ist die Musik auch in vielen Bars sehr laut. Mir gefällt aber der Irish-Pub, da kann man sich gut unterhalten.

Im Supermarkt

Masih: Ihr habt so viele verschiedene Brotsorten! Bei uns gibt es ungefähr vier verschiedene traditionelle Sorten. Dann haben wir noch Baguette oder Hamburger-Brot, das war’s. Der Unterschied ist mir hier sofort aufgefallen.
Sadok: Aufgefallen sind mir die vielen verschiedenen Biersorten. Wir haben nur ungefähr fünf verschiedene Biere. Am Anfang war der Plan, alle Sorten auszuprobieren, das habe ich aber immer noch nicht geschafft – es sind einfach zu viele.

Erin: Ich habe mich gefragt: Wo ist die Erdnussbutter? Es gibt hier nur eine Sorte! In den USA haben wir sehr viele – ein ganzes Regal voll Erdnussbutter. Hier gibt es außerdem ein Pfandsystem, in den USA haben wir das gar nicht. Und alles ist kleiner als in den USA.

Simona: Eigentlich gibt es hier genau die gleichen Sachen wie in Sofia – vielleicht sind die Supermärkte hier noch etwas vielfältiger. Dafür kochen wir kreativer: Hier gibt es meistens Nudeln, Kartoffeln oder Reis mit Fleisch und Gemüse.

Yongxing: Es gibt nicht nur Wasser, sondern auch Sprudel. Der kratzt so im Rachen. Beim ersten Mal habe ich ihn wieder ausgespuckt. Ich habe mich aber langsam an den Sprudel herangetastet – mittlerweile habe ich sogar meinen eigenen Sodastream.

Die Etikette

Masih: Bei uns gibt es eine Sitte, die "Tarof" heißt. Wenn beim Essen der Gastgeber etwas anbietet, dann lehne ich erst mal ab. Es entsteht dann eine Art Hin- und Her, der Gastgeber besteht weiter darauf, mir etwas anzubieten. Irgendwann gebe ich dann aber nach. Das ist eine Form der Höflichkeit. Einmal ist mir das bei einer deutschen Freundin passiert. Sie hat mir Essen angeboten. Ich habe abgelehnt und sie hat natürlich nicht darauf bestanden, sondern sich gewundert. Danach ist es mir aber gleich aufgefallen und ich habe es ihr erklärt.

Sadok: Die Deutschen sind so höflich, auch unter Freunden. In Tunesien ist das Gegenteil der Fall: Je besser man befreundet ist, desto unhöflicher ist man zueinander. Das hat tatsächlich zu Missverständnissen in meiner WG geführt. Alle waren immer so höflich zu mir, haben bei allem "Bitte" und "Danke" gesagt. Ich dachte, das Eis wäre noch nicht gebrochen und war extra noch unhöflicher, um zu zeigen, dass wir uns gut kennen. Irgendwann haben wir dann zum Glück mal darüber geredet. Jetzt klappt das besser.

Erin: Einmal war ich mit Freunden in einer Sauna. Ich habe gehört, dass man in Europa nackt in der Öffentlichkeit sein darf, das fand ich eine tolle neue Idee. Als wir da waren, hatten dann doch alle Bademäntel an – außer mir, ich hatte nur meine Unterwäsche mitgenommen. Das war mir ziemlich peinlich.

Simona: Wenn du in Bulgarien jemanden kennenlernst, dann umarmt man sich zur Verabschiedung oder zur Begrüßung beim nächsten Mal. Hier sind die Menschen etwas zurückhaltender. Das brauchen wir hier unbedingt auch: Einfach etwas offener sein und manchmal auch etwas lockerer.

Yongxing: Manchmal übersetze ich bei Veranstaltungen an der Uni für chinesische Gäste. Am Ende einer Veranstaltung sagte der Professor: "Jetzt legen wir los – es gibt was zum Beißen und Kante geben". Ich kannte diesen Ausdruck nicht und habe ihn wörtlich übersetzt. Alle haben gelacht, ich auch, nachdem man mich darüber aufklärte, was damit gemeint ist.

Das brauchT Deutschland

Masih: Wenn im Iran zum Beispiel eine alte Person in die Bahn einsteigt, steht sofort jemand auf und bietet seinen Platz an. Hier sehe ich das seltener. Ich fände es schön, wenn sich die Leute mehr umeinander kümmern würden.

Sadok: Mehr Vielfalt beim Fast Food! Hier gibt es Döner an jeder Ecke, aber sonst nicht viel. In Tunesien haben wir viele verschiedene Sandwich-Sorten, mit vielen verschiedenen Soßen, von Knoblauch bis Harissa und verschiedenen Fleischsorten.

Erin: Trinkbrunnen – bei uns gibt es überall Trinkbrunnen, in Geschäften, in Supermärkten oder in der Uni. Und ich finde hier sollte es mehr freiverkäufliche Medikamente geben, so wie bei uns in den USA. Meistens braucht man hier ein Rezept. Ich wünsche mir mehr gutes mexikanisches Essen!

Yongxing: Spätabends auch in den Clubs und Bars noch etwas Essen können.

Ressort: fudder

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