Interview

Freiburger Uniklinik-Chef Frederik Wenz: "Klinikreform läuft bei uns längst"

Der alte Bundestag hat die Reform der Krankenhausversorgung noch beschlossen, der Bundesrat dann auch. Was sie für Südbaden bedeutet, erläutert im Interview Frederik Wenz, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik Freiburg.  

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Hier werden Krebspatienten bestens beh...entrum der Universitätsklinik Freiburg  | Foto: Kathrin Blum
Hier werden Krebspatienten bestens behandelt: das Tumorzentrum der Universitätsklinik Freiburg Foto: Kathrin Blum

BZ: Herr Wenz, 2026 soll die Krankenhausreform in Kraft treten. Was sind die Konsequenzen für die Uniklinik und die anderen Krankenhäuser in Südbaden?

Wenz: Es geht um Ambulantisierung, Zentralisierung und Spezialisierung.

BZ: Was heißt das im Einzelnen?

Wenz: Die Ambulantisierung soll vorangetrieben werden, weil wir in Deutschland zu viele stationäre Aufenthalte haben und im OECD-Vergleich zu viele Betten. Das gilt allerdings nicht für Südbaden. Wir liegen hier bei 4,5 Betten pro tausend Einwohner, genau im OECD-Schnitt. In Südbaden sind viele Hausaufgaben, die der Rest der Republik noch machen muss, bereits erledigt. Daher wird die Reform hier auch für weniger Aufregung sorgen als anderswo.

"Durch die demographische Entwicklung, die kommende Alterung der geburtenstarken Jahrgänge, haben wir insgesamt einen höheren Versorgungsbedarf."Frederik Wenz

BZ: Wie lange läuft der Prozess schon?

Wenz: Der Abbau stationärer Kapazitäten ist die vergangenen sechs, sieben Jahre vorangetrieben worden. Das Ortenau-Klinikum geht zum Beispiel von neun auf vier Standorte herunter, das Lörracher Klinikum von vier auf einen. Und im Breisgau haben wir das Herzzentrum Bad Krozingen in die Universitätsklinik integriert.

BZ: Trotzdem soll noch weiter von stationären Behandlungen auf ambulante umgestellt werden. Warum?

Wenz: Durch die demographische Entwicklung, die kommende Alterung der geburtenstarken Jahrgänge, haben wir insgesamt einen höheren Versorgungsbedarf. Es gibt Berechnungen, dass je nach Krankenhaus zwischen zehn und 25 Prozent der Fälle ambulantisiert werden können. In der Region ist das auch notwendig, um den stationären Bedarf in weiter Zukunft abdecken zu können.

BZ: Warum braucht es auch mehr Zentralisierung?

Wenz: Bis jetzt war es bei operativen Eingriffen eine Abstimmung mit den Füßen. Die Patienten haben selbst entschieden, in welches Krankenhaus sie gehen, oder es lief über Netzwerke von Hausärzten und Kliniken. Jetzt sollen Maximalversorger wie die Universitätskliniken in ihrer Region eine Lotsenfunktion übernehmen. Allerdings braucht es dafür noch einen Rechtsrahmen und eine technische Infrastruktur. Aber auch da sind wir in Südbaden schon auf dem Weg. Die Universitätsklinik Freiburg hat mit Partnerkrankenhäusern begonnen, gemeinsame Dateninfrastrukturen aufzubauen, so dass man Patienten anmelden kann, ohne die Daten ein zweites Mal eingeben zu müssen.

BZ: Die Uniklinik würde Patientinnen und Patienten dann sagen: Sie gehen hierhin und Sie dorthin?

Wenz: Nein, es wäre weiterhin nur eine Beratung. Wir haben in Deutschland – und das ist ein hohes Gut – die freie Arztwahl. Aber wir könnten die Menschen transparenter informieren: "Sie brauchen eine Gallenblasen-OP, in der Uniklinik können wir sie in sechs Wochen machen, in Emmendingen in der gleichen Qualität übermorgen." Wir haben uns das für die Region sehr gründlich angeschaut und wir sehen, dass es für alle Beteiligten gut ist, wenn wir bestimmte Patientengruppen abgeben, von denen wir wissen, dass sie zum Beispiel in Emmendingen qualitativ hochwertig versorgt werden.

Frederik Wenz ist seit 2019 Leitender Ärztlicher Direktor der Uniklinik  | Foto: Britt Schilling / Uniklink
Frederik Wenz ist seit 2019 Leitender Ärztlicher Direktor der Uniklinik Foto: Britt Schilling / Uniklink 

BZ: Im Moment muss sich jeder selbst informieren.

Wenz: Und das ist viel Telefoniererei und viel Zufall. Ich glaube, dass es ein Vorteil für die Patientinnen und Patienten wäre.

BZ: Ihr dritter Punkt war die Spezialisierung in den Kliniken, was bedeutet das?

Wenz: Nehmen wir zum Beispiel die Krebsmedizin. Wir wissen, dass Patienten in zertifizierten Krebszentren bessere Überlebenschancen haben. Wir konnten mit unserem Tumorzentrum CCCF zeigen, dass dieses Modell funktioniert. Es soll nun auch auf andere Fachgebiete ausgeweitet werden. Da geht es um genügend Räume, genügend Geräte, genügend Fachärzte. Und um genügend Fälle, damit Routine da ist. Das gilt für die Ärzte, die Pflegekräfte, die Assistenzberufe bis hin zur Transportlogistik: Wenn sie bestimmte Sachen nicht gewohnt sind, kann es zu Verzögerungen oder Unsicherheiten führen und damit zu einer schlechteren Behandlungsqualität.

"Bei aller Unsicherheit bin ich doch optimistisch, dass wir in den kommenden Jahren eine Trendwende vollziehen können."Frederik Wenz

BZ: Kommen wir mal zum Geld: Eine Idee der Reform ist, dass die Klinik teilweise nicht für jeden Fall einzeln bezahlt wird, sondern für das Vorhalten von Behandlungsmöglichkeiten. Hat das Konsequenzen für die Uniklinik?

Wenz: Die Finanzierungssystematik der Reform hat im Augenblick noch viele Unsicherheiten, es muss vieles noch auf dem Wege der Rechtsverordnung und unter Einbezug der Länder ausdekliniert werden. Im Moment weiß man noch nicht genau, wie das aussehen wird. Von der reinen Fallbezahlung in eine Struktur von Vorhaltebezahlung plus Fallbezahlung zu gehen, ist von der Idee her richtig für bestimmte Bereiche. Zum Beispiel in der Geburtshilfe oder in der Notaufnahme, wo wir rund um die Uhr und jeden Tag Geräte und Personal vorhalten müssen, aber bislang nur Geld bekommen, wenn eine Geburt stattfindet oder ein Notfall kommt. Von daher ist der Grundgedanke der Vorhaltefinanzierung richtig. Aber da die Ausgestaltung dieser Passagen im Gesetz noch nicht da ist, ist noch vieles unklar. Die Unsicherheiten für unser Budget sind daher sehr groß.

BZ: Sie können im Moment nicht absehen, mit welchem Budget Sie ab dem Jahr 2026 rechnen können?

Wenz: Genau. Und wäre das Gesetz Ende November vom Bundesrat nicht verabschiedet worden, sondern noch in den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag gegangen, hätten wir sogar noch Auswirkungen für 2024 gehabt, weil die im Gesetz vorgesehene Refinanzierung der Tariferhöhung nicht gekommen wäre. Wir hätten einen Millionenbetrag nicht in der Kasse gehabt, den wir jetzt bekommen.

BZ: Die Universitätsklinik schreibt wie der Mehrzahl der deutschen Krankenhäuser seit einigen Jahren rote Zahlen, wie hoch wird das Defizit 2024 ausfallen?

Wenz: Es wird höher sein als die knapp über zehn Millionen 2023, mehr können wir noch nicht sagen. Wir hatten bis 2019 stets Punktlandungen auf unseren Wirtschaftsplan. Das ist die letzten Jahre durch unterschiedliche Dinge immer volatiler geworden und ist im Augenblick in einem Zustand, wie wir ihn so noch nie kannten. Aber in den vergangenen zwei Monaten hatten wir eine Leistungssteigerung. Bei aller Unsicherheit bin ich doch optimistisch, dass wir in den kommenden Jahren eine Trendwende vollziehen können.

Frederik Wenz (58) ist Radiologe. Er stammt aus Pforzheim und ist seit 2019 Leitender Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsklinik Freiburg.

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