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In Frankreich ist ein Schulfach gegen Mobbing geplant
Frankreichs Bildungsminister Gabriel Attal kämpft gegen Mobbing an Schulen. Im nächsten Schuljahr soll Empathie an den französischen Schulen zum Unterrichtsfach werden.
Do, 23. Nov 2023, 20:30 Uhr
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Frankreichs Bildungsminister Gabriel Attal dürfte das Schicksal von Lucas besonders nahe gegangen sein. Erinnerte es ihn doch an seine eigenen Erlebnisse in der Mittelstufe. Wie Lucas musste der Politiker damals Kommentare ertragen, die seine Homosexualität zum Ziel hatten. Als er 14 oder 15 Jahre alt gewesen sei, habe ein Mitschüler über das Internet dazu aufgerufen, das Aussehen der Anderen zu kommentieren, berichtete der Minister Anfang November in einem Fernsehinterview. "Ich habe eine Lawine von Beschimpfungen und Beleidigungen erlebt", so 34-Jährige, der sich erst später zu seiner Homosexualität bekannte. Wenn er sich jetzt gegen Mobbing in den Schulen einsetze, hänge das auch mit seinen Erlebnissen von damals zusammen. "Das hat geprägt."
Seit seiner Ernennung im Juli zieht Attal unermüdlich gegen die Belästigung von Schülerinnen und Schülern zu Felde. Als die Regierung Ende September ihren Plan gegen Mobbing vorstellte, kündigte Attal "Empathie-Kurse" an, die in den Lehrplan integriert werden sollen.
Nach dem Vorbild Dänemarks sollen die Kinder Mitgefühl, Selbstachtung und andere psychosoziale Kompetenzen erlernen. Ab Januar soll der Unterricht in mehreren Pilot-Schulen beginnen, bevor er nach den Sommerferien 2024 als Schulfach überall eingeführt wird. "Jeder Schüler in Frankreich hat das Recht, in der Schule glücklich zu sein", sagte Attal. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop ist jeder Fünfte in der Schule Opfer von Mobbing, also "einer körperlichen, verbalen oder psychologischen Form von Gewalt, die täglich oder mehrmals pro Woche passiert."
58 Prozent der Opfer sollen bereits daran gedacht haben, "sich selbst weh zu tun." Attal begann vergangene Woche eine eigene Bestandsaufnahme in den Schulen. Alle Schülerinnen und Schüler der dritten bis zwölften Klasse mussten einen Fragebogen mit mehr als 30 Fragen beantworten. Es ging nicht nur um Mobbing in der Schule, sondern auch in der Freizeit und im Internet. Für den Suizid einer 13-Jährigen im Mai war nämlich laut deren Familie eine Schmutzkampagne über Facebook und Instagram verantwortlich.
Lehrergewerkschaften warnen davor, von dem Fragebogen zu viel zu erwarten. Zum einen sei eine Reaktion schwierig, wenn aus der anonymen Befragung nicht hervorgehe, um welches Kind es sich handle. Zum anderen fehle es in den Schulen an Psychologinnen, Krankenschwestern und Sozialarbeitern, die das Problem gemeinsam mit den Pädagogen angehen könnten. "Die Prävention darf sich nicht auf den Fragebogen beschränken", forderte Sophie Vénétitay von der Gewerkschaft SNES-FSU.
Das Thema Mobbing wird in Frankreich nicht erst seit Attal groß geschrieben. Schon seine Vorgänger hatten sich, unterstützt von der Präsidentengattin und pensionierten Lehrerin Brigitte Macron, dem Kampf gegen den "Harcèlement" verschrieben und dabei einige Fortschritte erzielt. So ist seit gut einem Jahr Mobbing in der Schule eine Straftat. Ein dieses Jahr verabschiedetes Dekret ermöglicht es außerdem, Täterinnen und Täter zum Schulwechsel zu zwingen. Bisher waren es eher die Opfer, die die Schule verließen.
Im September erhing sich der 15-jährige Nicolas. Seine Eltern hatten das Schulamt Versailles über die schwierige Situation ihres Sohnes informiert, erhielten aber lediglich einen Drohbrief der Behörde zurück. Attal sprach von einer "Schande" und kündigte eine Überprüfung an. Gegen die Rektorin des Schulamtes forderte er Disziplinarmaßnahmen.
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