Mexiko

Immer mehr verehren die Heilige des Todes

Seit Jahrhunderten wird in Mexiko die Figur der Santa Muerte verehrt. Die gruselige Göttin findet immer mehr Anhänger. Das ist der katholischen Kirche ein Dorn im Auge.  

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Santa-Muerte-Figur in Laredo, Mexiko.   | Foto: Wikipedia
Santa-Muerte-Figur in Laredo, Mexiko. Foto: Wikipedia
Von der Straße aus wirkt das Lebenswerk von Doña Queta ganz unscheinbar. Nur ein paar Blumensträuße am Fußweg lenken den Blick auf das hinter weißen Gitterstäben liegende Geschäft der 62-Jährigen. Doch der Eindruck täuscht. Täglich kommen Hunderte Pilger nach Tepito in Mexiko-Stadt. Ihr Ziel: der geschmückte Altar der Santa Muerte, vor dem sie andächtig knien, um der "Todesheiligen" zu danken oder ihre Fürbitten vorzubringen.

An diesem Nachmittag ist eine vierköpfige Familie aus Kolumbien angereist, um Santa Muerte zu besuchen. Aufgelöst, unter Tränen, trauern sie vor der Figur um ihren am Morgen gestorbenen Sohn. Sie haben den ersten Flieger nach Mexiko genommen und werden am Abend nach Bogotá zurückkehren. Dass Besucher aus Mittelamerika oder sogar Kolumbien anreisen, passiert immer häufiger, sagt Doña Queta: "Sie kommen wegen des Glaubens, nichts weiter."

Der Anthropologe Antonio Higuera Bonfil erforscht die Bewegung der Santa Muerte seit Jahren und beobachtet die rasant wachsende Anhängerschaft. "Die Menschen glauben daran, dass Santa Muerte sie vor Krankheit und Unglück beschützt. Dabei ist sie eine sehr tolerante Heilige. Sie stellt keine Forderungen an die Gläubigen. Jeder darf sein wie er ist, egal ob homosexuell oder geschieden". Damit trete sie in direkte Konkurrenz zur katholischen Kirche, die ihre Gläubigen für die vermeintlich falsche Lebensführung verurteile.

Als Papst Franziskus im Februar vergangenen Jahres Mexiko besuchte, kritisierte er die Kultanhänger scharf: "Ich bin beunruhigt über die vielen Verführten, die dieses Hirngespinst verherrlichen und ausgeschmückt mit schauderhaften Symbolen den Tod kommerzialisieren."

Die Dekoration scheint durchaus todesverherrlichend. Im Zentrum des Altars von Doña Queta steht ein realistisches Abbild eines Skeletts von der Größe eines Kindes, der Totenschädel ist gerahmt von langem, schwarzem Haar. Die Figur hat Doña Queta liebevoll eingekleidet in ein goldenes, weit fallendes Kleid mit Schleier. Um das "weiße Kind", wie die Santa Muerte auch genannt wird, reihen sich Engel und Todesfiguren.

Viele Symbole des Kults ähneln lithurgischen Gegenständen der katholischen Kirche. In Doña Quetas Laden neben dem Altar können die Besucher Rosenkränze und Kerzen kaufen. "Vor der Kolonialisierung durch die Spanier existierte in Mexiko ein ausgeprägter Todeskult, der durch den eingewanderten Katholizismus von der Oberfläche verschwand", sagt der Soziologe Alberto Hernández. Nach seiner Einschätzung vermischt sich bei dem Kult der katholische Glaube mit vorkolonialen Elementen. "Die Bewegung ist keinesfalls neu. Nur ist sie viele Jahrhunderte versteckt gelebt worden." Wegen der Stigmatisierung durch die Kirche hätten sich viele Gläubige ins Private zurückgezogen.

Der neuerliche Erfolg auch außerhalb des eigenen Zuhauses ist wahrscheinlich auch Doña Queta zu verdanken. Die resolute Frau hat vor 15 Jahren ihren Altar der Santa Muerte gemeinsam mit dem Laden für Devotionalien in der Kriminalitätshochburg Tepito eröffnet. Er gilt damit als erster öffentlich zugänglicher Altar der Todesheiligen in Mexiko und wird entsprechend häufig besucht. Der Kult indes hat sich inzwischen in ganz Mexiko etabliert und wird offen gelebt. Die Feste und Rituale haben dabei kein festes Regelwerk, sie folgen regionalen Traditionen.

Einen anderen Grund für den Siegeszug sieht der Soziologe Hernández in der Zunahme der Kriminalität im Land: "Die Gewalt in Mexiko hat in den vergangenen 20 Jahren gleichermaßen zugenommen wie der Erfolg der Bewegung." Eine Charakterisierung der Santa Muerte als Heilige der Verbrecher lehnt Hernández aber ab: "Ich kann nicht bestätigen, dass es mehr Verbrecher unter den Anhängern gibt. Aber auch sie werden von der Santa Muerte akzeptiert."

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