30.000 Euro Sachschaden
Im Prozess um den Bonndorfer Reifenstecher spricht das Gericht den Angeklagten frei
62 Reifen an 17 Lastwagen schlitzt ein Unbekannter im März 2024 in Bonndorf auf. Dafür muss sich ein 71-Jähriger vor Gericht verantworten. Allerdings lässt sich der Verdacht nicht erhärten.
Fr, 7. Feb 2025, 18:30 Uhr
Bonndorf
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"Der Verdacht gegen den Angeklagten hat sich nicht hinreichend erhärten lassen", räumte Staatsanwalt Tobias Scherm ein, und Verteidiger Wolfgang Ulrich erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Sie habe in diesem Fall nicht sachgerecht ermittelt.
Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt und es sogar ins Fernsehen geschafft. An einem Sonntagabend im März 2024 zwischen 21.30 Uhr und 22.45 Uhr sind auf dem Betriebsgelände eines Transportunternehmens an der Waldstraße in Bonndorf insgesamt 62 schwere Lastwagen-Reifen mit einem Akkuschrauber aufgebohrt worden. Aufgezogen waren die Reifen an 17 Zugfahrzeugen und Aufliegern. Der Sachschaden betrug rund 30.000 Euro, dazu kamen Kosten des Betriebsausfalls.
Bemerkt wurde die Tat von einem der Fahrer, der am frühen Montag aufbrechen wollte und sich schon Sonntagabend zum Schlafen in den Lastwagen gelegt hatte. Er sei durch das Zischgeräusch der austretenden Luft wach geworden.
Einig waren sich Staatsanwalt und Verteidiger darin, dass die Tat alles andere als harmlos gewesen war. Ein Lkw-Reifen mit zu wenig Luft hätte platzen und einen sehr schweren Unfall verursachen können. Einig waren sich die beiden, dass die Tat nicht dem 71 Jahre alten Angeklagten aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis zur Last gelegt werden konnte.
Ein Beschäftigter des Unternehmens aus Bonndorf hatte den 71-Jährigen am Nachmittag jenes Sonntags beobachtet, wie er sehr langsam um das Betriebsgelände herumgefahren sei. Man kannte sich. Das Bonndorfer Unternehmen hatte den Waschplatz und die Tankstelle beim Berufskollegen aus dem Nachbarkreis gepachtet. Der hatte dem auf Holztransporte spezialisierten Betrieb aus Bonndorf just zu jener Zeit mehrere Lkw-Reifen zum Kauf angeboten.Verteidiger Ulrich legte dem Gericht noch vor Eintritt in die Beweisaufnahme Kontoauszüge seines Mandanten vor, die belegen, dass dieser zur Tatzeit über beträchtliches Barvermögen verfügt und nicht auf dem Verkauf der Reifen angewiesen gewesen sei.
Ärztliche Atteste bescheinigten dem Angeklagten, wegen einer Knieverletzung nicht in der Lage gewesen zu sein, auf nicht vollkommen ebenem Untergrund mehr als 60 Reifen aufzubohren.
Und schließlich legte Verteidiger Ulrich erfolgreich Widerspruch ein gegen die Verwertung der Aussage seines Mandanten beim Polizeiposten in Blumberg. Dort sei er als Zeuge belehrt, aber als Beschuldigter vernommen worden. "Wäre mein Mandant dort ordnungsgemäß belehrt worden, hätte er nichts gesagt", sagte der Anwalt. Er räumte ein, dass sein Mandant an jenem Sonntag in Bonndorf war – weil er sich mit einer Frau getroffen habe. Gemeinsam mit ihr und einer ihrer Freundinnen sei man dann nach Freiburg und schließlich in seine Wohnung im Schwarzwald-Baar-Kreis gefahren. Gegen 21 Uhr habe sein Mandant die Frauen dann nach Bonndorf zurückgebracht; gegen 22.30 Uhr sei er wieder zu Hause gewesen.
Vor Gericht räumte der damalige Geschäftsführer des Bonndorfer Betriebs ein, dass seine Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis zusehends schlechter geworden seien. Der machte dafür Zahlungsschwierigkeiten seines Partners verantwortlich.
Mehrmals wies Verteidiger Ulrich darauf hin, dass das Betriebsgelände in Bonndorf in einem Mischgebiet liege und von dichter Wohnbebauung umgeben sei. Sonntägliche und frühmorgendliche Motorengeräusche hätten zu nicht zumutbarer und letztlich unzulässiger Lärmbelästigung führen können, führte er ein weiteres Motiv für mögliche Täter ein.
Dabei ging der Anwalt, der früher selbst als Chef der Kripo Waldshut-Tiengen und stellvertretender Leiter der Polizeidirektion Waldshut-Tiengen im Polizeidienst war, hart mit der Polizei in Bonndorf und Blumberg ins Gericht. Es sei ein erhebliches und nicht nachvollziehbares Versäumnis gewesen, damals nicht in der Nachbarschaft des Unternehmens ermittelt zu haben. Schleierhaft sei ihm auch, welche Indizien zur Aussage der ermittelnden Beamtin geführt haben, wonach sein Mandant "dringend der Tat verdächtig" sei. Solch eine Aussage setze eindeutige Beweise voraus. Als die Beamtin erklärte, sich im wesentlichen auf die Ermittlungen ihres Kollegen aus Blumberg zu stützen, widersprach der Anwalt auch der Verwertung dieser Aussage. Somit blieb letztlich nichts, was dem Angeklagten zur Last gelegt werden konnte.