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"Ich guck’ Nachrichten und Harald Schmidt"

Medienmacher aus Print, Hörfunk und Fernsehen plauderten bei den Jugendmedientagen aus dem Nähkästchen – Juz-Mitarbeiter berichten.  

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U
nd, was willst du mal werden?"- eine unangenehme Frage, gerade zu Ende der Schulzeit. Wer darauf schon immer "Halt was mit Medien", gebrummelt hat, konnte bei den Jugendmedientagen 2005 in Hamburg herausfinden, ob er richtig lag. Mehr als 600 Teilnehmer aus 13 Ländern folgten dem Ruf in den Norden, um sich vier Tage lang bei Workshops in Radio, Fernsehen und Printmedien auszuprobieren, erfahrenen Journalisten bei der Arbeit über die Schulter zu gucken und sich über die Zukunftsaussichten in der Branche zu informieren. Und natürlich ging es nicht zuletzt auch darum, Gleichgesinnte zu treffen: Junge Menschen zwischen 14 und 24, die ebenfalls davon träumen, eines Tages eine eigene Talkshow bei RTL zu moderieren, Leitartikel in der "Zeit" zu veröffentlichen, die Hitparade beim SWR anzusagen oder als Fotograf für Geo um die Welt zu reisen. Fazit der Jugendmedientage 2005: Wer Journalist werden will, muss früh anfangen, so das einstimmige Urteil der "alten Garde".

Ungewisse Zukunftschancen, große Konkurrenz, mittelmäßige Bezahlung – warum sollte man so was überhaupt werden wollen? Weil, wie es ein Referent ausdrückte, es einfach "schweinegeiler Beruf" ist. Und schließlich, so ermutigte Ingrid Kolb, Leiterin der Henri-Nannen-Schule, die unsicheren Nachwuchs-Journalisten: "Man muss für den Beruf brennen. Aber wer das tut, schafft es auch." Ob diese flammende Begeisterung bei jedem Teilnehmer geweckt wurde, ist ungewiss (und unwahrscheinlich). Aber eines werden alle Teilnehmer mitgenommen haben: neue Einsichten und Bekanntschaften und ein riesiges Schlafdefizit.

Z
wei Stunden Schlange stehen beim Check-In folgt auf zehnstündiges Vergnügen mit der Deutschen Bahn im Nachtzug. Wir sind in Hamburg, Universitätsgelände, Jugendmedientage 2005. Mit dabei: auch einige Freiburger und Badener. Nach Redaktionseinkehr beim Focus, Fit For Fun und der Financial Times Deutschland am ersten Abend wartet tags drauf ein nett zusammengewürfeltes Symposium. Da geben gestandene Journalisten Einblicke in ihr persönliches Medienleben und zeigen die Zukunft desselben auf. Matthias Nass, stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung ZEIT schwärmt über seine einjährige Studienzeit in Hawaii und erklärt wie er dort seine große Liebe kennenlernte. Schon sind die gut 600 Jugendlichen im Hörsaal wachgerüttelt und folgen den weiteren Worten der fünf Medienmacher aufmerksam. Der junge Journalist bekommt von ihnen zu hören, dass morgens der Deutschlandfunk als Radiosender zur Pflicht gehört und darauf in aller Regel vier bis fünf Tageszeitungen "verspeist" werden. So machen es zumindest die Profis im Geschäft. Beim Thema Fernsehen sind sie sich allerdings nicht so einig. "Ich schaue überhaupt kein Fernsehen", wirft die taz-Ressortleiterin Ulrike Herrmann ein. Ihr Kollege Nass könnte unter allen Medien am ehesten auf das Fernsehen verzichten. Denn: "Ich gucke eh’ nur Nachrichten und Harald Schmidt." An letzterem schätzt er "die Schnelligkeit, den Zynismus und den Witz". Mit Witz sieht Thomas Kühn, stellvertretender Chefredakteur des NDR, das TV-Programm nicht. Eher bereiten dem 50-jährigen die Inhalte Sorgen. "Ob Frühstücksfernsehen am morgen oder Gerichtsshows mittags: Wenn ich sehe, dass die hohe Quoten haben, dann hab’ ich ein Problem damit!" Der TV-Fachmann erntet dafür tosenden Applaus der angehenden Journalisten.

Diese nutzten aber noch ein ganz anderes Medium: Den PC und das Internet. Für die meisten absolut unverzichtbar weil aktuell und schnell. "Onlinejournalismus, das explodiert gerade nahezu", findet Nass und steht mit dieser Ansicht nicht alleine. Die diversen Online-Portale und Websites werden tatsächlich zur Gefahr für Tageszeitungen. Apropos Zeitung. Wird es überhaupt noch lange Zeit die wahre Zeitung auf Papier zum Aufklappen geben? Oder klickt der Leser zur Lektüre der Dritten Seite nur noch auf die Homepage seiner Zeitung oder gönnt sich den Regionalteil auf dem Weg zur Arbeit gar von seinem Handy? So recht will sich da keiner der Kenner festlegen. Wahrscheinlich ändere sich das aber schon so peu à peu ist der große Tenor. Doch zuerst geht’s woanders hin. "Der Mensch braucht nicht nur Medien, er braucht auch Mittagessen", sagt Moderator Jochen Markett und beendet die populäre Podiumsdiskussion mit einem Hinweis für Hungrige. Ob dieses Symposium, die Workshops, der Stadtrundgang, das Kulturprogramm oder die Party: Jugendmedientage entschädigen schon im Voraus für die schreckliche Rückfahrt mit dem Zug und die von Grippe-/Kopfweh- geprägten Tage danach.

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rei Tage Jugendmedientage, das sind als Teilnehmerbetreuerin gefühlte sechs Wochen Holz hacken. Mindestens. Während die Teilnehmer von einer Veranstaltung zur Nächsten wandern, schleppen meine Mitstreiter und ich Colakisten, führen verlorene Schäfchen von einem Gebäude zum nächsten, hetzen von A nach B um irgendwelche wahnsinnig wichtigen Kleinigkeiten wie Flipcharts und Kameras zu besorgen und bekommen vom eigentlichen Programm nicht viel mit. Dennoch lohnen sich die drei Tage auch für uns – gerade für uns. Diese Tage, in denen ich permanent das Gefühl habe gleich, gleich geht es nicht mehr, gleich setzt du dich einfach hin und lässt alle anderen mal machen. Sie lohnen sich wegen der kalten Dusche am Morgen in den Turnhallen, in denen wir übernachten, wegen der vielen begeisterten Berichte von Teilnehmern, wegen dem Zusammenhalt im Team, und natürlich wegen der vereinten Dank-La-Ola-Welle bei der Abschlussveranstaltung.

Mein schönster Moment auf den Jugendmedientagen war beim Fotoworkshop der Zeitschrift Geo. 25 Teilnehmer zogen drei Stunden lang mit Kameras durch Hamburg und knipsten, was ihnen vor die Linse kam. Zwei Bildredakteure der Zeitschrift werteten das Material anschließend aus und übten behutsam Kritik. Zum Abschied schrieb eine Teilnehmerin an die Workshopleiter: "Dieser Tag hat mir die Augen geöffnet. Jetzt weiß ich, was ich werden will: Fotografin." Wörtlich. Auch wenn das im Nachhinein kitschig erscheinen mag und vielleicht im Überschwang der Gefühle geäußert wurde, drückte es doch ihre Begeisterung aus. Und genau diese Begeisterung war bei fast allen Teilnehmern zu spüren, es wurde ein unglaubliches Engagement an den Tag gelegt, und ungeahnte Energien freigesetzt, sowohl auf Teilnehmer- als auch auf Organisatorenseite.

Zwischen Kisten tragen, Rumgerenne und morgens die Teilnehmer fröhlich über das Mikrofon in den Turnhallen wecken konnte ich mich gar nicht so schnell umdrehen, wie die Tage vergingen. Eben standen noch 400 ungeduldige Jugendliche in Schlangen beim Check-in, müde, ungeduldig und verschwitzt. Drei Sekunden später tanzten alle auf der Abschiedsparty, wieder müde, und die Organisatoren sämtlich sehr erleichtert. (Fast) alles war gut gegangen, da sah man geradezu ganze Gebirgszüge von Herzen fallen.

Auf der Party herrschte die typische letzte-Abend-Ferienstimmung: gerade gefundene Paare nahmen tränenreich voneinander Abschied, Handynummern wurden ausgetauscht ("Wir sehen uns auf jeden Fall") und Verabredungen für die nächsten Jugendmedientage 2006 in Berlin getroffen.

Nach meiner Rückkehr aus dem hohen Norden wollte ich nur noch ins Bett und drei Tage am Stück schlafen. Aber auf die skeptische Frage von Freunden, ob ich mir so etwas noch einmal antun möchte, kann ich nur eins antworten: "Klar. Jederzeit."

M
an würde in diesem Moment wahrscheinlich sogar das Schaben eines Füllfederhalters hören. Wenn er spricht, ist die Redaktionsrunde mucksmäuschenstill. In der Mitte des großen Konferenztisches sitzt Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung "DIE ZEIT", und bespricht die nächste Ausgabe, während ihm seine Kollegen gespannt folgen. Er ist gerade mal 38 Jahre alt und da angekommen, wohin sich viele junge Menschen wünschen. Auf dem Thron des deutschen Journalismus. Und um solche Augenblicke erleben zu können, gibt es die Jugendmedientage.

Für die einen mag es 1968 Woodstock gewesen sein, für die anderen in diesem Sommer der Weltjugendtag in Köln. Und für 600 junge Medienmacher lag ihr Mekka in der vergangenen Woche eben in Hamburg. Redaktionsbesuche, Workshops und Vorträge warteten auf sie. Wertvolle Einblicke, die man im Alltag ganz sicher nicht so einfach bekommen würde. Mag es für einen Surfer das Größte sein, sich einmal vor Hawaii in die Wellen zu stürzen, so ist es für einige Nachwuchsjournalisten wohl das Größte, verschiedene Redaktionen der großen deutschen Magazine, Tageszeitungen oder Nachrichtensendungen zu besuchen.

Einmal Auge in Auge mit di Lorenzo und all den anderen, die man sonst höchstens aus dem Impressum der Lieblingszeitschrift kennt. So etwas macht die Jugendmedientage aus. Und solche Begebenheiten ziehen sich durch die ganzen Tage. Plötzlich steht da Ole von Beust, der Regierende Bürgermeister von Hamburg, neben einem oder Matthias Nass, der stellvertretender Chefredakteur der "ZEIT" fängt an, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Und die Überraschungen reißen gar nicht mehr ab. Wer hätte je gedacht, dass das Redigieren von Texten Spaß machen kann. Na ja, wenigstens, wenn ein SPIEGEL-Redakteur daneben sitzt und die richtigen Tipps gibt. Wobei die dann irgendwie gar nicht viel anders klingen als zu hause. Und im Mai nächsten Jahres warten die JMT im Berliner Reichstag auf die junge Journalistenmeute. Vier Tage mit Frau Bundeskanzler (oder sagt man jetzt besser Frau Bundeskanzlerin?) und dem Rest der Berliner Truppe. Na, mal gucken, was Thomas Roth aus dem ARD-Hauptstadtstudio so zu berichten weiß.

http://www.jugendmedientage.de

Ressort: Zisch

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