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"Ich bleib schon drin, aber ich werd' richtig Streß machen!"

Die Grüne Jugend vertritt - anders als die grüne Mutterpartei - eindeutig pazifistische Standpunkte - und zeigte sich beim Parteitag in Rostock verärgert.  

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Grün will immer auch ein bisschen jung sein, aber jung schämt sich manchmal dafür, grün zu sein: So ließe sich das Verhältnis zwischen den Grünen und ihrer Nachwuchsorganisation, der Grünen Jugend, derzeit auf den Punkt bringen. Während die Grüne Jugend, kurz GJ, den Krieg in Afghanistan ablehnt, spricht sich die Partei mehrheitlich für die Beteiligung am Einsatz aus. Das sorgte auf dem Parteitag von Bündnis '90/Die Grünen am vergangenen Wochenende in Rostock für einigen Konfliktstoff.

Ein Rückblick: "Fighting for peace is like fucking for virginity", steht auf dem Transparent, das drei Jungs über das Tribünengeländer der Stadthalle in Rostock gehängt haben. Aus Brandenburg sind Sascha, Franz und Oliver angereist, um die Meinung der GJ unmissverständlich klarzumachen: Wir sind gegen den Krieg. Den ganzen Samstag über haben sie Flugblätter verteilt, diskutiert und lauthals dazwischen gerufen - jetzt ist der Debattenmarathon beendet und die Delegierten stimmen ab, welche der acht Anträge zur Abstimmung kommen. Auch ein Antrag des Bundesverbandes der GJ ist darunter, der sich gegen den Bundeswehreinsatz positioniert.

Ausgerechnet die beiden Anträge schaffen es schließlich, die sich für den Anti-Terror-Einsatz aussprechen. Für die Jungs ist das ein Schock: ein bisschen Hoffnung hatten sie doch gehabt. Wenige Schritte von den Brandenburger Pazifisten entfernt gibt's Tränen. Eine junge Frau schimpft einem weinend hinterher, der sich über die Abstimmung freut: "Geh' doch zur FDP, da bist du besser aufgehoben!"

"Ich lass' mich von Joschka doch nicht einfach raus- scheuchen!" Franz (Grüne Jugend)

Die Parteivorsitzende Claudia Roth kann solche Ausbrüche verstehen: "Viele waren aufgewühlt von dieser Debatte." Aber schließlich sei an die Jugend ein deutliches Signal gegangen, denn ein "wichtiger Änderungsantrag der Grünen Jugend wurde mit großer Mehrheit angenommen." Tatsächlich hatte Werner Graf als Sprecher der Jugendorganisation erreichen können, dass ein kleiner, aber entscheidender Absatz in den Leitantrag eingefügt wurde, der eine transparentere Informationspolitik zu Kriegszeiten fordert.

Nicht genug für Sascha Bachmann. Noch während der Parteitagsbeschluss verabschiedet wird, steht für den Sprecher der Grünen Jugend Brandenburg fest: Rücktritt vom Amt als Beisitzer im Kreisverband und vorerst keine Aktivitäten für die Bündnisgrünen. Franz widerspricht heftigst: "Ich lass' mich von Joschka doch nicht einfach raus scheuchen!" Ein Austritt kommt für ihn nicht in Frage, weil die Grünen immer noch am dichtesten an seiner Position dran sind. "Aber", fügt der 18-Jährige wütend hinzu, "ich werd' richtig Stress machen!" Werner Graf, seines Zeichens Chef der Grünen Jugend, befürchtet dennoch viele Austritte und schreibt in der Nacht noch einen Aufruf an alle Pazifisten der Partei: "Wir machen weiter."

Auch der Bundestagsabgeordnete Winne Hermann setzt seine Unterschrift unter den Aufruf der Grünen Jugend, weil er das Abwandern gerade der Jungen in der Partei befürchtet. Persönlich bekennt er: "Ich fühl' mich scheiße." Nur eines freut den Friedenskämpfer, "dass die Grüne Jugend zum ersten Mal hochkritisch war." "Die Jugend", betont hingegen Parteichef Fritz Kuhn, "gibt's nicht - auch die Jungen sind sich nicht einig." Da dreht sich ein junger Delegierter zu ihm um und kontert: "Die Grünen müssen aufpassen, dass sie die Jugend nicht verlieren." Unwirsch mosert Kuhn: "Es gibt keine Zerissenheit!" Und entschwindet eilig auf die Bühne. Dort findet ausgerechnet jetzt statt, was die große Skepsis der Grünen Jugend gegenüber ihrer Mutterpartei geradezu ironisiert: Die bisher völlig unabhängige Jugendorganisation wird in die bündnisgrüne Partei eingegliedert. In seiner Rede kritisiert GJ-Schatzmeister Benjamin von der Ahe "das Machtspiel, das wir in der letzen Woche erleben durften" und der Bundesvorstand von B'90/Die Grünen macht gute Miene zur kritischen Solidarität seines Nachwuchses. "Wir erwarten was richtig Scharfes von euch", grinst Reinhard Bütikofer und überreicht den neuen Familienmitgliedern grüne Chili-Schoten. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Für die "Entspannung und Bewusstseinserweiterung" des grünen Bundesvorstandes wolle die Grüne Jugend was tun, sagt Werner Graf und drückt den verdutzten Bundesvorstandsmitgliedern gemeinsam mit seiner Co-Sprecherin Tina Gerts etliche Joints in die Hand.

Lautes Grölen auf der Zuschauertribüne kommentiert das Präsent. Sascha, Franz, Oliver und all die andern freuen lautstark sich über die gelungene Provokation, und für einen Moment scheinen sie die Wut zu vergessen, die sich an diesem Wochenende so angesammelt hat.

Eine Woche ist seither vergangen und der Aufruf der Grünen Jugend, sich gerade jetzt zu engagieren, findet immer mehr Unterstützer. Und auch wenn für die Grünen noch nicht abzusehen ist, wie viele Jungwähler die Partei tatsächlich verlieren wird: die Grüne Jugend hält an dem Motto fest, das sie stolz auf ihren T-Shirts trug, als sie dem Bundesvorstand die Joints überreichte: "Never give up."

Dominic Fritz

Ressort: Zisch

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