Account/Login

Jahrhundertflut

Hochwasser in Europa: Evakuierungen und weitere Tote in Österreich und Polen

  • dpa

  • Mo, 16. September 2024, 21:00 Uhr
    Panorama

     

     10

Starker Regen setzt ganze Landstriche in Tschechien, Polen und Österreich unter Wasser. Mehrere Menschen sterben. Und auch im Osten Deutschlands lassen steigende Wasserstände Anwohner bangen.

Sachsen, Dresden: Die Elbe ist in der Altstadt am Terrassenufer über die Ufer getreten. Foto: Robert Michael (dpa)
1/9
Die Hochwasserlage in gleich mehreren Ländern bleibt kritisch - und die Opferzahlen steigen. In weiten Teilen des riesigen Katastrophengebietes ist auch zu Wochenbeginn noch kilometerweit Land unter. Straßen und Felder sind überschwemmt, Keller und Häuser vollgelaufen, Dämme und Deiche teils zerstört.
Entspannung gab es nur vorübergehend, als der Regen mancherorts für einige Stunden nachließ: Die Meteorologen sagten weitere Niederschläge voraus, und auch in Deutschland müssen sich die Menschen an Oder und Elbe auf die Wasserwalze aus Zuflüssen in angrenzenden Ländern einstellen.

Viertes Hochwasser-Opfer in Österreich?

Beim Hochwasser in Österreich ist ein weiterer Toter entdeckt worden. Sollte es sich um ein Hochwasser-Opfer handeln, stiege die Zahl der Toten auf vier. Ein Polizeisprecher erklärte, es handle sich um einen bisher nicht identifizierten 40- bis 50-Jährigen. Dessen Leiche sei beim Strandbad in Klosterneuburg in Niederösterreich in Bauchlage im Wasser treibend entdeckt worden. Eine Obduktion solle die Todesursache klären.
Bereits am Sonntag war ein Feuerwehrmann beim Auspumpen eines Kellers gestorben. Am Montag wurden dann die Leichen von zwei 70 und 80 Jahre alten Männern entdeckt, die in ihren Häusern von den Wassermassen überrascht worden waren.
Im Osten Österreichs herrscht aufgrund des seit Tagen andauernden Regens der Ausnahmezustand. Mehr als 1800 Gebäude wurden bisher geräumt. Zahlreiche Straßen sind wegen des Hochwassers gesperrt. Für Dienstag wird ein Nachlassen der Niederschläge und eine allmähliche Entspannung der Lage erwartet.

Vier Tote bei Überschwemmungen in Polen

Dramatische Szenen spielten sich in Untergrafendorf in Niederösterreich an einem Bach ab, der zu einem reißenden Fluss geworden war. Eine Frau rettete sich vor den plötzlich steigenden Wassermassen in den ersten Stock ihres Hauses, aber ihr Mann schaffte es nicht. Sie habe stundenlang um Hilfe geschrien, sei aber nicht gehört worden, schilderte ein Polizeisprecher. Die Leiche ihres Mannes (70) wurde später gefunden, es war das dritte Todesopfer in Österreich. Insgesamt gab es in Rumänien, Polen, Tschechien und Österreich in den vergangenen Tagen mindestens elf Tote zu beklagen.

In der Kleinstadt Paczkow im Südwesten Polens hat der Bürgermeister nach dem Riss in der Staumauer eines Stausees die sofortige Evakuierung der tiefer gelegenen Ortsteile angekündigt. "Niemand kann garantieren, dass sich der Schaden nicht verschlimmert", warnte er in einem Aufruf in sozialen Medien.
Er rief alle Bewohner, die evakuiert werden müssen, auf, sich zu melden, und bat diejenigen, deren Häuser und Wohnungen noch nicht vom Wasser erreicht wurden, diese zu verlassen und sich in sichere Gebiete der Stadt zu begeben. Nachdem ein Aufruf, die Gebäude freiwillig zu verlassen, nicht befolgt worden sei, habe er sich nun zur Zwangsevakuierung entschlossen, sagte Bürgermeister Artur Rolka im polnischen Fernsehen.

Auch in Nysa, einer anderen Stadt in der Region mit mehr als 40.000 Einwohnern, wurde am späten Nachmittag eine sofortige Evakuierung angeordnet. Dort schien die Lage zunächst unter Kontrolle. Dann aber kam es zu einer dramatischen Zuspitzung. Sirenen heulten in der Stadt. "Die Lage ist sehr bedrohlich, Gesundheit und Leben der Einwohner sind bedroht", hieß es in einer Stellungnahme der Stadt. Die Entwicklung könne "in die schlimmste Richtung gehen", warnte der Bürgermeister vor der Gefahr eines Deichbruchs. Im polnischen Fernsehen waren lange Autoschlangen auf den Brücken der Stadt zu sehen.
Polens Regierung hat in Warschau inzwischen den Katastrophenzustand für die Hochwassergebiete ausgerufen. Er gilt für einen Zeitraum von 30 Tagen für Teile der Woiwodschaften Niederschlesien, Schlesien und Oppeln. Er gibt den Behörden mehr Befugnisse, Anordnungen zu erlassen, da die bürgerlichen Freiheiten und Rechte vorübergehend eingeschränkt werden. Beispielsweise können die Behörden leichter anordnen, dass bestimmte Orte, Gebiete oder Einrichtungen evakuiert werden müssen. Sie können auch verbieten, dass sich Bürger an bestimmten Orten aufhalten.

Breslau und Dresden wappnen sich für die Flutwellen

In Breslau, rund 170 Kilometer östlich der Grenze zu Deutschland, scheint am Montag die Sonne. "Die Oder hat nur ein bisschen mehr Wasser als sonst", sagt der Reporter vom polnischen Fernsehen TVP. Doch die Stadt wappnet sich: Eine Flutwelle strömt bereits aus den kleineren Nebenflüssen in die Oder und wird Breslau voraussichtlich am Mittwoch erreichen. So schlimm wie beim Oder-Hochwasser 1997 soll es aber nicht werden. Damals war ein Drittel der Stadt überflutet.

In Sachsen richtet sich der bange Blick auf Tschechien und die Elbe. Wassermassen aus dem Nachbarland erreichen mit Zeitverzögerung Deutschland. In Dresden ist der Wasserspiegel der Elbe schon mehr als viermal so hoch wie der dortige Normalstand von 1,42 Metern, im Tagesverlauf wird mit einem Überschreiten der Sechs-Meter-Marke gerechnet. Bei der Jahrhundertflut 2002 waren es 9,40 Meter.

Kritische Lage im tschechischen Ostrava

Der tschechische Regierungschef Petr Fiala sprach schon von einem Jahrhunderthochwasser an vielen Flüssen im Osten des Landes. Das ist ein Hochwasser, wie es statistisch gesehen nur einmal in 100 Jahren vorkommt.
In der drittgrößten Stadt Ostrava, wo Oder und andere Flüsse zusammenfließen, ist die Lage kritisch: "In mehreren Stadtteilen ist es offensichtlich zu Deichbrüchen gekommen", sagte Umweltminister Petr Hladik nach einer Krisensitzung. Die Bewohner wurden teilweise mit Schlauchbooten und Hubschraubern in Sicherheit gebracht. Katastrophenhelfer versuchten, die Bruchstellen in den Deichen mit Steinen auffüllen. Die Bergbau- und Industriestadt knapp 280 Kilometer östlich von Prag hat rund 285.000 Einwohner. Ein Kraftwerk musste abgeschaltet werden. Strom- und Mobilfunknetze und die Trinkwasserversorgung fielen vielerorts aus.

"Es war eine Apokalypse, überall ist Schlamm, alles ist zerstört." Zdenka Blistanova


In Litovel an der March (Morava) waren nach Einschätzung der Behörden rund 80 Prozent des Stadtgebiets überflutet. Die Bürgermeisterin der ebenfalls stark betroffenen Stadt Jesenik, Zdenka Blistanova, sagte im Fernsehen: "Es war eine Apokalypse, überall ist Schlamm, alles ist zerstört." Seit Ende vergangener Woche sind in den östlichen Sudeten bis zu 500 Liter pro Quadratmeter Regen gefallen. In Bergen im Norden des Landes sind es 300 bis 400 Liter, in anderen Gebieten Tschechiens bis zu 200 Liter pro Quadratmeter gewesen. Das ist nach Behördenangaben mehr als sonst in mehreren Monaten fällt.

Siebte Leiche in Rumänien gefunden

In Rumänien war vor allem der Osten des Landes betroffen. Nachdem im Karatenland über das Wochenende sechs Menschen ums Leben gekommen waren, sei am Montag das siebte Opfer im ostrumänischen Dorf Grivita nahe der Stadt Galati gefunden worden, berichtete die rumänische Nachrichtenagentur Mediafax unter Berufung auf den Katastrophenschutz.. Rund 6.000 Bauernhäuser wurden vom Hochwasser erfasst, viele liegen in abgelegenen Dörfern. Menschen kletterten auf Hausdächer, um nicht von den Fluten mitgerissen zu werden. Hunderte Feuerwehrleute waren im Einsatz.

Bayern vorsichtig optimistisch

In Bayern gab es keine Entwarnung, aber vorsichtigen Optimismus. Der Hochwassernachrichtendienst (HND) erwartet mit dem regnerischen Start in die Woche erneute Anstiege der Wasserstände, etwa an der Donau bei Passau oder der Isar bei München. Ein Hochwasser wie im Juni in Bayern sei aber nicht zu befürchten, hieß es.

Ressort: Panorama

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
die Kommentarfunktion ist aktuell geschlossen, es können keine neuen Kommentare veröffentlicht werden.

Öffnungszeiten der Kommentarfunktion:
Montag bis Sonntag 6:00 Uhr - 00:00 Uhr

Noah Weber

105 seit 9. Jul 2024

Lieber Herr Pahlke, hier gibt es mindestens ein Dutzend Schreibende, die den menschengemachten (!) Klimawandel leugnen oder in Frage stellen. Dazu ganze Parteien, wie die AfD und deren Anhänger. Wieso darf und soll man das nicht genau so benennen und auch uneingeschränkt kritisieren dürfen? Der laufende Hinweis auf lediglich 2 Prozent der globalen Emissionen und, dass Deutschland deshalb nichts unternehmen braucht, ist hanebüchener Blödsinn.

Wolfgang Bauer

355 seit 23. Jan 2023

Diese dummen "2%" sind nicht totzukriegen. Pahlke labert von diesen immer und immer wieder.


Weitere Artikel