Hilfe auf dem Weg durch Europa

Was eine Studentin aus Freiburg mit der Organisation Balkansrelief in einem Flüchtlingscamp in Mazedonien erlebt hat.  

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Flüchtlinge kommen am Bahnhof von Tabanovce an. Neben internationalen Hilfsorganisationen versuchten hier auch Freiwillige von Balkansrelief, die Menschen zu unterstützen. Foto: Privat (2)/Michael Bamberger

Wenn Syrer nach Europa flüchten, kommen sie meist über den Balkan. Nachts hat es dort Minusgrade und die Flüchtenden sind nur mit leichtem Gepäck unterwegs. Die Freiburgerin Katharina Liebke fuhr nach Mazedonien, um zu helfen – und stellte dort fest, wie viel Glück sie im Leben hatte. Das ist ihr Erfahrungsbericht aus Tabanovce.

Ich stehe hinter einem improvisierten Tresen in einem Container, zwischen Bergen von Mützen, Schals und Handschuhen. Dann kommt der erste Zug meiner Schicht: Etwas desorientiert, mitten im Nichts aus dem Zug in die Kälte gescheucht, stolpern junge und alte Männer, Frauen und Familien mit mehreren Kindern aus den Wagons. Es sind bis zu 1000 Menschen, die mit offiziellen griechischen Papieren das Privileg haben, weiterreisen zu dürfen, weil sie aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak kommen.

Hier in Tabanovce müssen sie auf dem Weg durch Europa einen Zwischenstopp einlegen. Die nächste Möglichkeit, mit dem Zug weiterzukommen, liegt 14 Kilometer entfernt; die Zubringerbusse haben von 23 Uhr bis 7 Uhr morgens Pause. Das bedeutet mindestens eine Nacht hier, wo die Temperaturen nachts auf 5 bis 8 Grad unter Null sinken. Es gibt unbeheizte Zelte des UNHCR, einen einzigen kleinen Holzofen, um den man stehen kann – im Idealfall mit einem Chai-Tee in der Hand und drei Decken über dem Rücken. Zum Glück gibt es für Frauen und Kinder beheizte Zelte, bereitgestellt von SOS-Kinderdorf und Terres des Hommes.

Auch wir sind hier, Balkansrelief, eine kleine Gruppe Studierender aus Großbritannien, Dänemark und Deutschland, die es erst seit Anfang November gibt. Innerhalb von acht Wochen haben wir mit Crowdfunding, Partys, Kuchen- und T-Shirt-Verkäufen Geld gesammelt, sind nach Mazedonien gefahren und haben Hunderte Handschuhe, Schals, Mützen, Socken, Leggings und einige Paar Schuhe gekauft. Jetzt müssen wir irgendwie entscheiden, wer die warme Winterjacke aus den Kleiderspenden anderer Organisationen bekommt, oder wer ein Paar der wenigen Schuhe, die wir gekauft haben, wohl am ehesten nötig hat.

Als wir zum ersten Mal auf den Platz des Camps fuhren, war ich irritiert: Werden wir hier wirklich gebraucht? Große Banner von UNHCR, DRK, SOS-Kinderdorf und Terres des Hommes wehten über weißen Containern und riesigen Zelten. Bald stellte sich jedoch heraus, dass zu dieser Infrastruktur kaum zuständige Menschen gehören – und wenn, sind diese nur selten anzutreffen. Wie gut, dass viele Mazedonier kommen, um zu helfen.

Gemeinsam sortieren wir Kleider, die vermutlich aus Altkleidersammlungen stammen. Zwei Drittel sind unbrauchbar: Es sind Sommersachen, manche Sachen sind kaputt oder verschmutzt. Es ist unsere größte Herausforderung und eine wahre Geduldsaufgabe, die Klamotten immer wieder auszumisten und zu sortieren.

Das Rote Kreuz stellt Essens- und Hygienepakete für die Flüchtlinge – genug Helfer, um die Pakete auszuteilen, gibt es aber nicht. Auch hier packen wir mit an. Wie es ist, hier zu stehen und Sachen zu verteilen, kann ich kaum in Worte fassen. Wenn die Kälte zu viel wird, kann ich ins Auto steigen und die Heizung anmachen. Auf mich wartet eine geheizte Wohnung, ein Kleiderschrank voller Wollpullover. Ich kann jederzeit in ein Flugzeug steigen und bin in drei Stunden zu Hause, in der Heimat.

"Almanya!?" rufen mir manche Flüchtende zu, mit leuchtenden Augen. Andere sind wie in einem Tunnel, ihrem starrem Blick sieht man an, dass sie das Jetzt, dieses Camp, diese Nacht in Tabanovce, schnell hinter sich bringen wollen. Sie alle sind auf dem Weg in ein besseres Leben, in Sicherheit.

Auf dem Weg vom Camp in unsere Unterkunft sehen wir Menschen, die auch auf ein besseres Leben hoffen, aber noch weniger haben. Sie springen, wenige Kilometer von der Grenze zu Serbien entfernt, auf der Autobahn aus Lieferwagen und rennen – weg von der Polizei. Es sind Flüchtlinge aus dem Iran und aus Somalia, wo die politische Lage noch nicht so schlimm ist, als dass sie nach Europa dürften.

Ja, Almanya, Deutschland. Mittlerweile bin ich wieder hier – in Sicherheit, im Warmen, in meinem Leben. Wenige Tage in Mazedonien haben hier nichts verändert, aber es ist doch irgendwie anders.

Ich wurde konfrontiert mit Problemen Anderer; mit Problemen, die größer sind, als ich es mir vorstellen kann. Mit Problemen, die ich noch nie hatte und höchstwahrscheinlich auch nie haben werde. Ich habe wohl einfach nur Glück gehabt.

Katharina Liebke, 23, kommt aus Freiburg und

studiert an der Katholischen Hochschule Soziale Arbeit.

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