Klage gegen Bayer-Konzern
Gutachter bringt im Fall der Pille Yasminelle keine Klarheit
Wie gefährlich ist die Pille Yasminelle? Im Schadensersatzprozess legt das Gericht der Klägerin und der Firma Bayer einen Vergleich nahe.
Fr, 19. Okt 2018, 7:42 Uhr
Südwest
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Im Prozess um mögliche Schadenersatzansprüche nach der Einnahme der Antibabypille hat das Landgericht Waldshut am Donnerstag die beiden Parteien erneut aufgefordert, einen Vergleich zu prüfen. In dem Verfahren verlangt eine mittlerweile 34-jährige Frau vom Bayer-Konzern Schmerzensgeld und Schadenersatz in Höhe von 200.000 Euro.
Dass die Pille Thrombosen verursachen kann, ist bekannt. Was Rohrer dem Hersteller vorwirft, ist, dass das Risiko der Pillen der dritten Generation höher sei als bei denen der zweiten. Und über dieses erhöhte Risiko sei sie nicht aufgeklärt worden.
Bis heute trägt Felicitas Rohrer auf verschiedene Weise schwer an den Folgen des traumatischen Ereignisses. Unter anderem kann sie nach eigenen Angaben nicht als Tierärztin arbeiten und ist auf verschiedene Medikamente angewiesen. Hätte sie das Risiko gekannt, sie hätte die Pille nicht genommen, versichert sie in der Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts. Sie habe davor verhütet und verhüte auch heute ohne Einnahme eines Hormons.
Yasminelle, Yasmin, Yaz – drei Marken des Herstellers Bayer, kamen im Jahr 2006 auf den Markt, die Pille der dritten Generation gehört mit zuletzt 648 Millionen Euro zu den umsatzstärksten Medikamenten von Bayer. Deren Risiken sind dem Unternehmen nicht unbekannt: In den USA hat Bayer nach einer Sammelklage von 10 600 Frauen einem Vergleich über 2,1 Milliarden Dollar zugestimmt. Der Beipackzettel der Pille wurde auf Drängen des Bundesinstituts für Arzneimittelsicherheit verändert, es gibt eine Handreichung für Ärzte, die die Pille verschreiben.
Vor dem Landgericht in Waldshut ist von der Erkenntnis wenig zu spüren. Bayer-Anwalt Henning Moelle hält eine Fernreise von Felicitas Rohrer im März 2009 für eine Mitursache, zudem habe man bei der Untersuchung in der Uniklinik Freiburg seinerzeit eine Venenanomalie festgestellt. Deshalb war am Donnerstag die Stunde des medizinischen Gutachters, Andreas Creutzig aus Hannover. Er war am ersten – und bis Donnerstag letzten – Verhandlungstag vor knapp drei Jahren bestellt worden. Creutzig sieht in der Venenanomalie keine Ursache und widerspricht damit den Ärzten der Uniklinik Freiburg. Dass Flugreisen mit einem gewissen Thromboserisiko verbunden seien, ist bekannt. Aber es sei gering. Solche Thrombosen träten zudem im Bereich der Wade und weniger des Beckens auf. Das überwiegende Thromboserisiko stamme aus der Einnahme der Pille, meinte Creutzig, auch die Tatsache, dass sich der Vorfall in den ersten Monaten der Einnahme ereignete spreche dafür – aber in der Medizin gebe es nun mal keine einfachen Ursache-Wirkung-Beziehungen, sondern nur vielfältige Kausalitäten.
Die Parteien haben nun vier Wochen Zeit, zu dem Gutachten Stellung zu nehmen. Die Vorsitzende Richterin Claudia Jarsumbek betonte, sie wolle sich nicht um ein Urteil drücken. Sie machte aber auch auf eine Besonderheit des Verfahrens bei der Arzneimittelhaftung hin: In der ersten Phase des erleichterten Beweiserhebungsverfahrens reiche der Nachweis, dass ein Medikament mitursächlich ist. Im nächsten Schritt geht es um konkrete Fehler bei der Instruktion (Beipackzettel) und die Berechnung des Kosten-Nutzen-Risikos. Während Rohrers Anwalt Martin Jensch Gesprächsbereitschaft bekundete, sagte Bayer-Anwalt Moelle, man sehe dazu keinen Anlass. Derzeit liefen acht Prozesse, sechs seien zu Gunsten von Bayer entschieden.