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Gerüchte um Katharina und die Kommunikationsexperten von VW

  • Do, 24. Juli 2003
    Zisch

     

Was macht uns Menschen so anfällig, alles zu glauben, was wir hören - und wie kommt es, dass auch von widerlegten Unwahrheiten immer was hängenbleibt?.

Der Mensch an sich ist äußerst mitteilsam. Er tratscht und klatscht den ganzen Tag und wenn es mal nichts mehr zu erzählen gibt, dann erfindet er einfach etwas. Oder er dichtet an bereits bekannten Geschichten herum - getreu dem Anglerlatein: "Und der Fisch wurde größer und größer". Das funktioniert auf Schulhöfen genauso wie in den Führungsetagen von Top-Unternehmen. Die unerhörten, unglaublichen, die einfach unfassbaren Geschichten hat der Mensch am liebsten. Ob Schüler oder Manager. Der Mensch ist also wie geschaffen für das Gerücht.

Gerüchte sind ein einziger Horror für die Kommunikationsexperten in den Presseabteilungen der großen Unternehmen. Und dabei ist es meistens völlig egal, aus was für einer Quelle die noch so unglaubliche Geschichte eigentlich stammt. Die Wissenschaft hat dafür natürlich wie für alles Unanständige einen imposanten Namen: "Sleeper Effect". Erzählen zwei Leute Geschichten, wobei Person eins sehr glaubwürdig erscheint und scheinbar richtige Dinge erzählt und Person zwei völlig unglaubwürdig auftritt, ist die Reaktion des Publikums sofort klar. Sie glauben Person eins mehr als Person zwei. Vier Wochen später kann das Publikum, sich zu großen Teilen nur noch an das Erzählte erinnern, und verwechselt dabei häufig die Quelle. Es hält von nun an das Erzählte für die Wahrheit, gleich aus welcher Quelle es stammt.

Ein Gerücht ist wie eine grausame Krankheit: Rückt man ihm zu Leibe, mit Dementis, nackten Wahrheiten oder Erstickungstaktiken, scheint es zunächst besiegt. Doch völlig unerwartet, manchmal sogar an anderer Stelle, flammt es wieder auf. Denn: Wo Rauch aufsteigt, muss ja irgendwo Feuer sein. Das Feuer gibt es aber meistens nicht, sagt Rüdiger Pichler in der Wirtschaftszeitung "brandeins". Der Professor für Kommunikationsdesign an der Universität Wiesbaden erklärt, dass moderne Unternehmen sich Gerüchte zunutze machen können. Mit Hilfe von Journalisten könne aus einem Gerücht "auch eine runde Geschichte" werden. Voraussetzung: "Man braucht eine Geschichte die so stark ist, dass sie dem Gerücht das Wasser abgräbt."

Im Privaten werden die Kampagnen kleiner gefahren: Fernab von Marketing und DAX, auf der Straße, am Stammtisch, auf der Party oder eben auf dem Schulhof hat das Gerücht genauso seinen Platz - und seine Macht. Es entsteht meistens da, wo viel Zeit ist. Und natürlich, wo Menschen zusammenkommen. Und es ist ohne Frage hinterhältig. Die Erfahrung machte auch Katharina: wurde ihr doch einfach eine Affäre angedichtet. Dabei, so Katharina, hätte die absolut nie stattfinden können. Ihr damaliger Freund glaubte natürlich dem Gerücht, zum Nachteil von Katharina. Klingt harmlos, zeigt aber die Wirksamkeit von Gerüchten: Menschen glauben nahezu alles.

Überall. Zum Beispiel, dass der Elchtest eine "kreative Erfindung von VWs Kommunikationsexperten im Kampf gegen Mercedes" war. Nach ähnlichem Prinzip funktioniert, dass die Amerikaner mit Verschwörungstheorien und Gerüchten bei nahezu jedem internationalen Einsatz konfrontiert werden. Dass McDonald's mal ernsthafte Probleme hatte, weil jemand behauptete, das Burgerfleisch würde mit Regenwürmern gestreckt. Und genauso unwahr ist, dass Katharina eine Affäre mit dem aus der zwölften hatte. Weil aber immer etwas hängen bleibt, streuen wir hiermit mal selber ein Gerücht: In Freiburg leben die schönsten jungen Menschen im gesamten Süddeutschen Raum, weil wir ja auch das schönste Wetter haben. Und die JuZ-Redakteure bestechen durch ihre packenden Reportagen und Berichte jede Woche aufs Neue, deshalb bekommen sie viele hoch dotierte Abwerbeangebote zu anderen Tageszeitungen. Bleiben aber trotzdem.

Martin Müller

Ressort: Zisch

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