Drama
"Fences" mit Denzel Washington ist großes Kino
Stolz und Elend Afroamerikas: Man mag "Fences" vorwerfen, dass er zu sehr am Theatralen festhält und zu wenig cineastische Reize bietet. Aber in der Reduzierung liegt auch die Stärke des Films.
Do, 16. Feb 2017, 0:00 Uhr
Kino
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Der afroamerikanische Dramatiker August Wilson hat diese Figur für sein Stück "Fences" ("Zäune") entworfen, das 1987 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Nun holt Denzel Washington als Hauptdarsteller, Regisseur und Produzent das Bühnenwerk auf die Leinwand – und schon nach wenigen Filmminuten versteht man, warum ein Vollblut-Schauspieler wie er sich eines solchen Stoffes annimmt. Der ist Washington freilich bestens vertraut, schließlich stand er mit "Fences" bereits 2010 am New Yorker Broadway auf der Bühne – übrigens ebenfalls mit Schauspielpartnerin Viola Davis.
Dieser Troy kann weder lesen noch schreiben, aber er ist ein Mann des Wortes, ein charismatischer Geschichtenerzähler – und ein Afroamerikaner, der sich seines unterprivilegierten Daseins in den USA der Fünfziger Jahre sehr bewusst ist. Gerade mal 14 Jahre alt war Troy, als er vor seinem gewalttätigen Vater flüchtete, allein Richtung Norden zog, sich mit Diebstählen durchschlug, bis er schließlich für viele Jahre im Gefängnis landete. Erst mit seiner zweiten Frau Rose (Viola Davis) kam Ruhe in sein Leben, und er ist stolz darauf, dass er sich diese bescheidene Existenz für sich und seine Familie aufgebaut hat. Aber die Geister der Vergangenheit verfolgen den Patriarchen.
Im Umgang mit seinem Sohn droht er die Fehler des Vaters zu wiederholen. Warum magst du mich nicht? fragt Cory (Jovan Adepo) und erntet in geballter verbaler Gewalt einen Vortrag darüber, dass väterliche Verantwortung nichts mit Zuneigung zu tun habe. In Troys Beziehung zu Rose erkennt man die Verlässlichkeit, das Vertrauen, aber auch die Routine einer 20 Jahre dauernden Ehe, in die sich ökonomische und emotionale Abhängigkeitsstrukturen wie traditionelle Geschlechterrollen eingeschrieben haben.
Als er ihr seine Untreue gesteht, reißen die Gräben auf – und Rose legt eine Stärke und analytische Kraft an den Tag, die vom Glanz des aufopferungsvollen Patriarchen wenig übrig lässt. Es ist diese rasante Kehrtwende der Perspektive im letzten Filmdrittel, die "Fences" zu einem echten Juwel werden lässt. Washington zeichnet zunächst ein hochdifferenziertes Porträt dieses Alpha-Mannes.
Mal erliegt man dem Charme des Maulhelden, mal fühlt man sich ihm in tiefer Empathie verbunden – und dann wieder kann man sein männliches Dominanzgebaren und die Herzkälte, die sich dahinter verbirgt, nicht mehr aushalten. Aber als dann Rose mit der Frage "Was ist mit meinen Träumen?" zu einem Monolog ausholt, der einem Erdbeben gleicht, wächst "Fences" noch einmal weit über sich hinaus und zeigt das ganze strukturelle Elend, in dem sich rassistische Diskriminierung, patriarchale Gewalt und ganz individuelles Fehlverhalten abbilden.
Man mag dem Film vorwerfen, dass er sich zu sehr am Theatralen festhält und zu wenig cineastische Reize bietet. Aber in der Reizreduzierung liegt auch die konzeptionelle Stärke des Filmes, der sich ganz und gar den Figuren und den herausragenden Darstellern verschreibt. Und was ist schon eine Landschaftstotale oder teure Ausstattung gegen eine Großaufnahme des Gesichts von Viola Davis, wenn sie sich daran macht, ihre Figur aus dem ewig unterstützenden Hausfrauendasein zu befreien? An dieser Performance dürfte bei der Oscar-Verleihung kaum ein Weg vorbeiführen.
"Fences" ist in jeglicher Hinsicht ganz großes Schauspielerkino (auch Washington bekam eine Oscar-Nominierung, zwei weitere gab es in den Kategorien Bester Film und Bestes adaptiertes Drehbuch), das die gleiche Luft atmet wie Klassiker à la "Endstation Sehnsucht", und darüber hinaus ein starkes Stück Black Cinema, das dem afroamerikanischen Leben in den USA der Fünfziger Jahre auf Augenhöhe und in all seiner Widersprüchlichkeit begegnet.
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