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Spektakulärer Fund

Europas erster Höhlenfisch in Baden-Württemberg entdeckt

In Europa ist dieser Fund einmalig und gilt unter Wissenschaftlern als Sensation: In den Unterwassergängen zwischen Donauversickerung und Aachquelle wurden Höhlenfische entdeckt.  

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Die Augen scheinen sich ein wenig in den Schädel zurückgezogen zu haben und sind nur noch halb so groß wie bei der Verwandtschaft. Auf Licht reagieren sie überhaupt nicht. Das fingerlange Fischlein mit der rosafarbenen Haut, durch die man die Adern deutlich sieht, scheint völlig blind zu sein. Die Nasenöffnungen aber sind doppelt so groß wie die ähnlich großer Fische. In den stets stockdunklen Gewässern ihrer Heimat ist eine empfindliche Nase sicher sinnvoller als gute Augen. Und Licht fällt in das mit Wasser gefüllte Labyrinth hinter der Quelle der Radolfzeller Aach nur, wenn dort beispielsweise der Höhlentaucher Joachim Kreiselmaier vom Verein "Freunde der Aachquelle" unterwegs ist.

550 Meter hinter der Hauptquelle der Aach, die vor allem mit Wasser aus den Donauversicherungen zwischen Immendingen und Fridingen gespeist wird, zeichneten sich dort Ende August 2015 im Licht seiner Lampe diese blass-rosa Fischlein ab. Sollten das etwa Höhlenfische sein, von denen Forscher bereits 175 Arten entdeckt hatten – auf allen Kontinenten, ausgenommen Antarktis und Europa? Die Spezialistin für die Ökologie und Evolution von Fischen Jasminca Behrmann-Godel von der Universität Konstanz und ihre Kollegen aus Oldenburg und Berlin untermauern diesen Verdacht in der Zeitschrift Current Biology jetzt mit modernen Analysen der Naturwissenschaft: Im unterirdischen Höhlensystem im Kalkgebirge hinter der Aachquelle lebt tatsächlich der erste bisher in Europa beschriebene Höhlenfisch.

Bisher kein Unter-Tage-Fisch in Europa bekannt

Für Biologen ist das zwar einerseits eine Sensation, die sie aber andererseits nicht gar so überrascht hat. "Wir hatten auf eine solche Entdeckung ja schon lange gewartet", erklärt Jörg Freyhof vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Der Spezialist für Artenbestimmung bei Fischen hat den Körperbau des Tieres untersucht.

Vor allem in Asien und dort besonders in China, aber auch in Nord- und Südamerika sowie in Afrika und Australien haben Forscher bisher an 765 Orten Höhlenfische entdeckt, die zu 175 verschiedenen Arten gehören. Nur in Europa waren bisher keiner dieser Unter-Tage-Fische bekannt. Die Flüsse und Seen unter Tage sind freilich auch nicht einfach zu erkunden. So strömen aus der Quelle der Aach je nach Niederschlag in jeder Sekunde bis zu 200 Badewannenfüllungen. Dabei schießt das Wasser 13 Meter unter dem Spiegel des Aachtopfes – so wird der Quellsee genannt – durch einen schmalen Gang im Felsen, Düse genannt, nur zwei Meter hoch und 2,40 Meter breit. Sobald sich der Taucher an einem Kabel durch die sehr starke Strömung gezogen hat, erreicht er ein Labyrinth von Gängen voller Wasser. Ein guter Überblick über diese Verzweigungen aber fällt sehr schwer, weil das Wasser meist sehr trüb ist.

Für einen tragfähigen Beweis brauchte es ein lebendes Exemplar

550 Meter hinter dem Aachtopf hatte Joachim Kreiselmaier bei seiner Entdeckungsfahrt im Labyrinth der Aachquelle den sogenannten Schrägtunnel erreicht. Genau dort sind ihm die Fische mit ihrer blassen, rosafarben Haut aufgefallen. Hatte er tatsächlich einen Höhlenfisch entdeckt?

Als Jasminca Behrmann-Godel und Jörg Freyhof die ersten Bilder der Tiere sahen, die Kreiselmaier gemacht hatte, bestätigten sie den Verdacht. Für einen tragfähigen Beweis aber brauchten sie ein lebendes Exemplar. Also versuchte Joachim Kreiselmaier, einen der Fische zu fangen – kein einfaches Vorhaben, weil ein Höhlentaucher samt 200 Kilogramm Ausrüstung verglichen mit den flinken Fischlein die Wendigkeit eines Schwertransporters hat. Mit Mühe gelang der Fang. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zeigten eindeutig, dass in den unterirdischen Gewässern hinter der Aachquelle eine Bachschmerle schwimmt, die sich ans Leben im Dunklen angepasst hatte.

Woher aber kamen die Vorfahren der Neuentdeckung? Um diese Frage zu klären, fingen Helfer in der Radolfzeller Aach unterhalb der Quelle sowie ein paar Kilometer nördlich davon in der Donau lebende Bachschmerlen. Deren Erbgut verriet den Forschern, dass die Höhlenfische viel näher mit den Donauschmerlen verwandt sind. Seit der letzten Eiszeit und damit vielleicht seit 20.000 Jahren sind sie aber ohne Kontakt zu dieser Ahnenpopulation eigene Wege geschwommen.

Tortur vor Jahrtausenden überlebt

Damit war den Forschern auch der Weg klar, auf dem die Tiere in die unterirdischen Gewässer gewandert waren. Am Oberlauf der Donau versinkt das Wasser des Flusses zwischen Immendingen und Fridingen durch Risse und Klüfte im Kalkgestein. In der Tiefe strömt das Wasser rund zwölf Kilometer nach Südosten, bis es in der Aachquelle wieder ans Tageslicht tritt, um in den Bodensee und damit in den Rhein zu fließen. Zwar dürften die meisten größeren Organismen diesen Weg nicht überleben. Aber Eier, Larven oder junge Exemplare der Bachschmerle haben die Tortur vor Jahrtausenden überlebt.

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Ressort: Südwest

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