Fischfang
EU erwägt, das Verbot von Treibnetzen zu lockern
Weil in Treibnetzen Millionen Tiere unnötig verenden, hatte die EU diese verboten. Nun steht eine Lockerung der Regeln im Raum. Obwohl sich der Fischbestand seither kaum erholt hat.
Khang Nguyen
Do, 7. Jun 2018, 20:30 Uhr
Panorama
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Treibnetze versprechen Fischern geringen Aufwand und hohe Erträge. Doch des einen Freud ist des anderen Leid: In den Treibnetzen verfingen sich oft andere, Meerestiere wie Delfine und Schildkröten. Sie landeten als Beifang an Bord – und verendeten sehr oft, ohne gegessen zu werden.
Mit dieser Praxis sollte seit 1998 in der EU eigentlich Schluss sein. Mit Blick auf bedrohte Tierarten hatte die Mehrheit der EU-Länder damals ein Verbot der Treibnetzfischerei befürwortet. Es trat ab 2002 schrittweise in Kraft. Doch es gibt Ausnahmen: Nach Angaben der Umweltorganisation WWF arbeitet noch immer eine zweistellige Zahl an Fischereien in Europa legal mit Treibnetzen.
Ob das Verbot tatsächlich zur Genesung der Tierbestände beigetragen hat, bleibt indes unklar. Mittlerweile hätten zwar bestimmte Meeresbewohner "Anzeichen der Regenerierung" gezeigt, heißt es in EU-Kreisen. Doch die genauen Folgewirkungen, etwa ob Populationen wieder gewachsen sind, wurden nie ausgewertet.
Der WWF wertet das Verbot zwar als "großen Erfolg für Europa", das Meer habe sich allerdings noch nicht erholt. "Kleinere Treibnetze werden im Mittelmeer immer noch illegal für die Jagd auf Anchovis und Meerbarben eingesetzt", sagte der WWF-Fischerei-Experte Philipp Kanstinger. Damit bleibe das Problem des Beifangs, der eigentlich gemeldet werden müsste. Es sei aber einfacher, ihn über Bord zu werfen und darüber zu schweigen, sagt Kanstinger.
"Vieles, was beim Fischfang an Bord gezogen wird, bleibt undokumentiert", sagte auch der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha Müller-Kraenner. Fischfänge könnten wegen fehlender effektiver Vorschriften nicht vollständig erfasst werden. Daher fordert die DUH bessere Kontrollsysteme. Doch es gibt auch Befürworter der umstrittenen Netze. "In der Ostsee gibt es nicht so viel Beifang", sagte der Vorsitzende des Landesfischereiverbands Schleswig-Holstein, Lorenz Marckwardt. Die Netze seien dort kleiner als im Atlantik. Außerdem hinke der Vergleich zur Hochseefischerei mit deren hundert Meter langen Schiffen: "Hier arbeiten Familienbetriebe, mit zwei oder drei Menschen in der Tagesfischerei", sagte er.
Seit dem Verbot hätten betroffene Fischer ihre Treibnetze kostenpflichtig entsorgen und auf traditionelle Fangmethoden umsteigen müssen: Tausende Angelhaken müssen Marckwardt zufolge zeitaufwendig mit Ködern versehen und ausgelassen werden. Das Verbot werde strikt überprüft: "Mittlerweile gibt es mehr Kontrolleure auf dem Wasser als Fischer", so Marckwardt.
Genau für solche Betriebe versucht die EU-Kommission nun einen Kompromiss zu finden. Seit vier Jahren will sie einen Vorschlag durchsetzen, der den Beschluss von 1998 in Teilen auflockern soll. "Mit dem alten Verbot wurden alle Fischer bestraft, obwohl manche den Fischen nicht geschadet haben", hieß es in Brüssel.
Der neueste Vorschlag der EU-Kommission soll Treibnetze von bis zu 2,5 Kilometern Länge wieder erlauben – sofern die Fischer in den betroffenen Regionen belegen können, dass ihre Arbeit nachhaltig bleibt. Das sei etwa der Fall beim Heringsfang in der südlichen Nordsee oder bei Sardinen, die rund um Spanien und Portugal gefischt werden. "In beiden Regionen werden Treibnetze benutzt und es gibt keinen Hinweis auf Meerestiere im Beifang", hieß es in Brüssel. Wann die EU darüber entscheiden will, ist unklar. Deutschland sieht den Vorschlag kritisch. "Die Bundesregierung setzt sich in diesem Prozess gegen eine Lockerung der Verwendung von Treibnetzen ein", sagte eine Sprecherin des Agrarministeriums.
Der Leiter des Rostocker Thünen-Instituts für Ostseefischerei, Christopher Zimmermann, hat nichts gegen eine Lockerung des Gesetzes, wenn es zugleich strengere Kontrollsysteme gebe. Grundsätzlich sei es aber fast immer möglich, nachhaltige Fischerei zu betreiben.
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