Zischup-Interview mit Schulleiter Harald Höfler
"Etwas von Bullerbü"
Drilona Pergjeqaj, Schülerin der Klasse 8a der Johann-Heinrich-von-Landeck-Schule in Bad Krozingen, hat im Rahmen von Zischup Schulleiter Harald Höfler interviewt.
Drilona Pergjeqaj, Klasse 8a, Johann-Heinrich-von-Landeck-Schule (Bad Krozingen)
Mi, 15. Apr 2020, 19:35 Uhr
Schülertexte
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Drilona: Herr Höfler, Sie haben ja mal gesagt, dass Sie als Kind, nach heutigen Maßstäben, ziemlich arm gewesen sind und jetzt sind Sie Schulleiter der Landeck Schule in Bad Krozingen. Wie haben Sie sich das alles aufgebaut?
Höfler: Ja, also im Vergleich zu heute waren damals viele Familien relativ arm. Das war die Zeit vor 60 Jahren, da mussten alle Menschen sehr sparsam leben.
Es gab genügend zu essen, aber zum Beispiel haben viele Kinder immer die Kleidung des älteren Geschwisterkindes aufgetragen. Also ich bekam meine Hose vom großen Cousin, dann gab ich diese Hose später wieder meinem kleineren Bruder. So war es damals.
Papa und Mama mussten hart arbeiten, wie alle anderen Erwachsenen auch. Meinen ersten zweitägigen Urlaub hatte ich mit zwölf Jahren. Trotzdem war es eine glückliche Kindheit. Ich vermisste nichts, obwohl wir lange Zeit keinen Fernseher hatten. Wir Kinder waren sehr unabhängig, mussten zwar in der Landwirtschaft mithelfen, hatten aber auch sehr viele Freiheiten. Die Erwachsenen kontrollierten nicht jede Stunde, was die Kinder machten. Wir gingen zum Beispiel nach dem Mittagessen aus dem Haus und wenn es dunkel wurde, kehrten wir wieder heim. Mit viel Fantasie haben wir den Tag in der Natur oder im Dorf verbracht.
Es gab wenig Vorschriften durch die Erwachsenen, wir wussten nur, dass wir nichts kaputt machen durften. Ansonsten waren wir vollkommen frei und machten natürlich auch viel Blödsinn. Unser Leben hatte etwas von Bullerbü. Eine wunderschöne Kindheit, auch wenn es nur einmal im Jahr eine neue Hose gab.
Zischup: Und wie haben Sie es dann geschafft, Schulleiter zu werden?
Höfler: Ich habe einfach über die Realschule, das Gymnasium und die Pädagogische Hochschule meine Abschlüsse gemacht und hatte dabei immer auch relativ gute Ergebnisse erreicht. Meine Eltern haben in all den Jahren immer an mich geglaubt, sie haben mich unterstützt, indem sie mir keine Steine in den Weg gelegt haben. Sie konnten mir keine Nachhilfe bezahlen, aber sie haben mir trotzdem bei allem geholfen, wo sie nur konnten. Dafür bin ich ihnen sehr, sehr dankbar.
Ich war der Erste, der das Abitur in der Familie gemacht hat und meine Eltern meinten, "wenn der Harald das machen will, wenn er diesen Weg gehen will, dann lassen wir ihn!" Vorher waren in meiner Familie alles Arbeiter, die waren Zimmerleute, Bergleute, Landwirte. Es war damals ungewöhnlich, dass ein Arbeiterkind Abitur machte. Also wie kam es zu meinem beruflichen Werdegang? Einfach lernen, lernen, lernen und dran glauben, dass man seine Ziele erreichen kann, auch wenn es zwischendurch Niederlagen und Rückschläge gibt. Im Laufe des Lebens eröffnen sich dann immer wieder neue Möglichkeiten. Das war ganz kurz geschildert mein Weg- ein wenig Glück, gute Lehrerinnen und Lehrer und die richtigen Freunde gehören natürlich auch dazu.
Zischup: War es eigentlich schon immer ihr Traum Schulleiter zu werden?
Höfler: Nein eigentlich nicht, das hat sich so ergeben. Nachdem ich das Abitur hatte, kam die Frage auf, wie soll es weiter gehen? Und dann habe ich eben mein Lehramt-Studium gemacht. Und nach einigen Jahren war ich ein glücklicher Lehrer. Der Wunsch, Schulleiter zu werden, kam dann erst später. Am Anfang war das nicht mein Ziel, nach dem Motto: Abitur, Studium, Lehrer und anschließend Rektor. Nein, das kam Schritt für Schritt.
Zischup: Wie lange arbeiten Sie schon als Schulleiter?
Höfler: Also erst war ich ja Konrektor und dann irgendwann Rektor und jetzt lass mich überlegen – insgesamt sind das jetzt schon 23 Jahre. Wahnsinn, wie die Zeit vergeht.
Zischup: Herr Höfler, Sie gehen ja bald in den Ruhestand, haben Sie noch bestimmte Ziele bis dahin?
Höfler: Drilona, es ist tatsächlich unglaublich, dass in eineinhalb Jahren mein Ruhestand ansteht. Ich kann es kaum glauben. Ziele im Besonderen habe ich jetzt nicht. Ich will meine Arbeit weiterhin so gut wie möglich machen, will täglich schauen, dass es den Kindern und Erwachsenen gut geht – und ich will auch die letzten 18 Monate im Dienst versuchen, dass ich die Probleme, die immer mehr werden, gelöst bekomme. Leider kann ich nicht zaubern, dann wäre das Leben nämlich um einiges einfacher! Manchmal ist eine Problemlösung sehr schwierig, da wäre ein Zaubertrick so schön. Aber meistens ist es harte Arbeit, bis man eine Problemlösung herbeiführen kann. Manche Kinder und Jugendliche leben heutzutage oft in schwierigen Verhältnissen, manche Kinder haben es echt schwer, schon bevor das Leben so richtig los geht.
Das macht mich zuweilen traurig und ratlos. Manche Kinder benötigen bereits im Grundschulalter mehrere Therapeuten, weil das Leben schon sehr früh durcheinandergeraten ist. Dabei hat doch jedes Kind eine glückliche Kindheit verdient. Zuweilen ist es kaum möglich eine Lösung für die komplexen Probleme innerhalb oder außerhalb der Schule zu finden. Da komme ich manchmal auch an meine Grenzen. Lösungen zu finden ist oft sehr anstrengend, langwierig und mühevoll. Leider hat man auch nicht immer den Erfolg, den man sich wünscht. Da wäre ein Zaubertrick schon sehr hilfreich, der alle Probleme verschwinden lässt. Das Schöne in meinem Beruf ist jedoch, dass es immer wieder ganz überraschende Problemlösungen gibt, die das Kind, die Eltern, die Kollegen und nicht zuletzt mich sehr glücklich machen. Kinder und Jugendliche brauchen täglich Erwachsene, daheim und in der Schule, die an sie glauben und ihnen die notwendige Unterstützung geben.
Zischup: Werden Sie uns sehr vermissen? Und was werden Sie am meisten vermissen?"
Höfler: Also so besonders nette Jugendliche wie dich, wir kennen uns jetzt schon viele Jahre, und viele andere kleine und große Kinder werde ich ganz bestimmt vermissen. Ich liebe meine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Es ist zwar manchmal total nervig und anstrengend, aber meistens habe ich das große Glück mit wunderbaren Menschen arbeiten zu können, die am Anfang ihres Lebens stehen. Kinder sind sehr kreativ, energiegeladen, nicht planbar – einfach herrlich. Das pure Leben! Man muss immer mit Überraschungen im Alltag rechnen, das ist wie gesagt manchmal anstrengend. Aber meistens ist es total nett, wenn ich am Schreibtisch sitze und Kinder und Jugendliche kommen einfach so vorbei – entweder mit einem Anliegen. Oder ein Geburtstagskind bringt mir ein Geburtstagskuchen vorbei. Die unerwarteten Besuche von Kindern und Jugendlichen liebe ich am meisten an meinem Beruf. Diese Begegnung, ob jetzt mit dir oder mit anderen Schülerinnen und Schülern genieße ich. Das ist das wahre Leben. Das werde ich sicherlich ganz besonders vermissen.
Zischup: Was sind eigentlich die Vorteile und die Nachteile in Ihrem Beruf als Schulleiter?
Höfler: Vorteil ist, wenn du Chef bist, hast du die Möglichkeit selbst zu entscheiden. Wobei ich persönlich gerne im Team entscheide. Ich finde es immer interessant, wie unterschiedlich auch erwachsene Menschen denken, fühlen und handeln. Bei den Begegnungen mit Menschen lerne ich am meisten. Der Nachteil als Schulleiter ist, dass ich immer wieder Probleme lösen muss, die sehr komplex sind. Probleme gehören zum Leben dazu. In jedem Leben gibt es Brüche, Sackgassen und falsche Wege. Wenn Schüler dann jedoch große Probleme haben, dauert es oft lange, bis man eine gute Lösung gefunden hat. Manchmal finde ich, finden wir im Kollegium keine Lösung. An solchen Tagen gehe ich traurig und frustriert nach Hause. Ich will den Kindern helfen, kann es aber nicht. Das ist zuweilen sehr hart.
Also wie vorher gesagt, auch wenn ich es spaßig gemeint oder formuliert habe, manchmal wünsche ich mir, dass ich zaubern kann und alle Probleme der Welt gehen weg. Das Schulleiterleben ist oft wie eine Achterbahnfahrt – manchmal ist man oben und dann wieder unten. Oder das Leben ist wie das Wetter, manchmal gibt es strahlenden Sonnenschein und zwei Minuten später ist es schon wieder dunkel und es blitzt und donnert. Das ist zwar spannend, aber manchmal auch sehr anstrengend. Oft muss ich auch viel Papierkram erledigen. Ich frage mich immer wieder, wer so viele unnötige Vorschriften und Dokumentationspflichten erfindet – und vor allem warum? Da könnte man auf Vieles zum Wohle aller verzichten!
Zischup: Wollen Sie uns noch etwas mitgeben?
Höfler: Also das Leben mit Kindern und Jugendlichen ist eine wunderschöne Geschichte, auch wenn ich manchmal durch die Decke gehen könnte, weil mich gerade etwas nervt, oder weil irgendein Blödsinn gemacht wird. Aber ich weiß gleichzeitig auch, dass Lehrer und ich selbst in der Schulzeit auch keine Engel waren. Das gehört letztendlich dazu. Ich habe meinen Traumberuf gefunden und der Beruf hat viele, viele Vorteile. Ich mag es total von jungen Menschen umgeben zu sein und dann zu sehen, was sich aus einem kleinen Erstklässler entwickelt. Ich habe in den letzten 23 Jahren sicherlich über 2000 Kinder eingeschult – und jeder Junge und jedes Mädchen ist ein einmaliger Mensch! So vielen unterschiedlichen, spannenden Menschen zu begegnen und sie zuweilen über viele Jahre zu unterrichten und zu begleiten, empfinde ich als großes Glück! Drilona, Ich kenne dich jetzt auch schon lange. Wenn ich sehe wie toll du dich entwickelt hast, dann ist das eine wunderschöne Geschichte. Ich bin echt gespannt, wohin dein Lebensweg dich führen wird? Wenn man Menschen ein Stück weit auf ihrem Weg begleiten kann und es entwickelt sich ein gutes Verhältnis, dann ist dies für mich mehr wert als vieles andere. Wenn ich dann ehemalige Schüler treffe, die heute schon Mamas und Papas sind und die sich gerne an mich und ihre Schulzeit bei uns erinnern, ist das einfach nur schön. Auch deshalb liebe ich meinen Beruf. Mein letzter Satz: Es ist einfach schön, mit Menschen, ob klein oder groß, zusammenzukommen, in einer offenen, ehrlichen und freundlichen Atmosphäre. Das empfinde ich als eine hohe Lebensqualität. Das ist durch nichts zu ersetzen!
Zischup: Danke für das Gespräch Herr Höfler.
Höfler: Ich danke dir Drilona. Es war mir ein Vergnügen, von Dir interviewt zu werden!
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