"Es ist schön, dass ich dich habe"
Immer mehr Teenager werden Mütter - und müssen nicht nur sehr viel Verantwortung übernehmen, sondern auch einen anstrengenden Alltag managen / Birte Hildebrand (Text) und Thomas Kunz (Fotos).
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Als ich die Eingangstür öffne, fallen mir zuerst die vielen Kinderwagen auf, die im Treppenhaus stehen. Hier bin ich also richtig: Die Mutter-und-Kind-Wohngruppe "St. Augustinusheim" in Freiburg. In zwei Wohnungen auf zwei Stockwerken leben im Moment jeweils drei Frauen zusammen. Jede hat ihr eigenes Zimmer, jeweils zusammen haben sie eine Küche, ein Wohnzimmer und eine Waschküche. Außerdem gibt es ein Büro für die Erzieherinnen, die rund um die Uhr für die Kinder und ihre Mütter da sind. Andrea bringt gerade die Küche auf Vordermann. In dem riesigen Wohnzimmer, in dem wir uns dann zusammensetzen, werden vormittags die Kinder betreut. Als sie schwanger wurde, war sie 16, mit 17 hat sie ihr Kind bekommen. Die anderen Frauen im Wohnheim sind derzeit zwischen 15 und 25. Allerdings wechselt die Belegschaft häufig: Am Anfang wird zwar ein Antrag auf ein Jahr gestellt, doch die wenigsten bleiben so lange. Andrea ist über Pro Familia hierher gekommen, nachdem sie sich dort über verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung für junge Mütter informiert hatte. Vor allem die Kinderbetreuung überzeugte sie letztendlich, in die Wohngruppe zu kommen. Zwar unterstützt ihre Mutter sie voll und ganz, aber nur hier wird ihr die Möglichkeit geboten, ihr Kind morgens abzugeben und sich ihrer eigenen Ausbildung zur Erzieherin zu widmen. Die mittlere Reife hatte sie vor Noahs Geburt mit dem Abschluss der zehnten Klasse am Gymnasium erreicht.
Wie war das, als sie erfuhr, dass sie schwanger ist? Was sagten die Eltern? Wie war das, schwanger sein? Andrea beantwortet alle Fragen geduldig. Am Anfang sei es schon ein Schock gewesen, für sie selbst, aber auch für ihre Mutter. Auch die hatte ihre Tochter Andrea schon mit 16 zur Welt gebracht und sie immer davor gewarnt, zu früh schwanger zu werden: "Es ist schön, dass ich dich habe, aber es war nicht immer leicht." Bei Andrea fing alles mit einer neuen Beziehung an, nachdem sie sich zuvor von ihrem langjährigen Freund getrennt hatte. Von diesem neuen Freund wurde sie schwanger, trennte sich jedoch nach einigen Monaten von ihm und kam wieder mit ihrem Ex-Freund zusammen. Für den war es am Anfang schwer, dass seine Freundin von einem anderen ein Baby erwartete, doch er stand ihr bei und wuchs in die Vaterrolle hinein. Heute kümmert er sich viel um seinen "Sohn", betreut ihn auch einmal in der Woche, um die Erzieherinnen der Wohngruppe zu entlasten. Mit dem biologischen Vater klappt das nicht so gut. Zwar bezahlt er Unterhalt, aber Interesse an seinem Sohn zeigt er kaum, erzählt Andrea. Anfangs hat er ihn zweimal gesehen, seitdem hat er sich nicht mehr um ihn gekümmert. Andrea versuchte zuerst, den Kontakt zu ihm zu halten. "Ich weiß wie es ist, seinen Vater nicht zu kennen, und ich wollte nicht, dass es Noah genauso ergeht", meint sie, die selber ohne Vater aufgewachsen ist. Doch der Vater von Noah, sei unzuverlässig und so kam es bisher zu keinem weiteren Treffen.
"Natürlich habe ich zeitweise auch an eine Abtreibung gedacht." Andrea, Mutter mit 17 Jahren
Unglücklich ist Andrea auf keinen Fall mit ihrem Sohn und sie kümmert sich gerne und routiniert um den Kleinen. "Nebenbei" macht sie noch ihre Ausbildung zur Erzieherin und sucht eine eigene Wohnung. Aber in der Schwangerschaft war es oft sehr schwer. Natürlich habe sie zeitweise auch an eine Abtreibung gedacht, gesteht sie, bereue aber heute keinesfalls, sich dagegen entschieden zu haben. Schlimm sei die ständige Gereiztheit gewesen. "Niemand konnte es mir recht machen", erinnert sich Andrea, "und meistens bekamen das mein Freund und meine Mutter ab, obwohl die sich so sehr um mich bemühten."
Problematisch war auch, dass Noah nicht bis zur 40. Schwangerschaftswoche warten konnte, sondern schon in der 26. Woche kommen wollte. Mit einer Operation konnte man die Geburt hinauszögern, in der 36. Schwangerschaftswoche war es dann so weit. "Die Schmerzen waren wirklich schrecklich und vor allem gleich am Anfang ziemlich stark", erzählt Andrea. Der Grund, eines der Bänder, mit denen der Muttermund zusammengehalten wurde, um eine frühzeitige Geburt zu verhindern, war übersehen worden, als die Bänder nun entfernt wurden. Das wurde schnell behoben, aber dennoch dauerte Noahs Geburt 13 Stunden. Dann aber hatte Andrea endlich ihren gesunden Sohn aber auf normalem Wege zur Welt gebracht. Und von da an, sagt sie lächelnd, "war ich nur noch glücklich."
Eine Woche blieben die junge Mutter und ihr Sohn im Krankenhaus, danach kamen sie in die Mutter-Kind-Wohngruppe, in die Andrea aber zuvor schon eingezogen war. In die Aufgaben einer Mutter sei sie schnell hineingewachsen. Wenn sie Probleme hat, kann sie hier immer jemanden fragen. Insgesamt aber stellt Andrea fest, dass sie ohnehin gut klar kommt: "Ich konnte mir das gar nicht vorstellen, aber bei seinem eigenen Kind weiß man ganz von selbst, was man machen muss."
Klingt, als gäbe es überhaupt keine Schwierigkeiten, nichts, das stört. So ist es aber nicht. Natürlich hat auch Andrea mal ihre "Hänger", manchmal geht es ihr schlecht, und, klagt sie, "man hat kaum Privatsphäre und mit all den anderen Müttern und ihren Kindern auch nie wirklich Ruhe." Da gibt es hin und wieder sogar Streit, Tränen und Geschrei, aber "man lernt zum Glück auch, damit umzugehen."
Für das Leben in der Gruppe braucht man natürlich auch Disziplin. Jede der jungen Frauen hat hier ihre Verpflichtungen, muss sich in die Gruppe einbringen und Verantwortung übernehmen. Reihum ist eine von ihnen für das Mittagessen zuständig, und auch die anderen Mahlzeiten werden meistens gemeinsam zu festen Zeiten eingenommen. Auch die Frauen, die nicht arbeiten oder zur Schule gehen, müssen daran teilnehmen, um einen regelmäßigen Rhythmus für sich und das Kind zu bekommen. "Nach einiger Zeit wird aber jeder hier nahe gelegt, sich zu überlegen, wie die Zukunft aussehen soll", betont Andrea. Das kann Schule sein, ein Praktikum oder auch eine Ausbildung.
Für Andrea war es die Ausbildung als Erzieherin - und sie ist damit sehr zufrieden. Am Anfang allerdings sei das sehr schwer gewesen, bis fünf Uhr in der Schule zu sein, während Noah von anderen betreut wurde. Bis sie nach Hause kam, hätte sie den Kleinen praktisch nur noch füttern und ins Bett bringen können. Und dann warteten noch die Hausaufgaben. "Da kam ich echt oft heulend nach Hause", erzählt sie. Das hat sich gelegt. Noah ist länger auf, wodurch Andrea wieder mehr von ihm mitbekommt - und es bleiben ja auch noch die Wochenenden. Die verbringt Andrea meistens zu Hause mit Freunden, mit ihrer Mutter und natürlich immer mit Noah. "Im Sommer waren wir oft am Baggersee und in den Sommerferien sogar im Urlaub in England", erzählt Andrea, "und Noah liebt Wasser und das Fliegen fand er auch sehr aufregend." Wenn Andrea spricht, hört sich das sehr erwachsen an. "Man wächst einfach an so einer Aufgabe", sagt sie. Und doch hat sie manchmal das Gefühl, es werde ihr alles zu viel und wachse ihr über den Kopf.
"Nicht jedes Kind könnte man so problemlos überall mit hinnehmen." Andrea über Sohn Noah
Als die Erzieherin hereinkommt, bringt sie Noah mit: einen kleinen süßen Knirps, mit großen Knopfaugen. Er strahlt, als er seine Mama sieht. "Klar, hängt das vor allem mit ihm zusammen, dass das alles so gut klappt", erklärt Andrea, "nicht jedes Kind könnte man so problemlos überall mit hinnehmen und zu Schulzeiten bei den Erzieherinnen lassen." Und stolz fügt sie hinzu: "Er macht das wirklich toll!" Für die Zukunft wünscht sich Andrea eine eigene Wohnung und natürlich will sie ihre Ausbildung fertig machen - und mit Noah nach Costa Rica fahren. Da nämlich kommt ihre Familie her. Als ich gehe, muss Andrea los zum Einkaufen: sie kocht heute das Mittagessen. Und ich habe etwas gelernt: wer so jung ein Kind bekommt, kann das mit viel guter Unterstützung schaffen - und doch ist es nicht leicht.
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