"Es ist ein verdammt schwerer Weg"

JUZ-INTERVIEW mit dem Kaiserstühler Nachwuchsradler Alexander Gut, der zuletzt auch in Südafrika trainierte.  

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Für die weltbesten Radler ist jetzt Halbzeit bei der 88. Tour de France. Der 17-jährige Alexander Gut und sein südafrikanischer Trainingspartner Jean-Claude sind von der Weltspitze noch einige Jahre und etliche Trainingskilometer entfernt, auch wenn beide von einer Karriere als Rad-Profi träumen. Derzeit trainieren die beiden in Alexanders heimischem Trainingsrevier, dem Kaiserstuhl. JuZ-Mitarbeiter Martin Müller befragte Alexander Gut - der seit acht Jahren fast täglich auf dem Fahrradsattel sitzt - rund ums Radeln: von Asthma bis Zielankunft.

JuZ: Etwa vier Prozent der Bevölkerung haben Asthma, bei Radsportlern sind mehr als 80 Prozent Asthmatiker gemeldet - die dürfen leistungssteigernde Cortikoide nehmen. Hast du eigentlich auch Asthma - oder schafft man als Nachwuchsfahrer auch ohne Doping den Sprung in die Tour?
Alexander Gut: Also ich hab' kein Asthma und ich denke schon, man schafft's auch so. Aber es ist ein verdammt schwerer Weg.
JuZ: Warst du in der Schule ein Zuspätkommer und musstest deswegen das schnelle Radfahren lernen?
Alexander Gut: Na ja, in der Früh lange schlafen ist schon schön. Aber am Radfahren ist mein Bruder schuld, der hat nämlich damit angefangen. Und ich habe dann auch mal Lust bekommen, es auszuprobieren. Das ist jetzt schon mehr als acht Jahre her.
JuZ: Muss man sich als junger Fahrer profilieren, indem man für die Großen als "Wasserträger" gegen den Wind strampelt?
Alexander Gut: Am Anfang gibt es noch keine Rangordnung. Da fährt jeder wie er Lust hat. Es gibt einfach nur einen Start und alle fahren dann so wie sie können. Später dann kommt das Taktieren um den Sieg. In der Bundesliga wird schon mal gebremst, wenn einer von uns weg ist. Haben alle Mannschaften einen Fahrer vorn und wir nicht, reihen wir uns auch vorn ein. Man weiß ja, dass die anderen das für einen auch machen, wenn man selbst mal vorne ist.
JuZ: Als Boris Becker in Wimbledon gewann, brach in Deutschland eine regelrechte Tenniseuphorie aus. Ähnliches war beim Sieg von Jan Ullrich zu beobachten. Hat sich von da an etwas für dich geändert?
Alexander Gut: Es war toll, dass Jan Ullrich gewonnen hat, aber mehr Ehrgeiz habe ich dadurch auch nicht bekommen. Meine Begeisterung ist noch immer gleich groß.
JuZ: Träumst du eigentlich von einer vergleichbaren Karriere?
Alexander Gut: So richtig träumen? So eine Karriere wäre schon toll, aber warten wir lieber ab.
JuZ: Noch mal Tennis. Warum kann ein Tennisspieler mehrere Turniere im Jahr gewinnen, während ein Radfahrer oft nur einen Saisonhöhepunkt hat und sich häufig nur auf dieses eine Rennen intensiv vorbereiten kann?
Alexander Gut: Ein Tennisturnier dauert einfach nicht so lange. Die großen Radrundfahrten bedeuten für die Radsportler: mehr als drei Wochen am äußersten Limit fahren. Ohne Pause. Bei so einer extremen Beanspruchung kann man nicht das ganze Jahr hindurch die Höchstform halten.


"Fährt einer vom Team weg bremsen die anderen für ihn und halten das Feld auf."

JuZ: Welches große Rennen würdest du selbst gerne mal gewinnen?
Alexander Gut: Natürlich träumt jeder von den großen Rundfahrten. Es ist aber - von Giro, Vuelta und Tour mal ganz abgesehen - auch immer schön, wenn man ein "Heimrennen" gewinnt.
JuZ: Was vermisst man am meisten, wenn man lange Zeit nicht auf dem Fahrrad gesessen ist?
Alexander Gut: Am meisten vermisst man die ganzen Leute, die man nur beim Training trifft. Und man hat viel zu viel Zeit. Das wird dann einfach langweilig.
JuZ: Während deine Freunde sich treffen und Party machen, musst du trainieren. Wie kannst du damit umgehen?
Alexander Gut: Manchmal ist es schon schwer. Jetzt im Sommer freut man sich auf den Winter. Da kann ich dann nämlich auch wieder am Wochenende weg. Aber im Moment geht das überhaupt nicht. Und das ist schon ziemlich schwer, denn alle gehen weg auf Feste und in Discos. Nach dem Wochenende hört man dann immer, wie gut es war. Bloß wir waren wieder mal auf einem Radrennen . . .
JuZ: Was spricht denn überhaupt dafür - wie motivierst du dich?
Alexander Gut: Durch die Rennen. Und natürlich durch die Erfolge.
JuZ: Was macht den potentiellen Teamleader aus? Die physische Stärke oder die mentale Verfassung?
Alexander Gut: Man braucht auf jeden Fall beides. Wer am Ende noch am meisten kann, führt. Es gibt viele starke Fahrer, bei denen es aber im Kopf scheitert. Auch wenn es mal nicht so gut läuft, kann man nicht von vornherein sagen, dass es nicht mehr zu schaffen ist.
JuZ: Was fühlt man bei einer kräfteraubenden Bergankunft?
Alexander Gut: Man denkt sich, hoffentlich ist es bald vorbei. Und freut sich nur noch auf das Trinken nach dem Ziel. Anders ist das bei Fahrten über das flache Land - da bleibt Zeit um über alles nachzudenken. Man redet hier auch mal mit den anderen Fahrern.
JuZ: Braucht man für einen Sieg ein Team oder kann man auch allein gewinnen?
Alexander Gut: Ab der Stufe der Oberliga haben es Einzelfahrer enorm schwer. Stärke allein nutzt hier wenig. Ein Team hat es da schon einfacher. Fährt der Einzelfahrer weg, fahren ihm alle Teams nach. Fährt aber einer vom Team weg, bremsen die anderen für ihn und halten so das Feld auf. Auch die finanzielle Unterstützung ist im Team besser.
JuZ: Du warst in Südafrika und hast dort trainiert. Wo liegt der Unterschied zwischen Tafelberg und Kaiserstuhl?
Alexander Gut: Das Fahren dort ist eintönig. Da kommt erst nach hundert Kilometern die nächste Ortschaft, es gibt mehr als fünfzig Kilometer keine Kurven und kaum Steigungen - es war eine spannende Erfahrung, so lange auf gerader Strecke durchzuhalten.
JuZ: Fährt man bei einem Radrennen gegen sich selbst oder gegen die anderen?
Alexander Gut: Eher gegen die anderen. Und für sich selbst.

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