Erzieherin zwang Kinder zum Essen

Essstörungen können die Folge sein / Prozess in Augsburg.  

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AUGSBURG (dpa). Kinder schreien, Kinder toben, Kinder verweigern das Essen. Eltern und Erzieher können ein Lied davon singen. Doch wie verhält man sich, wenn die Kleinen nicht essen wollen? Eine 26 Jahre alte Kindergärtnerin stand jetzt vor dem Amtsgericht Augsburg, weil sie Kinder zum Essen gezwungen hat (Az.: 35 Cs 209 Js 131524/15 jug). Die Frau drückte bei sechs Ein- und Zweijährigen die Wangen zusammen, um die Münder zu öffnen. Sie schob das Essen hinein und hielt den Kindern den Mund zu, bis sie schluckten.

Das große Medieninteresse vor Gericht ist der jungen Frau am Dienstag sichtlich zu viel. Weinend und eingeschüchtert sitzt sie auf der Anklagebank. Schließlich nimmt sie den Einspruch gegen einen Strafbefehl über 3200 Euro zurück. "Es lastet ein extremer Druck auf ihr", sagt ihr Anwalt vor Gericht. "Das steht sie nicht durch."

Enttäuscht von der aus ihrer Sicht "lapidaren Strafe" zeigen sich die Eltern eines betroffenen Kindes. "Es geht mir um die Kinder, die sie künftig noch erziehen wird", sagt Björn Seifert. Sein Sohn sei 18 Monate alt gewesen, als er Paprika essen musste, obwohl er das Gemüse nicht mag. Ein Spaziergänger, der das Geschehen zufällig beobachtete, und ältere Kinder hätten den Fall ans Licht gebracht. "Unser Sohn konnte uns davon ja nicht erzählen, er konnte damals noch nicht sprechen", sagt Francesca Seifert. Bis heute dürfe sie ihm nicht den Mund abwischen. "Er lässt sich nicht im Gesicht anfassen."

Für die Kinder könne die Zwangsernährung ein traumatisches Erlebnis sein, sagt der Psychotherapeut Uwe Wetter. Er zieht Parallelen zu Fällen in Kinderheimen in den 1950er Jahren. "Heute weiß man ja, man sollte Kinder auch nicht zwingen, den Teller leer zu essen." Derart belastende Erlebnisse könnten – je nach Angstzustand und Wiederholung – sogar zu Essstörungen führen.

Für Eltern wiederum ist es eine Horrorvorstellung, wenn sie ihre Kinder guten Gewissens in die Obhut ausgebildeter Erzieher geben und am Ende so etwas passiert. Doch der Deutsche Städte- und Gemeindebund relativiert: Angesichts von rund 42 000 Kindertageseinrichtungen bundesweit und Tausenden Plätzen bei Tagesmüttern seien derartige Fälle die Ausnahme. "Das ist zwar ganz, ganz bedauerlich – spiegelt aber nicht die Regel wieder", sagt die zuständige Referatsleiterin Ursula Krickl. Aber sie betont: "Es ist ein schmaler Grat: Wo hört die wohlwollende Fürsorge auf, wo fängt rabiater Umgang an?"

Es gibt kein Recht auf die Ausübung von Zwang

Erzieher übernähmen neben der Fürsorge- auch die Aufsichtspflicht, macht Krickl deutlich. Bundeseinheitliche gesetzliche Grundlagen dazu gibt es nicht. "Selbstverständlich ist kein Recht gegeben, ein Kind zwanghaft zum Essen oder Schlaf zu bewegen", teilt das bayerische Sozialministerium mit.

Erzieher sollten in der Ausbildung lernen, welche Maßnahmen erlaubt sind, sagt Krickl. Allerdings sei die Ausbildung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. In Bayern sei sie mit fünf Jahren am längsten, in Baden-Württemberg dauere sie nur drei Jahre. Eine Sprecherin des Landratsamts Augsburg, das für den Kindergarten im konkreten Fall verantwortlich ist, sagt: "In der Ausbildung wird auch erklärt, was erlaubt ist und was nicht."

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