Filmfestspiele

Ermittlungen nach "Völkermord"-Aussage bei Berlinale

Der Staatsschutz ermittelt nach der Rede eines Regisseurs, der bei der Berlinale von "Völkermord" gegen Palästinenser spricht. Die Festival-Verantwortlichen haben aus dem Eklat des Vorjahres gelernt.  

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Teilnehmer stehen während einer Kundgebung vor der Berlinale-Eröffnung für die israelischen Schauspieler Ariel und David Cunio, die sich in Gefangenschaft der Hamas befinden, auf dem Potsdamer Platz. (Archivbild) Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.

Berlin (dpa) - Neuer Wirbel um eine "Völkermord"-Aussage bei der Berlinale: Der Hongkonger Regisseur Jun Li zitierte bei einer Premiere auf der Bühne die antisemitische, propalästinensische Parole "From the river to the sea, palestine will be free". Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts, der für politische Straftaten zuständig ist, ermittelt.

Der Vorfall ist anders gelagert als beim Eklat der Abschlussgala 2024. Damals hatten die Verantwortlichen erst nachträglich reagiert, als sie massiv kritisiert wurden. Dieses Mal zeigt sich die Berlinale bemüht, es mit Blick auf Antisemitismus anders zu machen, setzt Zeichen und hat starke Filme mit Israel-Bezug im Programm.

Roth: "Tricia Tuttle nimmt ihre Verantwortung umfassend wahr"

"Die Berlinale hat sich unter Leitung von Tricia Tuttle verändert und setzt in diesem Jahr klare Zeichen", sagte auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth auf Anfrage der dpa. "Tricia Tuttle nimmt ihre Verantwortung umfassend wahr."

Doch ein Festival wie die Berlinale lebt von den Beiträgen internationaler Filmschaffender - und die haben teilweise einen anderen Blick auf den Konflikt. Dazu gehört Weltstar Tilda Swinton, die auf einer Pressekonferenz ihre Unterstützung zur BDS-Kampagne betonte, die für den Boykott israelischer Waren eintritt. Swinton sagte, sie sei "eine große Bewunderin". Schon vor dem Start der Berlinale hatte BDS zum Boykott des Festivals aufgerufen.

"Völkermord"-Rede bei Premiere des Films "Queerpanorama" 

Bei dem jüngsten Vorfall am Samstagabend hatte der Regisseur Jun Li bei der Premiere seines Werks "Queerpanorama" eine Rede des Schauspielers Erfan Shekarriz vorgelesen, der in seinem Film mitspielt. Ein Videomitschnitt mit Teilen der Rede war in sozialen Medien zu sehen.

In dem Redebeitrag hieß es, Millionen von Palästinensern erstickten unter Israels brutalem Siedlerkolonialstaat. "Queerpanorama" läuft nicht im Wettbewerb, sondern in der Nebenreihe Panorama. 

Die deutsche Regierung und ihre Kulturinstitutionen, einschließlich der Berlinale, leisteten ihren Beitrag zur Apartheid, zum Völkermord und dem brutalen Auslöschen des palästinensischen Volkes, hieß es in der Rede. Als Reaktion aus dem Publikum gab es zustimmende, aber auch deutlich kritische Zwischenrufe.

In dem Beitrag war außerdem die propalästinensische Parole "From the river to the sea, palestine will be free" zu hören. Der Spruch ist als eindeutig antisemitisch einzustufen, weil er als Aufruf zur Zerstörung Israels, Vertreibung und Auslöschung der jüdischen Bevölkerung zu verstehen ist.

Berlinale-Chefin: Wir bedauern den Vorfall außerordentlich

Die neue Intendantin Tuttle teilte mit, die Berlinale bedaure den Vorfall außerordentlich. "Wir haben unsere Gäste im Vorfeld darauf hingewiesen, welche politischen Äußerungen besonders sensibel und welche möglicherweise strafbar sind."

Roth gab an, sich mit Tuttle über den Vorfall ausgetauscht zu haben. "Die Berlinale hat bereits während der Veranstaltung in der Urania reagiert und den Vorfall kritisiert. Sie hat danach weitere Gespräche geführt und verdeutlicht, dass es auf diesem Filmfestival keinen Platz für Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit geben darf. Sie wird weiter auf das Einhalten dieser Werte drängen und ihrer Verantwortung nachkommen."

Tuttle bemüht sich in diesem Jahr, Solidarität mit den israelischen Geiseln zu zeigen. Schon bei der Eröffnungsgala setzte sie ein Zeichen, indem sie auf dem roten Teppich ein Foto der israelischen Geisel David Cunio trug. 

Der Schauspieler Cunio war 2013 mit einem Film auf der Berlinale vertreten. Vergangenes Jahr wurde das Filmfestival gebeten, auf der Abschlussgala für ihn einzutreten - was aber versäumt wurde. Tuttle, die letztes Jahr noch nicht Berlinale-Chefin war, sagte, sie wolle sich dafür bei ihm und seiner Familie entschuldigen.

Doch sie betont auch die Meinungsfreiheit. "Natürlich sehe ich eine rote Linie, wo es in den Antisemitismus kippt", hatte sie vor dem Festivalstart gesagt. "Gleichzeitig ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und Komplexität zuzulassen."

Zentralrat äußert sich "fassungslos"

Der Zentralrat der Juden in Deutschland schrieb auf der Plattform X mit Blick auf den diesjährigen Berlinale-Vorfall und die islamistische Terrororganisation Hamas: "Dass zu Hamas-Parolen Beifall aufbraust, macht fassungslos. (...) Wir gehen davon aus, dass ein solches Verhalten entsprechend sanktioniert wird."

Tweet: https://x.com/ZentralratJuden/status/1891511609740427485

Der Vorfall weckt Erinnerungen an die Preisverleihung 2024, als einzelne Preisträger auf der Bühne das Vorgehen Israels massiv kritisiert hatten, ohne den Terrorangriff der islamistischen Hamas vom Oktober 2023 zu erwähnen. In Statements war damals auch die Rede von Apartheid im Zusammenhang mit der Situation in den von Israel besetzten Gebieten sowie von Genozid (Völkermord) mit Blick auf das Vorgehen der Armee in Gaza.

Während der Rede gab es damals Beifall im Saal - und die Verantwortlichen reagierten erst, als im Anschluss der Gala Kritik bis hin zu Vorwürfen von Israelhass und Antisemitismus laut wurde.

Jüdische Filme auf der diesjährigen Berlinale

Dieses Jahr wirft die Berlinale in verschiedenen Filmen einen Blick auf die Situation jüdischer Menschen. Am Montag etwa war die Premiere des Films "Je n’avais que le néant – "Shoah" par Lanzmann". Darin setzt sich der Regisseur Guillaume Ribot mit dem bekannten Holocaust-Dokumentarfilm "Shoah" von Claude Lanzmann auseinander. 

Lanzmann verbrachte zwölf Jahre mit der Produktion dieses Films, der einen neuen filmischen Blick auf den Holocaust ermöglichte. Auch sein Werk von 1985 wird auf der Berlinale gezeigt. Zur Premiere von Ribots Film kam Lanzmanns Witwe auf die Bühne.

Im Programm liefen zudem zwei Filme über das Schicksal israelischer Geiseln: "Michtav Le’David" (Ein Brief an David) über David Cunio und "Holding Liat", der von der mittlerweile wieder freigelassenen Lehrerin Liat Beinin Atzili erzählt. Sie kam mit ihrer Familie zur Premiere des Films.

© dpa‍-infocom, dpa:250218‍-930‍-378633/2

Schlagworte: Tricia Tuttle, Claude Lanzmann, Claudia Roth
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